Parma: „Tosca“

Aufführung am 28. und 29.4.18 (Premiere am 27.4.)

Wie war das mit dem kritischen Publikum in Parma?

Die schlimmste Befürchtung des reisenden Opernfans ist immer, dass ein Sänger, dessentwegen man sich in Bewegung gesetzt hat, absagt. Genau dies ist mir in Parma widerfahren, doch davon später, denn zunächst will ich erklären, warum ich die ursprünglich anvisierte Vorstellung am 29.4. um die vom Vortag erweitert habe. Hier ging es um Saioa Hernández, die mich drei Wochen zuvor als Gioconda stark beeindruckt hatte und die ich nun in Puccinis Werk hören wollte. Auch hier ließ diese voluminöse, schön timbrierte Stimme, die auch überzeugende Piani zu produzieren vermag, nichts zu wünschen übrig. Szenisch war sie überzeugend, auch wenn sie mit einem Regisseur vermutlich weitere Nuancen erarbeiten könnte, die in dieser Produktion nicht möglich sind. Das ewig treppauf-treppab in allen drei Akten ist wahrlich nicht hilfreich.

Stimmlich hochinteressant war auch ihr Cavaradossi, der erst 26-jährige Russe Migran Agadzhanian. Aus einer Künstlerfamilie stammend, hatte er zunächst Klavier und Dirigieren studiert und mit seinem Spiel bereits einige Preise eingeheimst, als er sich auch zum Stimmstudium entschloss. Ein angenehm timbrierter Spintotenor, der sehr musikalisch und unter Beachtung der Vorschriften des Komponisten eingesetzt wird, wobei sich sein Besitzer auch sehr unbefangen auf der Bühne bewegt. Positives lässt sich auch über Armando Gabba sagen, der den Mesner einmal nicht als Karikatur anlegte, sondern als frommen Mann, sich vor den um ihn herum stattfindenden Ereignissen wirklich fürchtet.

Nach einem Lob für Nicolò Ceriani (Sciarrone), Roberto Scandura (Kerkermeister) und den frischen Hirtenknaben von Carla Cottini ist leider nichts Gutes mehr zu berichten, denn Luciano Leoni war ein schwacher Angelotti und Luca Casalin ein unangenehm krähender Spoletta. Richtig schlecht war Angelo Veccia, dessen stimmliche Möglichkeiten meilenweit entfernt von den Anforderungen waren, die Puccini an den Scarpia stellt. Hier wurde mit letzter Kraft gebrüllt, und auch der Versuch, schleimig-bösartig zu wirken, ging ins Leere.

Am nächsten Tag dann die Erstbesetzung mit Anna Pirozzi in der Titelrolle. Ihre Stimme ist vielleicht eine Spur mediterraner als die von Hernández, aber im Ganzen waren die Leistungen der beiden Damen sehr ähnlich, sowohl in vokaler Hinsicht, als auch, was den szenischen Aspekt betrifft. Dieses Datum hatte ich ursprünglich wegen Andrea Carè gewählt, über den ich Gutes gehört hatte, das ich verifizieren wollte. Nach einer bereits indisponiert gesungenen Premiere musste er leider alle weiteren Vorstellungen absagen, und zum Einsatz kam Lorenzo Decaro, dessen Cavaradossi als Einspringer seine recht unmusikalische, mit viel Vibrato dargebotene Leistung nachgesehen sei. Auch hier vermochte der Scarpia in Gestalt von Francesco Landolfi nicht zu punkten. Neuerlich forciertes Gebrüll, weil die Stimme sonst nicht ansprang, dazu eine Tongebung mit ständig schiefem Mund, der an das Opfer einer Parese denken ließ. Alle anderen wiederholten ihre Leistung vom Vortag.

Ein wenig ruhmreiches Kapitel schrieb auch Fabrizio Maria Carminati am Pult des Orchestra Filarmonica Italiana, denn über eine wenig inspirierte Wiedergabe kam man nicht hinaus. Tadellos hingegen der Chor des Hauses in der Einstudierung von Martino Faggiani. Hier hatte auch die Regie (Joseph Franconi Lee „nach einer Idee“ von Alberto Fassini) im Bühnenbild von William Orlandi (von dem auch die Kostüme stammten) ihren besten Moment, als sich beim Tedeum die Kuppel von Sant’Andrea della Valle öffnete und den Zug der Garde mit einem segnenden Prälaten zeigte.

Unverzeihlich hingegen ist, dass die von Puccini für den Beginn des 3. Akts so genial komponierte Morgendämmerung nicht zu sehen ist, sondern nur schwarze Wolken dräuen.Wo ist das berühmt-berüchtigte Publikum von Parma geblieben? Jubel und Applaus schlossen nämlich sämtliche Mitwirkenden ein – seltsam, seltsam.

Eva Pleus 30.4.18

Bilder (c) Roberto Ricci