Novara: „Norma“

Aufführung 6.12.2013 (Premiere)

Sensationeller Bellini am Teatro Coccia

Diese Produktion hatte mich schon im Mai 2012 in Turin beeindruckt, und da sie vom Teatro Regio an den kleinen Bruder in seiner Region Piemont verliehen wurde, lag es nahe, die wenigen Kilometer, die Novara von Mailand trennen, zurückzulegen, um sich neuerlich an der im positiven Sinn konservativen Inszenierung des verstorbenen Alberto Fassini, die auch hier von Vittorio Borrelli betreut wurde, zu erfreuen, denn mit Ausnahme der für den Herrenchor nicht unbedingt kleidsamen Kostüme war die Ausstattung von William Orlandi für das Auge erfreulich, besonders was die abstrakten Felswände anbelangt, die einen immer neuen szenischen Hintergrund ergaben.

Auch sollten die beiden Protagonistinnen dieselben wie in Turin sein, nämlich Maria Billeri in der Titelrolle und Veronica Simeoni als Adalgisa. Leider fiel Billeri einer schweren Verkühlung zum Opfer und musste drei Tage vor der Premiere absagen. Norma gehört bekanntlich zu den schwierigsten Rollen des gesamten italienischen Repertoires überhaupt, und es gibt nicht sehr viele erstklassige Vertreterinnen der Partie. Zum Glück stellte sich Alessandra Rezza zur Verfügung und gestaltete eine Norma, an die man noch lange denken wird, so sicher präsentierte sie die rasche Koloratur, so gemeißelt klangen die Rezitative. Mit seiner dunklen Fülle ist der Sopran der Künstlerin ideal für die Figur der Druidenpriesterin, die sie bis zum Schluß mit scheinbarer Mühelosigkeit singt. Ihr einziges Problem liegt in der Anbindung der extremen Spitzentöne, die klirrend klingen. Das dürfte auch der Grund dafür sein, dass nach imposantem Beginn die Karriere der Sopranistin zu stagnieren scheint. Veronica Simeoni war wieder das Idealbild einer Adalgisa, deren mädchenhafte Grazie im Auftreten in ihrem hellen, warm timbrierten Mezzo (der außerdem ideal zu Rezzas dunklem Sopran passte) die perfekte Entsprechung fand. Die Duette der beiden Frauen waren wie von einem Zauber durchtränkt, den der Pollione von Roberto Aronica mit dem für die unsympathische Rolle richtigen Machogehabe störte. Aronicas Tenor ist enorm gewachsen, und er hatte mit der Spintorolle (ja, Spintorolle! Hier gab es keine „philologischen“ Versuche mit Piepsstimmen!) nicht das geringste Problem. Mit Ausnahme einer gepressten Höhe klang der Bass des jungen Luca Tittoto als Oroveso mehr als vielsprechend. Als Clotilde fiel Alessandra Masini mit klangvollem Mezzo und teilnahmsvollem Spiel auf. Giacomo Patti bewährte sich als Flavio.

Es war aber Matteo Beltrami, der dem Abend den endgültigen Stempel des Triumphes aufdrückte. Ganz anders als sein gleichfalls vorzüglicher Kollege Mariotti in Turin wählte er entschiedenere Tempi, die auch in den berühmten elegischen Bögen Bellinis aufdeckten, dass die Nerven der verkörperten Figuren blank lagen. Schon während des Schlussterzetts des 1. Aktes wusste man, dass man einem bedeutenden Abend beiwohnte – am Ende der Oper war das Publikum ganz aus dem Häuschen. Angesichts der Leistung, die Beltrami aus dem Orchestra Filarmonica del Piemonte und dem Coro Schola Cantorum San Gregorio Magno, zwei nicht gerade erstklassigen Institutionen, herausholte, wollte man kaum glauben, dass er das Werk zum ersten Mal dirigierte.

Mit diesem Abend hat das Teatro Coccia auf dem steinigen Weg zu einem eigenen Profil einen bedeutenden Schritt vorwärts getan.

Eva Pleus 29.12.13
Produktionsbilder: Theatro Coccia