Besuchte Aufführung am 5. Juli in Fürth – Premiere am 02. Juni 2018 in Chemnitz
Eine spritzige, leichte und fröhliche „Fledermaus“
Seit bald 150 Jahren flattert die Fledermaus über alle Bühnen der Welt und der Erfolg ist nicht geringer geworden. Das liegt einmal an der wunderbaren zeitlosen und mitreißenden Musik des Schanis, also von Johann Strauss Sohn und auch an einer tollen Geschichte mit einem tollen Buch. Hier passt fast alles und die Fledermaus ist eigentlich kaum tot zu bekommen, außer in fürchterlichen Inszenierungen, in denen sich Pseudoregisseure verwirklichen wollen, was praktisch nie klappt und wo man einfach die Augen zu machen muss, um trotzdem wieder berauscht zu sein. Die Inszenierung des aus Wien stammenden Johannes Pölzgutter ist konventionell und das ist auch gut so. In Ordnung, einige kleine Versuche der Modernisierung hat er eingebaut, die Kopfhörer des Stubenmädchens Adele, die Gesangstrophäe von Rosalinde, der Hausherrin, die schnell entsorgt wird und noch einige Kleinigkeiten. Die fallen aber nicht ins Gewicht und stören den Ablauf der Handlung, die ich mir hier erspare zu erläutern, weil sie wohl jeder Musikliebhaber kennen wird, nicht im mindesten. Die Schweizerin Janina Ammon, geboren in Luzern, ist für die Kostüme zuständig und auch hier gibt es nichts zu meckern. Sie sind schön anzuschauen, ob einfach oder doch die opulente Abendrobe beim Fest des Prinzen, sie gefallen und das ist schon sehr viel. Nikolaus Webern, in Leoben, Österreich zur Welt gekommen, ist für die Bühne, das heißt die Dekorationen zuständig und er stellt mit geringen Mittel die etwas verstaubte hochherrschaftliche Wohnung der Eisensteins, ebenso wie den Ballsaal bei Orlowsky und schließlich das karge Gefängnis auf die Bühne.
Marie Hänsel (Adele)-Reto Rosin (Eisenstein)
In Dresden geboren wurde der Chordirektor Stefan Bilz, der seinen Opernchor prächtig in Szene setzen kann. Für die Choreografie ist die aus Basel stammende Sabrina Sadowska zuständig und die Ballettdirektorin lässt ihre Solistinnen und Solisten des Balletts Chemnitz mehr als gut ausschauen. Sie begeistern auch bei dem Walzer „Sphären-Klänge“, der eingeschoben wird und von Josef Strauss dem Bruder des Fledermauskomponisten stammt. Leidenschaftlich, beschwingt, rasant, und überschäumend geht es mit der wunderbaren spitzigen Ouvertüre los. Am Pult der 34 Jahre junge aus Regensburg stammende Dirigent Jakob Brenner. Er führt die Robert-Schumann-Philharmonie ausgezeichnet, lässt sie richtiggehend galoppieren und feurig aufspielen. Dabei hat er auch die Sänger im Auge und nimmt das Orchester entsprechend zurück um sie nicht zu überdecken. Für einen doch noch so jungen Dirigenten eine hervorragende Leistung, die vom Publikum auch entsprechend honoriert wird. Er hat mit seinem Orchester maßgeblichen Anteil am Erfolg des Abends.
