Hannover: „Salome“

Premiere am 18. November 2017

Spannungsreich

Annemarie Kremer/Brian Davis

Die Spannung stieg im Opernhaus beträchtlich, als sich der Beginn noch um eine Viertelstunde verschob, da nach Ansage ausgerechnet das „Heckelphon“ plötzlich einen Defekt hatte, den man noch zu beheben hoffte. Richard Wagner regte Ende des 19.Jahrhunderts bei der Fagottfirma Wilhelm Heckel an, ein weiteres tiefes Blasinstrument für seine Bläserbesetzungen zu bauen, z.B. ein „Bariton-Fagott“. Daraus entstand 1904 das nach seinem Erbauer benannte Heckelphon, das eine Oktave tiefer klingt als die normale Oboe und von Richard Strauss erstmals in „Salome“ eingesetzt wurde, um dem Gesamtklang einen aparten, fast orgelnden Ton hinzuzufügen.

Juden/Cappadocier

Die Neuinszenierung des nach Oscar Wildes Drama Salomé entstandenen Librettos in der üblichen Übersetzung von Hedwig Lachmann war Ingo Kerkhof anvertraut. Mit seinem Team (Bühne: Anne Neuser, Kostüme: Inge Medert, Choreographie: Mathias Brühlmann, Licht:http://staatstheater-hannover.de/oper/index.php?m=433&f=05_personendetail&ID_Person=726 Elana Siberski) hat er sich weitgehend auf Text und Musik verlassen und eine äußerlich wohltuend sparsame Fassung geschaffen. Wenn sich zu Anfang Salome durch einen im Hintergrund die gesamte Bühnenbreite abdeckenden Fadenvorhang schlängelte, um wollüstiger Feierei zu entkommen, und sich ganz allmählich über die leere Bühne nach vorne bewegte, lenkten Narraboth, der Page, zwei Soldaten und der Cappadocier mit ihren Kommentaren und Agieren aus den Rängen allerdings zu sehr ab. Sobald Narraboth Salomes Wunsch, den Propheten zu sehen, erfüllt hatte, konzentrierte sich das Geschehen auf der Bühne, und die Personen wurden glaubhafter geführt.

Selten sah man eine so dicht ausgespielte Beziehung der beiden Protagonisten. Gut gelöst war Salomes Tanz, zu dem die „Gäste“ (Juden, Nazarener und der Cappadocier) in groteske Kleider gehüllt ironisierend mittanzten. Auch Salomes Schlussgesang mit dem Kopf des Jochanaan (eine naturgetreue Nachbildung!) begleiteten alle mit unterschiedlichen Reaktionen. Das waren eindringliche, gelungene Bilder in karger Ausstattung und moderner Kleidung.

Annemarie Kremer/Khatuna Mikaberidze/Robert Künzli

Das Orchester lief an diesem Abend zur Höchstform auf: Mit gespannter Aufmerksamkeit folgten die Musiker jedem Zeichen ihres GMD Ivan Repusic, der mit sicherem Gespür für das Strausssche Melos die Klangwellen aufbranden ließ und zu gewaltigen Steigerungen führte, aber genauso die feinen lyrischen Passagen herausarbeitete. Die bildhübsche holländische Sopranistin Annemarie Kremer war nahezu eine Idealbesetzung der Salome. Ihre Wandlung vom übersättigten, trotzigen Kind zu einer fanatisch Liebenden, die sie in kürzester Zeit durchleben und dem Zuschauer deutlich machen muss, ist ihr hervorragend gelungen. Nicht nur darstellerisch sondern auch musikalisch hat sie eine ungeheure Bandbreite an Facetten, die sie intelligent einsetzte. Wie sie Jochanaan bedrängte, erst mit aufflammender Liebe und dann bei seiner jeweiligen Zurückweisung mit Rachegedanken, Hohn und Spott, das war erstklassig. Und das mit technisch ausgefeilter Stimme, die die ganze Klaviatur von leisen geraden Tönen bis zu opulenten Ausbrüchen beherrschte. Ihr Spiel mit dem Kopf des Jochanaan jagte einem Schauer über den Rücken.

Mit dem Amerikaner Brian Davis hat das Opernhaus einen Bariton, der mühelos und sicher seine Partien beherrscht. Als Jochanaan wehrte er sich erfolgreich gegen die auch körperlichen Attacken Salomes; der unbeirrbare Wille, diese Frau nicht anzusehen, führte zu etwas steifer Gestaltung, durch die er aber glaubhaft machte, dass er vielleicht doch kleine Zweifel an seiner eigenen Standhaftigkeit hatte; aber es folgten immer wieder seine präsenten Gottesverkündigungen. Der sonst häufig mit einem älteren Charaktertenor besetzte Herodes wurde von dem strahlenden Heldentenor Robert Künzli gesungen, dessen „Man töte dieses Weib!“ aus tiefster Seele kam. Mit kernigem Mezzosopran agierte Khatuna Mikaberidze als Herodias im schlicht grauen Kleid, die versuchte, Salome in ihrem Wunsch nach dem Kopf des Jochanaan nach Kräften zu bestärken.

Annemarie Kremer

Als ausgesprochen schönstimmiger Narraboth überzeugte Simon Bode, der seine Angst und Unruhe über die Prinzessin über die Ränge auslaufen konnte; sein bluttriefender Selbstmord, als er die Ausweglosigkeit seiner Verehrung Salomes erkennt, war stark. Hanna Larissa Naujoks war eine gute Besetzung als Page; ihr klarer Mezzo passte sich den Ensembles gut an. Auch die Juden – mit läppischen Karnevalshütchen – bildeten mit Martin Rainer Leipoldt, Pawel Brozek, Uwe Gottswinter, Edward Mout und Michael Dries ein klangvolles Quintett. Die gesamte Ensembleleistung war auf gutem, sehr hohem Niveau. Dazu zählen ebenso die Nazarener (Daniel Eggert, Byung Kweon Jun), die Soldaten (Frank Schneiders, Jong-Soo Ko), der Cappadocier (Gihoon Kim) und als Sklave Marlene Gaßner. Einhelliger Jubel und anhaltender Applaus belohnten Ensemble, Orchester und Regie-Team.

Bilder: © Thomas M. Jauk
Marion Eckels / 19. November 2017

Weitere Vorstellungen: 18./22.11., 01./10./13./22.12.2017, 07.01., 03.02.2018