Bern: „Das Rheingold“

Regie: Ewelina Marciniak

Musikalische Leitung: Nicholas Carter

Premiere: 12. Dezember 2021

Bern plant einen ganzen Ring-Zyklus auf die Bühne zu bringen und startet Ende 2021 mit dem Vorabend >DAS RHEINGOLD<.

Die polnische Regisseurin, es ist ihre erste Regiearbeit im Musiktheater, versucht die Handlung mit Ballett-Einlagen zu unterstreichen und verstärken. Dazu mehr weiter unten!

Es ist der Regien gelungen, ein sehr einfühlsames Rheingold auf der Bühne zu präsentieren. Die Zusammenarbeit des gesamten künstlerischen Ensembles darf als hervorragend bezeichnet werden. Die Interaktion der einzelnen Figuren wurde makellos herausgearbeitet.

Mimik, Gestik und Körpersprache stimmen bis ins Letzte. Dazu kommt die hervorragende sängerische Leistung der Künstlerinnen und Künstler auf der Bühne. Der Regie ist es gelungen, die Beziehungen der einzelnen Charaktere verständlich und logisch aufzuzeigen. Dies gelingt, gerade in Rheingold eher selten.

Josef Wagner als Wotan besticht durch saubere Intonation, kräftige voluminöse Stimme und perfekter Diktion. Dasselbe gilt für seinen Antagonisten Alberich, gespielt und gesungen von Robin Adams, welcher die so zwiespältige Rolle meisterhaft interpretiert.

International ist die Besetzung der Riesen: Aus Brasilien stammt Matheus Franca als Fafner voller Kraft und der Norweger Christian Valle als Fasolt, verliebt in Freia. Beeindruckend Fasolts Appell an Wotan: >Verträge halte die Treu! Was du bist, bist du nur durch Verträge;< Ein Appell, welcher auch heute immer noch Gültigkeit hat!

Als Wotans Gattin Fricka steht Christel Loetzsch auf der Bühne. Sie verkörpert, ganz im Sinn der Regisseurin, die liebende Gattin, ohne dabei unterwürfig zu erscheinen. Ganz im Gegenteil: Fricka ist der Archetypus der modernen Frau, ohne aufdringlich feministisch zu wirken. Ihre Gestik, Mimik und Körpersprache unterstreichen ihren Anspruch auf Gleichberechtigung. Ihre Intonation und Diktion sind makellos, ihre Höhen ohne Schärfe, ganz im Sinne Wagners, welcher den Part für einen tiefen Sopran geschrieben hat.

Sehr interessant ist die Rolle Loges interpretiert: Loge ist nur Halbgott und weiss nicht so recht, ob er lieber Mensch oder Gott ist. Dieser Zwiespalt wird durch Marco Jentzsch hervorragend dargestellt. Dazu kommt, dass Jentzsch gekonnt auch seinen Zynismus zeigt, ohne dass dieser auf seine Mitspielerinnen und Mitspieler verletzend wirkt. Sein klarer Tenor überzeugt von Anfang bis Schluss. Seine Diktion und seine Intonation ohne jede Einschränkung Weltklasse. Seine Körpersprache, Mimik und Gestik, kurz seine schauspielerische Begabung lassen einen Loge auf der Bühne erstehen, wie man ihn selten erleben kann. Seine Interpretation ist derjenigen von Gerhard Stolze mit den Berliner Philharmonikern unter Herbert von Karajan gleichzusetzen. (Gesamtaufnahme 1967) Überzeugt hat auch die junge südafrikanische Sopranistin Masabane Cecilia Rangwanasha als Freia mit ansprechender Intonation und Diktion.

Eher farblos erschien Mime, interpretiert vom polnischen Tenor Michal Proszinsky. Das kann allerdings auch an der Inszenierung hängen, da parallel zu seinem Auftritt auch die Tänzer auf der Bühne zu sehen waren. Seine Intonation und Diktion waren sehr gut. Mimik und Gestik kann aus obenerwähntem Grund nicht beurteilt werden.

In weiteren Rollen zu sehen und hören: Als Donner Gerardo Garciacano, als Froh Filipe Manu und als Erda Veronika Dünser.

Das Berner Symphonieorchester unter der Leitung von Nicholas Carte r interpretierte die bearbeitete Orchesterfassung von Gotthold Ephraim Lessing gekonnt und mit der nötigen Dynamik und Präzision. Wobei diese Fassung nicht an das Original Wagners heranreicht. Die Wahl Carters kann ich nachvollziehen, bin aber der Auffassung, dass das Original auch Platz gefunden hätte. Freiburg hat unter Barbara Mundel in der Regie von Frank Hilbrich den Ring mit der Originalpartitur produziert. Das Dirigat übernahm Fabrice Bollon. In Freiburg ist der Graben nicht wesentlich grösser als in Bern.

Der Versuch, mit Tänzern die Handlung zu unterstreichen und zu beleben, ist in meinen Augen für das Werk Wagners verfehlt, nicht zielführend, und stört die von Wagner so plastisch geschriebenen Verwandlungsmusiken durch unnötige Hektik auf der Bühne. Die einzige Szene, in der dies noch angeht, ist nach meinem Dafürhalten die erste Szene, in welcher drei alter Egos der Rheintöchter Alberich verführen und necken, während Wellgunde (Evgenia Asanova), Woglinde (Giada Borelli) und Flosshilde (Sara Mehnert) die Gesangspartien bestreiten.

Das zahlreich erschienene Premierenpublikum belohnte die Leistung des gesamten Ensembles mit langanhaltendem Applaus.

Peter Heuberger, 16.12.2021

© Rob Lewis