Braunschweig: „Eugen Onegin“

Besuchte Aufführung am 24.01.20 (Premiere am 17.01.20)

Lethargische Leere

Es liegt weitgehend an der szenischen Umsetzung von Isabel Ostermann, daß Tschaikowskys "Eugen Onegin" am Staatstheater Braunschweig eine recht halbgare Geschichte geworden ist. Schon der helle Rundhorizont von Stephan von Wedel, der jeweils mit wenigen Requisiten( Grabstein, Zelt, Laub, die handelsüblichen Stühle, Lampions für das Larina-Fest, Lüster für Petersburg) umdekoriert wird, was zudem durch unterbrechende Umbaupausen ohne wirklich großen szenischen Mehrwert den Fluß der Vorstellung ins Stocken bringt. Die Bühne auf der Bühne des letzten Bildes hätte man sich dann auch sparen können. Die Solistenkostüme von Julia K.Berndt sind in ihrer "Modemarke Desigual goes Russia"-Attitude und ihrer exquisiten Farbgebung schön anzusehen, der Chor lässt leider in einem "Alles in Schwarz aus dem Fundus", weder eine Zeitverortung, noch die in der Oper wichtigen sozialen Sphären zu. Dazwischen viele klein, oft unnötige "Ideen", wie der fußballspielende Neffe der Amme, die merkwürdige Kinderhochzeit, die Chorführung, die mal auf antike Tragödie deutet, sich dann doch irgendwie zu einem Tänzchen (nicht originelle Choreographie von Markus Schneider) bequemt. Das Allerschlimmste jedoch ist die darstellerische Umsetzung, oft mit starrem Blick frontal ins Publikum oder auf den Dirigenten, das gibt dem Abend so etwas von einer semikonzertanten Aufführung. Auch die versuchte szenische Klammer einer geschminkten Maske; a la "Joker" aus "Batman", die verschiedene Protagonisten dämonisch wechselt ( Vorsänger Erntechor, Triquet, Duellant und schließlich Gremin) und wohl eine Art Fatum vorstellt, kann da nichts retten. Letztendlich glaube ich in fast keinem Augenblick dem Dargestellten. Soviel zur Szene.

Musikalisch fängt natürlich Tschaikowskys hochemotionale Musik in ihrer Umsetzung den Abend auf. Ivi Karnezi ist eine wunderbare Tatjana, die mit eigen leuchtendem Sopran bezaubert, manchmal jedoch einen Hauch unter der Intonation liegt, ihr gelingt in der finalen Auseinandersetzung mit Onegin eine ganz wunderbar berührende Stelle. Maximilian Krummen trägt mit substanzreichem Bariton gesanglich die Titelpartie, vokal bewegt er sich meistens im Mezzoforte und lässt wenig Zwischentöne hören, irgendwie habe ich den Eindruck, daß er sich in der Partie, noch nicht, ganz wohl fühlt. Joska Lehtinen gibt vor allem in der Abschiedsarie einen überzeugenden Lenski mit feinem, lyrischen, noch etwas weißen Tenor, im Ensemble mit der Duellforderung muss er achtgeben, das er in seiner unteren Lage den Stimmsitz behält. Milda Tubelyte singt mit prächtigem Mezzo die Olga scheinbar mit "links". Fürst Gremin mit herrlich satter Tiefe und etwas gaumigem Klang wird von Valentin Anikin gut gestaltet. Edna Prochnik muß als Gutsbesitzerin Larina Laub fegen, gefällt jedoch, ebenso wie Zhenyi Hou als Amme mit üppigem Stimmmaterial. Bei der Njanja/Amme wirkt es sehr skurril, daß eine so offensichtlich junge Sängerin "einen auf alt und hinfällig" machen muß, immerhin darf sie dann im Finale des Landfestes tot umfallen. Sungmin Kang muß seinen Triquet als dämonischen Pantomimenpierrot , bereits erwähnt Hybris, spielen, lässt aber mit interessantem Tenor aufhorchen. Rainer Mesecke und Ross Coughanour ergänzen solide als Saretzki und Hauptmann.

Srba Dinic lässt, was man heutzutage selten hört, einen recht dramatischen "Onegin" aufrauschen, kleine Wackler (Erntechor) hat er stets schnell wieder in Griff. Später bei den Gustostückchen, Triquet-Couplet und Gremin-Arie, pflegt er recht langsame Tempi, die es den Sängern nicht gerade einfach machen. Der Chor und das Staatsorchester liefern sehr ordentliche Leistungen ab, ohne diesmal ganz das Niveau zu erreichen, was man sonst in Braunschweig gewohnt ist. Ein szenisch sehr lauer Abend, der zumindest das Stück nicht kaputt macht, mit musikalischen Meriten.

Martin Freitag, 29.1.2020

Bilder siehe Premierenbesprechung unten!