Cagliari: „La Bella Dormente Nel Bosco“

Aufführung am 5.2.17

(Premiere am 3.2.)

Ottorino Respighi (1879-1936) ist als Symphoniker berühmt, als Opernkomponist fast unbekannt. Der Autor von Erfolgskompositionen wie „Pini di Roma“ und „Fontane di Roma“ hegte allerdings großes Interesse für die Oper, an der er sich mehrmals versuchte (u.a. „Re Enzo“, „Semirâma“, „La campana sommersa“ nach Gerhart Hauptmanns „Die versunkene Glocke“).

Dieser „Dornröschen“-Stoff nach Charles Perrault (daher der Titel nach dem Französischen und nicht das sonst übliche „La bella addormentata“) war ursprünglich als Marionettenspiel konzipiert und wurde 1922 im römischen Teatro Odescalchi von dem damals sehr berühmten Puppenspieler Vittorio Podrecca uraufgeführt, wobei die Sänger im Orchestergraben saßen. 1934 wurde das überarbeitete Werk in Turin normal auf die Bühne gebracht.

Respighi und sein Librettist Gian Bistolfi hielten sich recht genau an Perraults Märchenerzählung, bereicherten die Handlung aber um in der Tierwelt spielende Szenen, die dem großen Orchestrierungskünstler und vom Impressionismus beeinflussten Komponisten die Möglichkeit gaben, ganz in antiveristischer Form vorzugehen, wie es der sogenannten „Generazione dell’Ottanta“ am Herzen lag. Obwohl Komponisten wie Alfano, Casella, Zandonai oder Pizzetti durch nicht viel mehr als ihr Geburtsdatum in den Achtzigerjahren des 19. Jahrhunderts verbunden waren, so war ihnen doch die Suche nach der Überwindung des Verismus und ein geradezu pathologischer Hass auf Puccini gemeinsam. (Nun, Geschichte und Publikum haben ihr Verdikt schon längst gefällt, und das fiel nicht zugunsten der genannten „Gruppe“ aus…).

Dennoch ist das kleine, kaum 100 Minuten lange Werk (das sich auch vieler Zitate bedient) angenehm zu hören und bringt im letzten Bild auch einen Schuss willkommener Ironie. Dieses spielt nämlich in moderner Zeit, und das Menuett der aus ihrem 300-jährigen Schlaf erwachten Hofgesellschaft verwandelt sich nach und nach in einen flotten Foxtrott.

Die Erzählung gibt den Ausstattern natürlich reichliche Möglichkeiten, die von Giada Abiendi (Bühnenbild) und Vera Pierantoni Giua auch entsprechend genutzt wurden. Es gab zauberhafte Landschaften zu sehen, und die Kostümbildnerin konnte sich mit originellen farbigen Kostümen austoben. Mehr als Ergänzung waren die Videos von Fabio Massimo Iaquone und Luca Attilii (eindrucksvoll die das Schloss allmählich bedeckenden Spinnweben), was auch für die Beleuchtung von Alessandro Verazzi gilt. In diesem zauberhaften Ambiente führte Leo Muscato eine liebevoll-ironische Regie, die das rechte Gleichgewicht zwischen der Distanz zur märchenhaften Erzählung und gefühlsmäßigem Mitgehen hielt. Erwähnt seien eine Art sehr köstlicher „Klageweiber“ männlichen Geschlechts oder die ratlosen Ärzte. Seltsam war nur, dass Spinnrocken und Spindel durch Strickwerkzeug ersetzt wurden, ist doch die Spindel eine auftretende „Figur“. Sehr hübsch war die Choreographie von Luigia Frattaroli, bei der sich der jüngste Ballettnachwuchs erfreulich in Szene setzen konnte.

Die drei relativ umfangreichsten Rollen haben die Prinzessin (Sopran), der Prinz (Tenor) und die Blaue Fee (Sopran) inne. Vom (erst im 3. Akt auftretenden) Prinzen verlangt Respighi ziemlich viel an stimmlicher Kondition, und die wies der Spanier Antonio Gandía auch nach. Da sah man ihm eine gewisse szenische Unbeholfenheit auch gerne nach. Die Armeno-Amerikanerin Shoushik Barsoumian sang mit kleiner, aber gut geführter Stimme eine sehr sympathische Fee. Angela Nisi gab mit etwas neutral klingender Stimme eine nett spielende Prinzessin. Alle anderen Mitwirkenden hatten mehrere Rollen zu verkörpern: So fiel der Mezzosopran von Lara Rotili als Grüne Fee/Katze/Herzogin/Kuckuck sehr positiv auf, sang der Bariton Vincenzo Taormina einen imposanten König/Botschafter, gab die Sopranistin Claudia Urru glockenhell Nachtigall/Spindel, der russische Mezzo Veta Pilipenko Königin/Alte Frau/Frosch. Als Hofnarr/Mister Dollar gefiel der Tenor Enrico Zara weniger als der kraftvolle Bariton Nicola Ebau als Förster/Arzt.

Der Chor des Hauses zeigte sich bestens vorbereitet (Einstudierung: Gaetano Mastroiaco). Donato Renzetti leitete das Orchester des Teatro Lirico mit merklicher Liebe für die Musik Respighis.

Herzliche Zustimmung für diese zweite, an einem Sonntagnachmittag stattfindende Vorstellung.

Eva Pleus 20.2.17

Bilder: Priamo Tolu / Teatro Lirico