Braunschweig: „Elektra“

TRAILER

Besuchte Aufführung am 26.05.18

Auf der Couch mit Hofmannsthal und Strauss

Nach über vierzig Jahren gab es am Staatstheater Braunschweig ein Wiedererleben von Hofmannsthal/Strauss` "Elektra", also höchste Zeit ! Schon vor Beginn sieht man Elektra, mit Kapuzen-Shirt und in Hosen auf einer Couch am Bühnenrand, denn das Drama von Hofmannsthal hat ja auch mit dem Beginn und der Entdeckung der Psychoanalyse zu tun. Die Regisseurin Adriana Altaras fühlt sich in Gesprächen mit Traumaopfern . die an den Verfolgungen ihrer Verwandten im Dritten Reich leiden, zu ihrer Vorarbeit an dieser Inszenierung (steht im Programmheft) erinnert, die in arien-oder szenenartigen Monologen nicht aufhören können, an die Monologe der Titelpartie erinnert. So kommt sie mit ihrem Ausstatter Christoph Schubiger auf das bedrückende Anfangsbild einer Asservatenkammer des Konzentrationslager Ausschwitz mit seinen Bergen an Kleidung, wie gesagt interessant und beeindruckend als Bild für ein Gewaltsystem wie dem mykenischen Hof.

Doch in der Folge der zweistündigen Aufführung schickt sie die Protagonistin in den großen Dialogszenen mit Chrysothemis, Klytämnestra und Orest mittels Drehbühne in die jeweiligen Räume der Dialogpartner, was ich dramaturgisch eher abschwächend empfinde, denn ein auswegloses Ein-Raum-Bild vermittelt mir mehr die Ausweglosigkeit des Dramas und zwingt zu einer stärkeren Konzentration. Ansonsten eine sehr schöne, unspektakuläre Personenregie, die lediglich in den Mordszenen irgendwie verunglückt wirkt.

Musikalisch hat man sich für die Orchesterfassung für kleinere Häuser entschieden, die für bessere Durchhörbarkeit des Partiturgeflechts sorgt, wie einer besseren Textverständlichkeit dienlich ist. Einer Auffassung der sich auch das Dirigat Christopher Lichtensteins, der die Aufführung von GMD Srba Dinic übernahm, beugte. Quasi einer Deutung mit "angezogener Handbremse", die zwar die feurig-fulminanten Aspekte dämpfte, doch der von Komponisten gewollten "Elfenmusik"- Dirigierweise entsprach.

Das Staatsorchester spielte das mit fein austarierter Balance zwischen Furor und Kalkül. Damit kommt man natürlich den Sängern bei ihren kräftezehrenden Aufgaben entgegen. Maida Hundeling singt und spielt eine sehr glaubwürdige Elektra von nie nachlassender Intensität zwischen durchaus zarten Zwischentönen bis zu eruptiven Höhenflügen. Ihr sehr eigenwilliger Sopran mit den gleißenden, eruptiven Höhen passt hervorragend zu dieser Partie, auch wenn dabei eine etwas flackerige Tonstabilität in den Höhen die Intonation beeinträchtigt. Karen Leiber singt als lichten Gegenentwurf die frauliche Schwester Chrysothemis, was ihr, mit der etwas undankbaren Aufgabe die Rolle lediglich für die beiden letzten Vorstellung zu übernehmen, sehr unaufgeregt und klanglich gediegen gelingt. Edna Prochnik ist eine jugendlich attraktive, stimmlich keine Wünsche auflassende Mutter Klytämnestra, besonders die Registerwechsel in die Tiefe und die satten, dunklen Töne bleiben im Ohr, einziger Kritikpunkt : die Todesschreie klangen, zumindest an diesem Abend sehr nach Geisterbahn.

Ernesto Morillo als Orest könnte noch überzeugender klingen, wenn ihm die deutsche Sprache besser in der Kehle läge, sonst gibt es da nichts zu bekritteln. Jeff Martin gefällt im Vokalen wie Spielerischen, jedoch den Göring-Aufzug im Brokatmorgenrock quasi aus dem Auto entsteigend, halte ich für einen ungeschickten Einfall. Ebenso aus dem Pfleger des Orest einen blinden Diener aus dem Hause zu machen, finde ich textlich unpassend, wie sentimental verschnulzend. Die übrigen Beteiligten des Ensembles bewegen sich auf einem ganz ausgezeichneten Niveau, stellvertretend sei der höhenstürmische Tenorbeitrag von Matthias Stier als junger Diener benannt. Insgesamt haben wir es mit einer sehr beachtlichen Aufführung mit kleinen Fehlern zu tun.

Martin Freitag 6.6.2018

Fotos (c) Bettina Stöß