Am 23. Oktober 2023 fand im Großen Haus des Hessischen Staatstheaters Darmstadt ein bemerkenswertes Konzert statt, das durch die gelungene Kombination von Werken und Interpreten zweifellos in Erinnerung bleiben wird. Die aufgeführten Stücke, darunter Unsuk Chin’s „Subito con forza“, Beethovens „Tripelkonzert“, und Schostakowitsch’s „Sinfonie Nr. 5“, boten dem Publikum eine fesselnde Reise durch verschiedene musikalische Epochen und Stilrichtungen. Zu Gast war an diesem Abend das Sitkovetsky Trio. Dabei handelt es sich um ein renommiertes Kammermusikensemble, das nach dem russischen Geiger Alexander Sitkovetsky benannt ist. Das Trio wurde 2007 gegründet und hat sich seitdem einen hervorragenden Ruf in der Welt der klassischen Musik erworben. Die Besetzung des Sitkovetsky Trios besteht aus:
Alexander Sitkovetsky ist der Gründer und Namensgeber des Trios. Er wurde 1983 in Moskau geboren und begann seine Karriere als Geiger in jungen Jahren. Er hat zahlreiche renommierte Preise gewonnen und tritt regelmäßig als Solist mit Orchestern auf der ganzen Welt auf.
Isang Enders wurde 1988 in Deutschland geboren und gehört zu den herausragenden Cellisten seiner Generation. Er hat sowohl als Solist als auch als Kammermusiker eine beeindruckende Karriere gemacht.
Die chinesische Pianistin Wu Qian vervollständigt das Trio. Sie ist bekannt für ihr musikalisches Talent und ihre leidenschaftliche Interpretation. Wu Qian hat in zahlreichen internationalen Wettbewerben ausgezeichnete Platzierungen erzielt und ist eine gefragte Kammermusikerin.
Das Sitkovetsky Trio ist für seine herausragenden Interpretationen des klassischen Kammermusikrepertoires bekannt, darunter Werke von Beethoven, Brahms, Tschaikowski, Ravel und vielen anderen. Das Trio hat auf renommierten Bühnen weltweit aufgetreten und mehrere hochgelobte Aufnahmen veröffentlicht. Ihre Aufführungen zeichnen sich durch ihre musikalische Sensibilität, technische Brillanz und die enge Zusammenarbeit der Mitglieder aus. In den Jahren seit seiner Gründung hat das Sitkovetsky Trio eine breite internationale Fangemeinde gewonnen und trägt dazu bei, die Schönheit der Kammermusik einem breiten Publikum näherzubringen.
Unsuk Chin, eine zeitgenössische Komponistin und Schülerin von György Ligeti, schuf „Subito con forza“ im Jahr 2020, anlässlich des 250. Geburtstags von Beethoven. Chin ließ sich von dem Zitat „Dur und Moll. Ich bin ein Gewinner“ inspirieren, das die zahlreichen Kontraste in Beethovens Musik symbolisiert. In „Subito con forza“ fängt die Komponistin „Emotionen von vulkanartigen Eruptionen bis hin zur äußersten Gelassenheit“ ein. Das Stück beginnt mit einem vertrauten Beethoven-Akkord, ein Zitat aus der Coriolan-Ouvertüre, der jedoch zerbricht und in ein energiegeladenes, kurzweiliges Stück übergeht, das Elemente aus Beethovens Repertoire geschickt miteinander verwebt. Das Staatsorchester Darmstadt unter der Leitung von GMD Daniel Cohen demonstrierte an diesem Konzertabend in Chin’s Stück beeindruckende Virtuosität und ein präzises Zusammenspiel. Die Musiker hauchten der Komposition Leben ein und brachten die dissonanten Klänge und die kraftvolle Dynamik im Schlagzeug des Werkes eindrucksvoll zur Geltung.
Beethovens „Tripelkonzert“, unter der Leitung von Daniel Cohen und interpretiert vom Sitkovetsky Trio gemeinsam mit dem Staatsorchester Darmstadt, bot einen faszinierenden Einblick in die Klassik des 19. Jahrhunderts. Dieses Werk aus den Jahren 1803/04 zeichnet sich durch sein unkonventionelles Format aus, da es Klavier, Violine, Violoncello und Orchester miteinander verbindet. Es wurde für drei Solisten geschrieben: den Pianisten Erzherzog Rudolph, den Geiger Carl August Seidler und den Cellisten Anton Kraft. Der Klavierpart ist im Vergleich zu den Streichern etwas weniger anspruchsvoll, was jedoch wohl dem ersten Interpreten geschuldet war. Das „Tripelkonzert“ wurde im Mai 1808 im Wiener Augarten uraufgeführt und war Fürst Joseph Lobkowitz gewidmet.
