Aufführung am 31.3.19 (Premiere am 22.3.)
Es hätte so schön sein können
Die Wiederaufnahme der Regie des 2016 verstorbenen Beppe De Tomasi durch seinen ständigen Mitarbeiter Renato Bonajuto hatte ihre positiven Seiten vor allem in der lebendigen und sorgfältigen Personenführung von De Tomasis Adlatus. Dessen Aufgabe war nämlich gar nicht so einfach, denn das wunderhübsche Einheitsbühnenbild von Poppi Ranchetti zeigte ein maurisch inspiriertes, kunstvoll gearbeitetes Gitter, in dessen Innerem sich nur zwei Wendeltreppen befanden. Die wenigen Versatzstücke, wie etwa Rosinas Schreibtisch, wurden hinein- und hinausgetragen. Durch die zarte Zeichnung des Gitters sah das Publikum die Figuren weiterhin, weshalb sie also nicht einfach „abtreten“ konnten. Hier muss auch die ausgezeichnete Lichtregie von Andrea Borelli erwähnt werden. Sehr witzig gelöst war das Finale I, wo Figaro und Basilio den zur Statue erstarrten Bartolo zwischen ihnen hin- und herpendeln lassen. (Seit Ponnelles genialer Lösung dieser Szene ist einer Art Bewegungschoreographie offenbar nicht zu entkommen). Mit Ausnahme eines kanariengelben Kleides für Rosina im 1. Akt waren die Kostüme von Artemio Cabassi hübsch und kleidsam, für Almaviva, als er sich zu erkennen gibt, gar prachtvoll.
Chiara Amarù (Rosina) hatte sich als indisponiert ansagen lassen, aber mit Ausnahme einiger vorsichtig angesetzten tieferen Töne war davon nichts zu merken. Die Sängerin hat mit ihrem schönen dunklen Mezzo und der gut sitzenden Koloratur die ideale Rossinistimme und spielte auch charmant kratzbürstig-selbstbewusst. Ein ausgezeichneter Bartolo war Simone del Savio, kein ausgesungener Buffo, sondern ein in vollem Saft stehender Bassbariton, der sich weitgehend der üblichen Mätzchen enthielt, die in dieser Rolle leider oft zu sehen sind. In Roberto Tagliavini und seinem klangvollen Bass fand Don Basilio eine überzeugende Verkörperung, die weniger schleimig als bösartig wirkte. Xabier Anduaga ist mit seinem von einem metallischen Kern dominierten Tenor über Almaviva schon hinaus, wobei es auch angenehm war, keine für die tenori di grazia oft charakteristischen nasalen Töne zu hören. Entsprechend war seine Koloratur etwas mühsam, aber der 24-jährige Baske klingt für ein anderes Repertoire vielversprechend. Angenehm ergänzten Lorenzo Barbieri (Fiorello), Eleonora Bellocci (Berta) und Giovanni Bellavia (Ein Offizier).
Leider war Mario Cassi in der Titelrolle meilenweit von einem halbwegs akzeptablen Figaro entfernt. Er brüllte seine Auftrittsarie, ohne die Spitzentöne in eine Linie einzubinden, womit er allerdings Erfolg hatte (ach, kritisches Publikum von Parma, wo bist Du geblieben?). Beim Applaus outrierte er so schamlos, dass es zu einem (nicht weniger gebrüllten) Bis kam. (Dadurch verzichtete Publikumsliebling Tagliavini trotz lauter Bisrufe auf eine Wiederholung der „Calunnia“). Im weiteren Verlauf des Abends erwies sich Cassi als schlampig bei den Rezitativen, womit er der Aufführung viel von ihrem Reiz nahm. Keine große Unterstützung kam auch von Alessandro D’Agostini, der am Pult des Orchestra dell’Emilia-Romagna Arturo Toscanini zunächst für eine verwaschen klingende Ouverture verantwortlich war, auch wenn die Interpretation dann langsam an Kontur gewann. Tadellos der von Martino Faggiani einstudierte Herrenchor des Hauses.
Am Publikumserfolg dieser Nachmittagsvorstellung besteht allerdings kein Zweifel.
Eva Pleus 7.4.19
Bilder: Roberto Ricci / Teatro Regio di Parma