Bremerhaven: „Tosca“, Giacomo Puccini

Ein volles Haus, ein fesselnder Opernabend und jubelnder Applaus am Ende für alle Beteiligten. Das Stadttheater Bremerhaven hat die neue Spielzeit mit Tosca von Giacomo Puccini eröffnet. Die Oper, eine der beliebtesten überhaupt, ist eigentlich ein Selbstläufer. Aber hier hatte man zusätzlich viele Trümpfe im Ärmel, die die Premiere so besonders machten.

Signe Heiberg (Floria Tosca), Konstantinos Klironomos (Mario Cavaradossi) (Foto: Heiko Sandelmann)

Das beginnt mit der Regie von Angela Denoke. Sie ist eine international gefeierte Sopranistin, die in London, New York, Paris, Wien oder Salzburg gefeiert wird. Seit zwei Jahren ist sie auch als Regisseurin tätig und gab ihr Debüt mit einer Inszenierung von „Katja Kabanova“ in Ulm. Zu Bremerhaven hat sie einen besonderen Bezug, weil ihr Vater hier geboren wurde. In ihrer Inszenierung wollte sie sich ganz auf die Seelenzustände der Figuren konzentrieren. Das wird besonders im Fall von Scarpia deutlich. Natürlich ist er auch bei ihr ein brutaler Machtmensch – aber eben nicht nur der eiskalt kalkulierende Polizeichef, der seine Gier befriedigen will. Bei Scarpia gibt es auch Anzeichen für seine Unsicherheit, wenn er sich anfangs fast scheu Tosca nähert. Er verliert oft die Beherrschung über seine Ohnmacht und gebärdet sich wie ein trotziges Kind, das sein Spielzeug nicht bekommt, hält sich die Ohren zu und wälzt sich am Boden. Auch bei Tosca gibt es seelische Abgründe. Ganz ohne Wirkung scheint Scarpias Begehren nicht zu sein. Warum küsst sie ihn spontan, bevor sie ihn ersticht und schmiegt sich kurz und fast zärtlich an seine Leiche? Der Hirt (Jakob Langer) hat bei Denoke eine besondere Funktion. Er ist eine Art Engel, der die Toten ins Jenseits geleitet. Er „erweckt“ Scarpia und Cavaradossi und nimmt auch Tosca in Empfang. Die stürzt sich hier nicht in die Tiefe, sondern geht verklärt auf den Hirten zu. Die Kirche ist im ersten Akt ein Zufluchtsraum. So hat der geflüchtete Angelotti Helfer aus dem Kirchenbereich, die ihn verstecken.

Signe Heiberg (Floria Tosca), Bryan Boyce (Baron Scarpia), hinten: Andrew Irwin (Spoletta) (Foto: Heiko Sandelmann)

Das über alle Akte fast gleichbleibende Bühnenbild von Susana Mendoza verzichtet auf große Ausstattung. Auf der meist in bläuliches Licht getauchten Bühne liegt ein riesiges, schmuckloses Kreuz, das als Lauffläche, Sitzgelegenheit oder Schreibtisch dient. Im Palazzo Farnese ist ein einsamer Stuhl das einzige Möbelstück, aber es hängen kunstvolle, von Anna Laclaque für diese Produktion in Acryl gemalte Tosca-Porträts im Hintergrund.

Weitere Trumpfkarten sind die Sänger, allen voran Signe Heiberg als Tosca und Konstantinos Klironomos als Cavaradossi. Heiberg hat bisher in jeder Partie mit ihrem üppig aufstrahlenden Sopran begeistert. Auch als Tosca kann sie Glanzpunkte setzen, nicht nur bei der Arie „Vissi d’arte“. Ihre Stimme verströmt ohne jede Schärfe reinsten Wohllaut. Ihr zur Seite ist Konstantinos Klironomos ein gleichwertiger Partner. Bei „Recondita armonia“ wird die Höhe noch mit etwas viel Druck produziert, aber das gibt sich schnell. Sein ausgesprochen schönes und warmes Timbre und seine ergiebige Mittellage weisen ihn als ganz hervorragenden Tenor aus. Seine Phrasierung bei „O dolci mani“ und besonders bei „E lucevan le stelle“ ist empfindsam und voller Süße. Beide würden in diesen Partien auch an weit größeren Häusern Eindruck machen.

Signe Heiberg (Floria Tosca), Bryan Boyce (Baron Scarpia), Andrew Irwin (Spoletta), Konstantinos Klironomos (Mario Cavaradossi), James Bobb (Sciarrone) (Foto: Heiko Sandelmann)

Bryan Boyce ist als Scarpia zu hören. Sein schlanker Bassbariton ist sehr markant und ausdrucksvoll. Wie er die Partie gestaltet und dabei eine starke Bühnenpräsenz einbringt, ist nicht ohne Wirkung. Dennoch würde man sich für den Scarpia eine etwas wuchtigere Stimme wünschen.

Mit dem Mesner kann Ulrich Burdack seine bisher beste Partie voller Witz präsentieren. Marcin Hutek ist ein eindringlicher Angelotti (und später auch der Schließer), Andrew Irwin und James Bobby sind Scarpias Schergen Spoletta und Sciarrone. Opernchor, Kinderchor und Extrachor (Mario El Fakih-Hernández) entfalten im „Te Deum“ überwältigende Klangpracht.

Und eine weitere Trumpfkarte werden von Marc Niemann und dem Philharmonischen Orchester Bremerhaven gespielt. Niemann arbeitet alle klanglichen Feinheiten von Puccinis Musik sinnfällig heraus. Dramatik und Poesie werden hervorragend ausbalanciert. Die Folterszenen werden wuchtig angeheizt, der Beginn des dritten Aktes ist ein subtiles Klanggemälde.

Wolfgang Denker, 25. September 2023


Tosca

Oper von Giacomo Puccini

Stadttheater Bremerhaven

Besuchte Premiere am 23.9.2023

Inszenierung: Angela Denoke

Musikalische Leitung: Marc Niemann

Philharmonisches Orchester Bremerhaven

Weitere Vorstellungen: 29. September, 8., 14., 22. 27. Oktober,