Braunschweig, Konzert: „9. Sinfonie“, Ludwig van Beethoven

Im Rahmen der Abonnementskonzerte des Staatsorchesters Braunschweig gab es zur Eröffnung der Spielzeit 2023/24 im jeweils ausverkauften Großen Haus zweimal Ludwig van Beethovens 9. Sinfonie mit dem berühmten Schlusschor über Friedrich Schillers „Ode an die Freude“. Als am 18. September 2023 die kontrastreiche Sinfonie bereits nach 60 Minuten zu Ende war, rieb man sich doch die Augen. In Konzertführern ebenso wie im Programmheft ist eine Dauer von 70 bis 75 Minuten angegeben. Die musikalische Leitung hatte Ruth Reinhardt, eine noch junge Gastdirigentin, die inzwischen weltweit auf den Konzertpodien unterwegs ist; sie setzte von Beginn an mit energischen, stets antreibenden Zeichen auf flotte Tempi. Das entsprach wohl ihrer Grundeinstellung zur 9. Sinfonie, die sie in der Regional-Zeitung dahin erläutert hatte, dass „Beethoven keineswegs gemütlich klingen darf“.

© Christian Ehmann

Gemütlich klang die Sinfonie nun auch wirklich nicht, aber der Dramatik und Vielschichtigkeit des genialen Werks wird man nicht allein durch das Tempo gerecht. So konnte man die starken Kontraste und das geradezu chaotische Geschehen im Kopfsatz Allegro ma non troppo mit seinen verschiedenen Themen, Rhythmen und Klangballungen, vor allem in der Durchführung, nicht immer erkennen, weil es einfach zu schnell hindurch ging. Da halfen auch die häufigen Verzögerungen letztlich nicht. Um nicht falsch verstanden zu werden, an dem ausgezeichneten Staatsorchester lag es nicht, denn die Instrumentalisten in allen Gruppen hatten mit den flotten Tempi technisch keinerlei Probleme. Sicher ist das Tempo in der Musik immer auch eine Frage des Geschmacks, aber wenn das Scherzo – Molto vivace teilweise wie eine Hetzjagd klingt und seine Struktur nicht immer durchhörbar ist, dann stimmt etwas nicht. Natürlich klang das Adagio molto e cantabile im Verhältnis zu den beiden vorangegangenen Sätzen ruhiger; aber ausschwingende Ruhe, dass man mit Goethe sagen möchte „Verweile doch, du bist so schön!“ kam leider trotz des schönen Solos des 4. Horns nicht auf. Dagegen fiel das immer noch zügige Tempo der Dirigentin im Finale nicht so negativ auf. Wunderbar, wie das „Freude“-Thema in den Bässen und Celli wirklich wie aus dem Nichts kam und sich kontinuierlich wie zu einer wahren Freudenbotschaft steigerte. In das erneut gewaltig einbrechende Klang-Chaos griff der Bass ein: „Nicht diese Töne!“ Hier hatte der österreichisch-neuseeländische Bass vom Frankfurter Opernensemble Antony Robin Schneider mit seiner mächtigen, gut durchgebildeten Stimme einen starken Auftritt. Seit April 2023 ist die belarussische Sopranistin Victoria Leshkevich im Braunschweiger Ensemble; sie überstrahlte höhensicher und intonationsrein das nicht immer ganz klangausgewogene Solistenensemble. Die Südtirolerin Marlene Lichtenberg, an dieser Stelle beim Rückblick in die vergangene Saison für ihre herausragenden Leistungen in „Rheingold“ und „Götterdämmerung“ gelobt, ergänzte das Ensemble mit ihrem charaktervollen Mezzo. Schließlich ließ Matthias Stier aus Leipzig, längere Zeit gern gehörtes Braunschweiger Ensemble-Mitglied, tenorale Strahlkraft hören.

Die Chöre mit den vielen zusätzlichen Laiensängerinnen entwickelten mit ansprechender Ausgewogenheit große Klangfülle (Chor des Staatstheaters: Johanna Motter; KonzertChor Braunschweig: Matthias Stanze); aber auch die im Sopran gefürchteten piano-Stellen in der Höhe gelangen klangvoll und erfreulich sauber.

Alle Mitwirkenden erhielten vom begeisterten Publikum starken, langanhaltenden Applaus.

Gerhard Eckels, 19. September 2023


Braunschweig
Konzert im Großen Haus des Staatstheaters

17. und 18. September 2023

Dirigentin: Ruth Reinhardt
Staatsorchester Braunschweig