Bremerhaven: „Gier nach Gold“

McTeague

Premiere am 23.03.2019

Vorsicht vor Zahnärzten!

Barbiere und Ärzte gibt es durchaus auf der Opernbühne (etwa bei Rossini, Cornelius und Berg) – aber Zahnärzte? Die gibt es sehr wohl, zumindest seit der Uraufführung der Oper McTeague von William Bolcom, die 1992 in Chicago erfolgte. Die Oper brauchte etliche Jahre, um den Weg nach Europa zu finden. Sie wurde unter dem Titel Gier nach Gold -McTeague erstmalig 2016 in Linz gespielt. Dort wurde sie als „weltweit erste und einzige Zahnarzt-Oper“ angekündigt. Das Stadttheater Bremerhaven sicherte sich nun die deutsche Erstaufführung.

Der Stoff beruht auf dem gleichnamigen Roman von Frank Norris, der 1899 veröffentlicht wurde und den Erich von Stroheim gut zwanzig Jahre später verfilmt hatte. Dauer des Films: mehr als acht Stunden. Ganz so lang ist die Oper von William Bolcom nicht, die er auf ein Libretto von Arnold Weinstein und Robert Altman (auch ein berühmter Filmproduzent) geschrieben hat. Hier genügen zweieinhalb Stunden, um den Aufstieg und Untergang des Zahnarztes McTeague zu schildern.

Die Handlung spielt um 1900 in San Francisco. Der große Goldrausch ist gerade vorüber, zeigt aber noch seine Nachwirkungen. McTeague hat es vom Goldminenarbeiter zu einem anerkannten Zahnarzt mit einer eigenen Praxis gebracht. Als „Firmenschild“ hängt ein riesiger goldener Zahn vom Schnürboden herab. McTeague verliebt sich in seine Patientin Trina, die eigentlich mit McTeagues Freund Schouler verbandelt ist. Der verzichtet aber großzügig. Erst als Trina einen Lotterie-Gewinn von 5000 Dollar in Gold erzielt, ist sie wieder interessant für Schouler. Und so sinnt er auf Rache. Er hetzt dem Zahnarzt das Gesundheitsamt in die Praxis. Denn McTeague hat weder ein Diplom noch eine Lizenz. Das hat fatale Folgen: Die Praxis wird geschlossen. McTeague verarmt und wird Tagelöhner. Seine Frau Trina hat ein geradezu pathologisches Verhältnis zum Geld entwickelt und ist nicht bereit, ihren Mann zu unterstützen. Geiz ist eben geil, wie ein Medienkonzern immer in seiner Werbung behauptet hat.

Es kommt zum Streit. McTeague bringt Trina um und flieht mit dem Gold in die Wüste von Nevada. Dort trifft er wieder auf Schouler, der mit McTeagues ehemaliger Putzhilfe Maria seinerseits auf trügerischer Goldsuche ist. Um McTeague dem Sheriff auszuliefern, kettet Schouler ihn mit Handschellen an sich. Aber McTeague tötet auch seinen ehemaligen Freund. In sengender Sonne und fernab von der nächsten Wasserquelle ist damit auch sein Schicksal besiegelt.

Regisseur Matthias Oldag, der in Bremerhaven schon für eine fulminante Inszenierung von Menottis „Konsul“ gesorgt hatte, ist mit McTeague wieder ein Volltreffer gelungen. Auf einem Hintergrundprospekt sind mal San Franciscos Straßen mit Oldtimern zu sehen, dann ist es wieder der rissige, trockene Boden der Salzwüste, von eine roten Sonnenscheibe erbarmungslos beschienen. Die Bühne (von Susanne Richter) wird in zwei Ebenen genutzt – oben die Zahnarztpraxis, unten das Wartezimmer. Für die Hochzeit wird ein ausgelassenes Bankett inszeniert, in das der Lotterie-Bote wie ein Wesen aus einer anderen Welt hereinplatzt.

Mit ironischem Augenzwinkern ist die Jahrmarktsszene mit Luftballons, einem „Hau den Lukas“ und (als Bezug zu Bremerhaven) einem Eisbären ausgestattet. Die Handlung wird als Rückblick erzählt. Gleich zu Beginn sieht man den verzweifelten McTeague in der Wüste. Diese Wüstenszenen werden wiederholt eingeschoben. Das Finale mit den schicksalhaft aneinander geketteten Männern hat etwas von einer antiken Tragödie. Die Charaktere der Protagonisten werden von Oldag sehr treffsicher und mit feiner Differenzierung gezeichnet. Vor allem Trinas Abdriften in eine besondere Form des Wahnsinns wird sehr deutlich.

Die Musik von Willuiam Bolcom ist durchweg unterhaltsam. Da gibt es Anklange an Puccini, Strauss, Britten und andere. Elemente der Filmmusik, des Jazz, des Ragtime und des Musicals mischen sich zu einer gut verträglichen Melange. Die Musik beim Hochzeitsbankett ist ausgesprochen schmissig und geht unmittelbar in die Beine. Vor allem im zweiten Teil gewinnt Bolcoms Komposition immer mehr an Eigenprofil, etwa in Trinas „Wahnsinnsarie“ oder dem Finale voller dramatischer Schlagkraft. Marc Niemann und das Philharmonische Orchester Bremerhaven sorgen dafür, dass niemals Langeweile aufkommt.

Für die Titelpartie wird ein Sänger benötigt, der auch heldentenorale Ansprüche erfüllen kann. Die Uraufführung wurde immerhin von Ben Heppner gesungen, und in Linz war ursprünglich Stephen Gould vorgesehen. Mit James Allen Smith steht in Bremerhaven ein Sänger zur Verfügung, der die besten Voraussetzungen für die viel Kraft fordernde Partie mitbringt. Smith singt sie mit beeindruckender Intensität. Aber auch Bariton Marek Reichert kann da als Schouler durchaus mithalten. Tijana Grujic vollbringt als Trina darstellerisch und gesanglich eine Glanzleistung. Und Patrizia Häusermann gibt der Maria nachdrückliches Profil.

Wolfgang Denker, 24.03.2019

Fotos von Manja Herrmann

William Bolcom

gehört zu den bei uns fast nie gespielten tollen amerikanischen Komponisten Bolcom, der immerhin den Pulitzer Preis für Musik bekam! Es ist nicht hoch genug zu bewerten, daß der Intendant des Stadtheaters Bremerhaven Ulrich Mokrusch endlich dieses lohnenswerte Werk ausgräbt und sich damit ums Musiktheater ernsthaft verdient macht, während seine Intendantenkollegen landauf landab in stupider Ignoranz und Langeweile uns mit den immergleichen Werken auf dem Spielplänen langweilen. Bravo! Wir haben einige Links gelegt, damit Sie, verehrte Opernfreund diesen großen Komponisten endlich kennenlernen und die Kritik von unserem Wolfgang Denker vielleicht zum Anlaß nehmen für eine Opernreise nach Bremerhaven. Wer weiß ob man dieses Werk überhaupt noch einmal sonst sieht. Für diese grandiose fulminante Inszenierung, diese mutige Entdeckung und auch hervorragende Umsetzung müssen wir den OPERNFREUND STERN vergeben.

TRAILER der Linzer Produktion 2016

Songs mit der großartigen Joan Morris – Bolcom persönlich am Klavier

Violin Concerto in D

Highlights der Oper A view from the bridge – Opera Rom