Der Beginn faszinierte durch seine lebendige Energie und die hervorragende Kommunikation zwischen den Solisten und dem Orchester. Die Zuhörer wurden Zeugen eines spannenden musikalischen Diskurses. Das Largo vermittelte eine bemerkenswerte Intimität und versetzte das Publikum in einen emotionalen Dialog. Wunderschön innig ließ Isang Enders sein Cello singen, um dann vom einschmeichelnden Ton der Violine, die Sitkovetsky seiner Stradivari entlockte, umarmt zu werden. Das abschließende Rondo beeindruckte durch seine spielerische Leichtigkeit und mitreißenden Rhythmus. In pulsierender Gestalt einer Polonaise, klar akzentuiert von Cohen vorgegeben, zeigte das Sitkovetsky Trio sich sehr gut aufeinander eingespielt und inspirierte sich mit hoher Motivation zu einer begeisternden Leistung. Im Vordergrund standen die beiden Streicher, die von ihrer Spielpartnerin am Klavier mustergültig getragen wurden. Daniel Cohen und das aufmerksame Staatsorchester Darmstadt begleiteten das Trio mit Energie, stilistischer Klarheit und kompaktem Tutti-Klang. Feine Solo-Beiträge des Orchesters belegten die hohe Qualität der Einstudierung. Das Publikum zeigte sich immens begeistert und bekam sodann einen weiteren, besonders umfangreichen musikalischen Leckerbissen des Trios als Zugabe geboten. Ein langsamer Satz aus einem Trio von Cécile Chaminade. Die Zeit stand still und die gebannten Zuhörer versanken in einem intensiven Zustand der Harmonie. Die lange Stille nach diesem überragenden Vortrag sprach für sich, dann folgte wieder Jubel. Wunderbar.
Schostakowitsch’s „Sinfonie Nr. 5“ bildete einen weiteren Höhepunkt des Abends. Diese Sinfonie gilt als eine der triumphalsten Schöpfungen des Komponisten und spielte eine wichtige Rolle in seiner musikalischen Rehabilitation. Obwohl das Werk vom Dunkel ins Licht führt, zeigt es jedoch Melancholie und tiefe Traurigkeit. Dies wird bereits im Hauptthema des ersten Satzes deutlich, das eine Mischung aus energischem Aufbegehren und ermattender Kraft ist. Die beiden Mittelsätze, ein groteskes Scherzo und ein schmerzvolles Largo, betonen die Vielschichtigkeit des Werkes. Es ist eine Sinfonie voller Kontraste, von innigen Momenten bis zu wilden, brutalen Ausbrüchen, Märschen und gewaltigen Schlagzeugpassagen. Daniel Cohen und das Staatsorchester Darmstadt lieferten eine packende, aufwühlende Interpretation des Werkes, die überwältigte. Der einleitende Moderato-Satz wurde mit energischem Schwung vorgetragen, wobei Cohen die emotionalen Spannungen und die aufkommende Gefahr subtil hervorhob. Das ironische Allegretto begann herrlich derb und wurde von Cohen als zugespitzte Groteske interpretiert. Das Orchester tobte und verführte gleichermaßen, ohne Zurückhaltung. Fabelhaft, wie charakterstark hier die Holzbläser aufspielten. Besonders beeindruckend war das Largo, das von einer edlen Klangkultur in den Streichern geprägt war. Das abschließende Allegro non troppo wurde von Daniel Cohen mit beeindruckender Virtuosität dirigiert und hielt die Spannung bis zum Schluss aufrecht. Der auswendig dirigierende Cohen hatte die Partitur gut studiert und wählte für den bombastischen Schluss ein langsames Tempo, genau richtig. Sehr klar war zu erleben, dass dies kein Jubel ist. Brutal hämmerte die große Trommel, die Beckenschläge wirkten wie Faustschläge ins Gesicht und die Dissonanzen in den Hörnern wurden massiv herausgestellt, großartig interpretiert und mitreißend dargeboten vom Staatsorchester Darmstadt. In allen Spielgruppen ertönte es prachtvoll, da fielen kleine Unstimmigkeiten nicht wirklich ins Gewicht. Das Orchester spielte dieses intensive Werk als musikalisches Manifest der Hingabe. Die vielen Solo-Beiträge, ob Holzbläser, Horn oder Violine berührten in ihrer Wärme und Vielschichtigkeit sehr. Ein Extra-Lob verdienten sich die außergewöhnlichen Schlagzeuger, die dieser Sinfonie mit maximaler Offensive und spielerischer Virtuosität begegneten. Großer, berechtigter Jubel!
Insgesamt war dieses Konzert im Hessischen Staatstheater Darmstadt ein musikalisches Erlebnis, das zeitgenössische Klänge und klassische Meisterwerke auf spannende Weise miteinander verband. Die herausragenden Leistungen des Sitkovetsky Trios, des Staatsorchesters Darmstadt und des Dirigenten Daniel Cohen machten diesen Abend zu einem besonders intensiven Erlebnis für das Publikum. Die Vielfalt der musikalischen Epochen und Stile, von Unsuk Chin bis Schostakowitsch, wurde durch hervorragende Interpretationen eindrücklich vermittelt.
Dirk Schauß, 24. Oktober 2023
Darmstadt
Hessisches Staatstheater
23. Oktober 2023
Unsuk Chin – Subito con forza (2020)
Ludwig van Beethoven
Konzert für Klavier, Violine, Violoncello und Orchester C-Dur Op. 56 „Tripelkonzert“
Dmitri Schostakowitsch- Sinfonie Nr. 5 Op. 47
Sitkovetsky Trio
Alexander Sitkovetsky, Violine
Isang Enders, Violoncello
Wu Quian, Klavier
Staatsorchester Darmstadt
Daniel Cohen, Leitung