Parma: „L’elisir d’amore“, Gaetano Donizetti

Gaetano Donizettis melodramma giocoso ist mit seinen unterhaltsamen Charakteren und dem schönen Gleichgewicht zwischen giocoso (=lustig, heiter, und nicht buffo= komisch) und der romantischen Wehmut des melodramma ein weltweit vielgeliebtes Werk, das man besser nicht aus seinem ländlichen Ambiente reißt.

© Roberto Ricci

Genau das ist aber in der Konzeption von Daniele Menghini geschehen, die aus Nemorino einen Holzschnitzer macht, der in seiner Frustration die Figuren der Handlung schnitzt, gleich Vater Geppetto in Collodis „Pinocchio“. Warum er dann selbst zu dieser Figur mit der langen Lügennase wird, erschließt sich nicht, ebenso warum die sprechende Grille als furchteinflößendes Riesengeschöpf dargestellt ist. Wirklich schlimm ist aber, dass die Bühne von jeder Menge Hampelmännern und Marionetten bevölkert wird. Noch nicht eingekleidet, zeigen sie ihr mechanisches Innenleben und mischen sich ständig in die Angelegenheiten der Handlung ein. Ein mit Symbolen überladener Ballast, offenbar in der Absicht, dem Fatum einen Raum zuzugestehen, der hier dramaturgisch keineswegs am Platz ist. In diesem Wimmelbild musste man immer wieder nach den Protagonisten suchen, so übervoll war die Szene, obwohl sich das Bühnenbild (Davide Signorini) auf ein Holzgerüst beschränkte. Meine Versuche, das Gewurl auszublenden, waren zum Großteil von Erfolg gekrönt, aber auch sehr ermüdend, wodurch der musikalische Genuss beeinträchtigt wurde.

Das war sehr schade, denn vor allem die Herren waren in allerbester Verfassung. Francesco Meli, der für den nach Wien als Arnold im „Tell“ abkommandierten John Osborn eingesprungen war, zeigte sich auf der Höhe seiner Kunst und ließ keine der gefürchteten Verschleißerscheinungen durch die Interpretation dramatischerer Rollen wie etwa Manrico oder Don Carlo hören. Er folgte auch auf professionelle Weise den abstrusen Vorgaben der Regie, aber als ihn ein nicht endenwollender Applaussturm zur Wiederholung der „Furtiva lagrima“ brachte, sang er dieses Dacapo frei von der ihm aufgezwungenen Position, was den Eindruck der wunderbar phrasierten Arie noch vertiefte.

© Roberto Ricci

Der Dulcamara von Roberto De Candia musste sich u.a. als eine Art Bauchredner gerieren, was der Vollblutkomödiant aber elegant umging und mit nach seiner langwierigen Erkrankung noch voller gewordenen Stimme mit dem charakteristischen Timbre eine blutvolle Figur des Scharlatans auf die Bühne brachte, der man keinen Augenblick böse sein konnte. Der erst 25-jährige Lodovico Filippo Ravizza, der mir schon beim Donizetti-Festival in Bergamo positiv aufgefallen war, gab mit weich timbriertem Bariton einen köstlich aufgeblasenen Belcore und zeigte sich in jeder Hinsicht auf Augenhöhe mit seinen erfahrenen Kollegen. Blass und konturlos blieb hingegen die Adina der Armenierin Nina Minasyan, die auch gesanglich nur gepflegter Durchschnitt war. Die Giannetta der Ukrainerin Yulia Tkachenko ließ nicht, wie in anderen Fällen, auf eine zukünftige Adina hoffen. Hervorragend wie immer der Chor des Hauses in der Einstudierung des unersetzlichen Martino Faggiani. Es handelt sich zwar um eine Koproduktion mit dem Teatro Regio in Turin, aber das Orchester kam aus dem Teatro Comunale in Bologna und patzte des öfteren, vor allem bei den Bläsern. Dirigent Sesto Quatrini vermochte mit einer an sich guten Leistung, die aber teils unter verhetzten Tempi litt, diese Fehler nicht aufzufangen.

Am Schluss sehr viel Applaus für die Ausführenden mit einem vereinzelten, aber sonoren Buh für die Regie. Richtig böse wird man in Parma erst, wenn es Verdi an den Kragen geht…   

Eva Pleus, 30. März 2024


L’elisir d’amore
Gaetano Donizetti

Teatro Regio di Parma

15. März 2024

Inszenierung: Daniele Menghini
Musikalische Leitung: Sesto Quatrini
Orchestra del Teatro Comunale di Bologna