Aufführung am 15.12.17 (Premiere)
Theorie und Praxis
Diese Produktion entstand in Zusammenarbeit mit Cristina Mutis Ravenna Festival (wo sie im Neuen Jahr gegeben werden wird) und mit dem Festival di Spoleto (in dessen Rahmen sie im Sommer 2017 zur Aufführung kam).
In den das Programm einleitenden Worten des Regisseurs Giorgio Ferrara und seines Dramaturgen René de Ceccatty ist viel vom Dialog eines Atheisten mit dem Tod die Rede, wobei man sich auf den dänischen Philosophen Sören Kierkegaard beruft, dessen Worte denn auch während der Ouverture auf den Vorhang projiziert werden. Alle Figuren sind fast ständig anwesend und betrachten, teilweise unter langen weißen Schleiern, als Untote, als aus den Mausoleen erstandene Figuren das Geschehen um den unermüdlichen Verführer. Die Handlung spielt somit nicht nur auf dem Friedhof, wie in der dafür vorgesehenen Szene, sondern auch in einer Art Krypta. Diese Basis klingt natürlich überzeugend, aber was leider fehlt, ist die szenische Umsetzung dieser Gedanken. Es fehlt also eine Regie, welche die Personen zueinander in Beziehung setzen würde, sodass die Sänger ihrer eigenen schauspielerischen Geschicklichkeit überlassen bleiben.
Die genannte Szenerie wird von den mehrfachen Oscar-Preisträgern Dante Ferretti und seiner Gattin Francesca Lo Schiavo ästhetisch wunderbar umgesetzt, Zypressen, griechische Statuen und eine ferne Kuppel erinnern den Zuschauer an die Atmosphäre von Andrea Palladios Villen, die durchaus den Rahmen für die in Mozarts Oper geschilderten Ereignisse abgeben können. Nicht ganz so glücklich die Kostüme des Modeschöpfers Maurizio Galante, die zwischen historisch inspiriert (etwa Don Giovanni und Leporello) und Empire (z.B. Donna Elvira) schwanken, um den armen Don Ottavio in hellblauer Gewandung ganz zu dem blutlosen Helden zu machen, dessen Profil in jüngeren Inszenierungen etwas männlicher geworden war.
Durch die Kooperation mit Ravenna stand das von Riccardo Muti gegründete Orchestra Giovanile Luigi Cherubini zur Verfügung, wodurch der musikalischen Leiter des Hauses Matteo Beltrami die Möglichkeit hatte, seine Vorstellungen in besonderer Klangqualität umsetzen zu lassen. Man hörte einen Mozart ohne Zuckerguss, wo die dramatischen Töne auch wirklich zugespitzt wurden. Mozart pur sozusagen, mit gerechter Akzentverteilung zwischen den Wörtern „dramma“ und „giocoso“. Die Titelrolle wurde von dem aus Rhodos gebürtigen Dimitris Tiliakos gesungen, der nicht so sehr die feine Klinge führte („Ständchen“!), als er sich wohler fühlte, wenn er stimmlich auftrumpfen konnte, wie in seiner letzten Szene mit dem Komtur. Szenisch wirkte er eher hölzern, was neben seinem Leporello, dem rollenerfahrenen Andrea Concetti, umso mehr auffiel. Dieser sang den schlitzohrigen Diener sehr lebhaft und kam gut über kleine Schwierigkeiten mit seinem nicht mehr sehr frischen Bass hinweg.
Rein intonierend und mit sehr sicherer Technik sang die Italokanadierin Lucia Cesaroni eine gute Donna Anna, der nur ein etwas volleres Timbre fehlte. Donna Elvira war Francesca Sassu, die – gespielt wurde die Wiener Fassung – die Gelegenheit nutzte, um mit „Mi tradì“ zu brillieren. Der Amerikaner Brian Michael Moore schlug sich mit viel gutem Willen durch seine zwei Arien, muss aber noch sehr an seiner Technik arbeiten. Als Komtur ließ der noch sehr junge Cristian Saitta einen imposanten Naturbass hören, der noch der Veredelung bedarf. Sehr erfreulich war das Paar Zerlina-Masetto in der Gestalt von Arianna Venditelli und Daniel Giulianini, das sich frisch und unbefangen bewegte und gute, ausbaufähige Stimmen hören ließ.
Das Publikum, das in kleineren italienischen Häusern bei Mozart nicht immer so leicht mitgeht, war hörbar angetan und ließ den Künstlern viel Zustimmung zukommen.
Eva Pleus 22.12.17
Bilder: Mario Finotti