Matthias Winter (Frank)-Reto Rosin (Eisenstein)
Als Gabriel von Eisenstein kann sich der aus Stuttgart stammende Tenor Reto Rosin effektvoll in Szene setzen. Sein kräftiger, voller, schöner und geschmeidiger Tenor tut der Rolle sehr gut. Er besitzt eine gute und solide Mittellage und ebenfalls eine bühnendeckende Ausstrahlung. Schon von der rein körperlichen Gestalt ein imposanter und beeindruckender Eisenstein, der dies dann auch stimmlich entsprechend belegt. Dazu ist er ein gut aufgelegter und äußerst spielfreudiger Vertreter dieser Rolle. Als seine Rosalinde ist heute Abend Elvira Hasanagic, die in Ljubljana in Slowenien geborene Sopranistin zu erleben. Ihr weicher, warmer und kraftvoller Sopran kann sich problemlos behaupten, höhensicher und stimmklar. Besonders brillieren kann sie natürlich bei ihrem Csardas, wo ihre durchschlagskräftigen Spitzentöne besonders zur Geltung kommen und ihr langanhaltenden stürmischen Beifall des begeisterten Publikums bringt. Eine blitzsaubere, spitzbübische, quirlige und spielerisch voll überzeugende Adele bringt die noch sehr junge Marie Hänsel, die in Radeberg geboren ist, auf die Bretter, die die Welt bedeuten. Sie, die aus einer Großfamilie stammt, wird eine der Publikumslieblinge und weist dies mit silbrig glänzendem, klangschönem und in der Höhe bombensicherem Sopran voller Feuer und Leidenschaft eindrucksvoll nach und begeistert damit das Publikum. Als Dr. Falke, dem Freund Eisensteins und der armen Fledermaus, die sich nun an seinem Freund rächen will, agiert der im süddeutschen Aalen geborene Bariton Andreas Beinhauer. Mit ausdrucksstarkem, warmem, kräftigem und sicherem Bariton gibt er der Figur entsprechende Kontur. Das gilt auch für den in Annaberg geborenen Matthias Winter als Gefängnisdirektor Frank. Er setzt seinen gepflegten, ausdrucksstarken und durchschlagskräftigen immer präsenten und wohlklingenden Bariton ein und kann auch vom darstellerischen vollkommen überzeugen.
Hardy Hoosman (Frosch)
Die in Schwerin geborene Mezzosopranistin Sophia Maeno gestaltet die Partie des blasierten und gelangweilten Prinzen Orlowsky mit dunkel timbrierter wohltönender und vollmundiger Stimmgebung. Mit nobler Zurückhaltung zeichnet sie ein völlig überzeugendes Bild eines Menschen, der, weil er alles hat, nicht mehr weiß, wie er richtig leben, lieben und lachen kann. Der aus Südafrika stammende Tenor Siyabonga Maqungo ist als Alfred eine fast den Rahmen sprengende Besetzung. Mit gewaltigem, strahlendem, durchschlagskräftigem, hellem klarem und jeden noch so hohen Ton treffenden Tenor, ist er fast eine Luxusbesetzung. Auch darstellerisch hat er etliches dazugelernt und besitzt große Spielfreude, die er auslebt und man merkt ihm richtig den Spaß daran an. Als Advokat Dr. Blind kann der in Plauen im Vogtland geboren Tenor Jürgen Mutze in seiner kleinen Rolle ohne Fehl und Tadel das Ensemble äußerst positiv abrunden. Er, ein Urgestein aus Chemnitz, gehört dem Theater bereits seit fast 40 Jahren an, da kann man nur den Hut ziehen.
Ensemble mit Reto Rosin (Eisenstein) im Käfig
Als Ida, der Schwester Adeles kann man Sylvia Schramm-Heilfort erleben und sie kitzelt aus der doch recht kleinen Rolle alles heraus. Besonders erwähnt sei bei ihr auch, dass sie in allen drei bisherigen Inszenierungen der „Fledermaus“ in Chemnitz und zwar 1999, 2008 und nun 2018/19 dabei gewesen ist und mitgespielt hat. Als Ida-Double kann man Isabel Dohmhardt erleben und sie vervollständigt ohne Einschränkung das Ensemble und fügt sich nahtlos ein. Zu guter Letzt zu einer besonderen Figur in der Operette, den nicht singenden Darsteller des Froschs, Hardy Hoosmann. Er bezeichnet sich selbst als ein in Deutschland geborener und aufgewachsener afrikanisch-indisch-norwegischer Deutscher mit amerikanischem Pass. Er ist seit vielen Jahren als Schauspieler und Regisseur tätig, ist Chef des Fritz-Theaters und gibt seinem Frosch reichlich Zucker. Mit seiner langen schlaksigen Gestalt karikiert er den Frosch irgendwie selbst und kalauert was das Zeug hält. Volltrunken, oder doch nur angetrunken, im schönsten bayerischen Slang geht er auf Geschehnisse der Jetztzeit ein und wenn er ein Kruzifix im Gefängnis aufhängt, zieht ein bisschen bayerische Politik durch den Raum. Er wird mit großem Beifall bedacht und macht seine Sache auch recht gut.
Am Ende der Vorstellung ein jubelndes, begeistertes Publikum, welches sich einige Stunden von seinen Alltagssorgen lösen und einfach nur abschalten und genießen konnte. Wenn Operette so gestaltet und so aufgeführt wird, wird sie noch sehr lange überleben, allen Unkenrufen zum Trotz.
Manfred Drescher 12.07.19
Bilder: Kirsten Nijhof, Chemnitz