Vorstellung am 6.3.18 (Premiere am 24.2.)
Um gleich alle Zweifel auszuräumen: Das nicht vorhandene „y“ der französischen Eurydike ist kein Tippfehler, sondern es handelt sich um den exakten Titel der französischen Fassung von Christoph Willibald Glucks Reformoper. Die italienische Erstfassung mit dem Text von Ranieri de‘ Calzabigi wurde bekanntlich in Wien im alten Burgtheater mit moderatem Erfolg uraufgeführt.
Das war 1762, und Orpheus wurde von dem in der Altlage singenden Kastraten Gaetano Guadagni interpretiert. Als Gluck in Paris mit Werken wie „Iphigénie en Aulide“ Erfolge feierte und damit einerseits den Weg zu einer von den barocken Auswüchsen einer Arientradition, die sich selbst genügte, befreiten Oper fand, sollte nun auch (man schrieb inzwischen 1774) seine vertonte Orpheus-Legende dem französischen Geschmack angepasst werden. Dies bedeutete in allererster Linie eine Erweiterung der Ballettszenen um gute 40 Minuten und die Anpassung des ursprünglichen Librettos an den französischen Sprachduktus durch Pierre-Louis Moline. Gluck verwendete für die Ballettmusik umfangreiches Material aus seinem Tanzdrama „Don Juan“. Seltsam erscheint in Zusammenhang mit dem Thema der „reformierten Oper“, dass der Komponist für Orphée am Ende des 1. Akts eine Ariette schrieb, die diese diminutio nun wahrlich nicht verdient, denn es handelt sich um eine mit bis an die Grenzen des Machbaren gehenden Koloraturen gespickte Arie. Die Rolle war nun ja nicht mehr einem Kastraten anvertraut, sondern einem haute-contre, also einem in Frankreich oft eingesetzten Stimmtyp des leichten Tenors mit außergewöhnlicher Höhe, sodass die Tessitura besonders hoch angesetzt werden kann. Es ist somit nicht weiter verwunderlich, dass die Partie heute gern Mezzosopranen anvertraut wird, eine Lösung, die Hector Berlioz in seiner Bearbeitung des Werks zur Diskussion gestellt hatte.
Kann man allerdings über einen Sänger vom Format des Juan Diego Flórez verfügen, lösen sich sämtliche Zweifel in Wohlgefallen auf. Der Künstler sang die erwähnte Ariette nicht nur mit der von ihm erwarteten Brillanz und scheinbaren Mühelosigkeit, sondern verlieh jeder einzelnen Koloratur größte Expressivität. Ebenso bewundernswert war, wie es ihm gelang, das berühmte „J’ai perdu mon Euridice“ mit immenser Ausdruckskraft zu füllen, bei gleichzeitiger Einhaltung der stilistischen Grenzen. Auch szenisch war er er in einem Maße engagiert, wie ich es eigentlich von ihm bisher nur in heiteren Werken (etwa „Fille du régiment“, „Comte Ory“) gesehen hatte. Eine wunderbare Partnerin war ihm Christiane Karg, die Eurydikes Leiden wegen der scheinbaren Gefühllosigkeit Orphées überzeugend interpretierte. Die Schlüsselszene der beiden, die damit endet, dass Orphée sich doch nach der geliebten Gemahlin umdreht und diese daraufhin neuerlich stirbt, war von größter Eindringlichkeit. L’Amour wurde von der jungen Fatma Said, die an der Accademia der Scala studiert hat, mit interessant timbriertem Sopran und unbefangener Bühnenbeherrschung ausgezeichnet gegeben.
Die Produktion stammt von der Londoner Covent Garden Opera, wo sie 2015 Premiere hatte. Die Regie wurde von Hofesch Shechter und John Fulljames im Tandem erarbeitet. Shechter drückte mit der seinen Namen tragenden Company von hervorragenden jungen Tänzern der Interpretation einen gewaltigen Stempel auf. Als Nicht-Fachfrau für Ballett fand ich vor allem die Choreographie der Tänze der Furien besonders beeindruckend, während mich die Seligen im Elysium weniger beeindruckten. Allerdings ist es nichts Neues, dass die „Bösen“ die eindrucksvolleren Auftritte haben… Das Bühnenbild (Conor Murphy) war insofern von beeindruckender Kompliziertheit, als das Orchester des Hauses mit seinem Dirigenten Michele Mariotti hinter den Sängern und dem unter der Leitung von Bruno Casoni wieder einmal grandios singenden Chor postiert war und mehrfach angehoben und versenkt wurde. Ohne jede Einschränkung zu loben war die hier von Andrea Giretti betreute Lichtregie von Lee Curran, deren Höhepunkt der Lichteinfall durch die Öffnungen in einem kupferfarbenen Dach über der Bühne war. Auch die Kostüme stammten von Murphy und beeindruckten vor allem durch die farbige Abstimmung bei den Tänzern und mit dem goldfarbenen Smoking von L’Amour.
Die musikalische Wiedergabe erfolgte zwar ohne den Einsatz historischer Instrumente, aber Mariotti gelang es, gleich Flórez, Leidenschaft zu vermitteln, ohne aus dem stilistischen Rahmen der „edlen Einfalt und stillen Größe“ zu fallen.
Am 12.3. war ein bemerkenswert zahlreiches Publikum zu einem Liederabend von Diana Damrau gekommen, bemerkenswert deshalb, weil ein reines Liedprogramm in diesen Breiten nicht so sehr zieht. Damrau belohnte die Besucher aber mit einer exquisiten Auswahl an Liedern und einer Interpretation, die den kleinen Kunstwerken die größte Gerechtigkeit widerfahren ließ.
Aus Hugo Wolfs „Italienischem Liederbuch“ erklangen 21 Stücke, die alle je nach Erfordernis innig, schalkhaft oder melancholisch vorgetragen wurden, begleitet von intensiver mimischer Interpretation der Künstlerin.
Zur Vielfalt raffinierten Ausdrucks kam bei Richard Strauss nach der Pause bei „Einerlei“, „Ständchen“, „Meinem Kinde“ und „Muttertändelei“ vor allem in den „Vier letzten Liedern“ auch die Möglichkeit dazu, die Stimme aufmachen und strahlen lassen zu können, was von Diana Damrau prachtvoll genutzt wurde.
Der Begleitung von Helmut Deutsch am Klavier zu lauschen, war in jedem der Stücke der reine Hochgenuss. Den frenetischen Applaus bedankten die beiden Künstler mit sechs Zugaben, eine von Hugo Wolf, die anderen von Strauss (darunter die besonders populären „Morgen!“, „Zueignung“ und „Wiegenlied“).
Eva Pleus 17.3.
Bilder (c) Brescia e Amisano / Teatro alla Scala