Premiere: 20. März 2022
Die einzige Oper aus der Hand von Claude Debussy ist nicht einfach eine Oper im üblichen Sinn. Debussy versuchte eine neue Form des Musiktheaters zu schaffen, welche sich von Meyerbeer, Wagner und anderen Komponisten und Komponistinnen unterscheidet. In Pélleas und Mélisande wird nicht die Handlung, die Geschichte vom Orchester begleitet und unterstrichen. Das Orchester ist der Hauptdarsteller (Protagonist) und seine >Gegenspieler< (Antagonisten) die Sängerinnen und Sänger auf der Bühne. Dies muss in der Regie berücksichtigt werden und dies wurde in Bern unter der Spielleitung von Regisseur Elmar Goerden nur zum Teil erreicht. Die Handlung auf der Bühne war zu bewegt und gab eigentlich nie Ruhe und genügend Platz für die Musik Debussys. Auch die dauernde Bewegung der Drehbühne, einzelne Spielräume darstellenden, half nicht zum Verständnis, was Debussy in seiner Oper eigentlich anstrebte. Die stärksten Momente waren die Parts, wo das Orchester ohne Gesang aufspielte, obgleich auch hier die dauernde Veränderung auf der Bühne leicht störend wirkte.
Das Berner Symphonieorchester unter der Leitung des jungen Dirigenten Sebastian Schwab, erster Kapellmeister an den Bühnen Bern, interpretierte die Komposition Debussys mit viel Empathie und Präzision, ich bezeichne die Berner Interpretation als eine musikalische Meisterleistung.
Michal Proszinski, inszeniert als introvertierter Buchhaltertyp singt die Rolle sauber intoniert und mit guter Diktion. Seine schauspielerische Leistung, seine Mimik und Gestik ist noch nicht ausgereift und wird sich im Ensemble Bern, dessen Mitglied er ist, sicherlich verbessern.
Golaud, gesungen und gespielt von Robin Adams dagegen hat eine sehr starke, in einzelnen Passagen zu starke, Bühnenpräsenz. Seine Körpersprache wirkt überzeugend. Der Bariton, führend in der Interpretation zeitgenössische Musik, brilliert mit hervorragender Intonation und Diktion.
Mélisande, der Part wird durch die Mezzosopranistin Evgenia Asanova, Ensemblemitglied der Bühnen Bern, hervorragend gesungen. Auch hier lassen Intonation und Diktion keinen Wunsch übrig.
Weitere Mitspielerinnen und Mitspieler: Matheus Franca, Orsolya Nyakas, Christian Valle und Claude Eichenberger.
Silvia Merlo und Ulf Stengl zeichnen verantwortlich für Bühne und Lichtgestaltung. Die Drehbühne mit immer wechselnder Ansicht von Spielorten darf als gelungen bezeichnet werden, obgleich die dauernde Drehung hier und da stören wirkt. (siehe oben)
Im Grossen und Ganzen ist die Berner Inszenierung sicher sehenswert, nicht aber wirklich neu und eröffnet nicht unbedingt neue Sichtweisen auf Claude Debussy.
Das zahlreich erschienene Premierenpublikum belohnte die Leistung der Künstlerinnen und Künstler vor, unter und hinter der Bühne mit dem verdienten Applaus.
Peter Heuberger, Basel
© Janosch Abel