
Das Libretto zu der lyrisch-komischen Oper „Die Verlobung im Kloster“, op.86, in vier Akten und neun Bildern stammt von Sergej Prokofjew und seiner zweiten Gattin Mira Mendelson (1915-68) und beruht auf dem Theaterstück „The Duenna“ (1775) von Richard Brinsley Sheridan (1751-1816) zu dem Thomas Linley die Musik komponierte (1756-78). Sheridans Stücke erfreuten sich in der UdSSR großer Beliebtheit und so entschloss sich Prokofiew eines seiner Stücke unter dem Titel „Die Verlobung im Kloster“ zu vertonen. Die Oper entstand 1940/41 und handelt von Liebeswirren im Sevilla des 18. Jhd. Wie in Mozarts „Le Nozze di Figaro“ bzw.in Rossinis „il barbiere di Sevilla“ finden zwei junge Paare erst nach erheblichen Turbulenzen zueinander. Und auch die Duenna erhält an Stelle von Luisa, der Tochter Don Jeronimos, den alten und reichen Fischhändler Mendoza. Damit diese Charade aber funktioniert, müssen die drei Damen ihre Kleidung mehrmals tauschen. Und am Ende erkennt Don Jeronimo den Betrug und muss gleich dem Ochs auf Lerchenau gute Miene zum bösen Spiel machen… Die Uraufführung konnte erst nach Kriegsende 1946 am Kirov Theater in Leningrad stattfinden und wurde danach als „formalistisch“ in der UdSSR mit einem Aufführungsverbot belegt, obwohl Prokofjew einen volkstümlichen und heiteren Stoff gewählt hatte. Prokofjew notierte alle seine Partituren „klingend“ in C-Dur und wählte einen repetierenden Stil als Mixtur aus Neoklassizismus und Spätromantik durchzogen mit zahlreichen tänzerischen Elementen. Die handelnden Personen sind dem Personal der Commedia dell’arte entnommen, wie man sie auch in Richard Strauss‘ Oper „Die schweigsame Frau“ oder in Gaetano Donizettis Oper „Don Pasquale“ antreffen kann.

Regisseur Damiano Michieletto lässt die Oper während der stalinistischen Ära der fünfziger Jahre spielen und Paolo Fantin kreierte dafür dekorationsarme bewegliche Räume, die mit Lichtschranken eingerahmt sind, in denen sich die Mitwirkenden in ebensolchen schäbigen Kostümen von Klaus Bruns, angelehnt an die Nachkriegszeit bewegen. Der Hintergrundprospekt ähnelt einer Mischung aus Marc Chagall, James Ensor und Francis Bacon. Zu Beginn der Oper hängt ein riesiger Barsch, Symbol der Geldgier über den beiden alten Fischhändlern, die sich über ihre gutgehenden Geschäfte freuen und daher auf Kosten ihrer Kinder engere familiäre Kontakte knüpfen wollen. Und am Ende der Oper schließt sich diese poetische Klammer, indem sich nun der bis auf die Gräten abgenagte Riesenfisch zum Hochzeitsfest herabsenkt. Die zentrale Figur der Oper ist der alte Don Jerome gesungen von Charaktertenor Evgeny Akimov, der Pantalone der Geschichte, der sich vergeblich abmüht, seine Tochter Luisa mit dem reichen Fischhändler Mendoza zu verehelichen, um auf diese Weise eine Firmenfusion zu erwirken und derart ein Monopol auf den Fischhandel zu erreichen.

Valery Gilmanov als Mendoza ist der andere alte Fischhändler mit behäbigem Bass, den alle gekonnt gängeln. Elena Maximova ist in der Rolle der Duenna, der Anstandsdame wie sie auch im Rosenkavalier anzutreffen ist, die weibliche Heldin der Geschichte mit besonders ausdrucksstarkem Mezzo. Die australische Sopranistin Stacey Alleaume gab die Rolle der Luisa, mit der einst Anna Netrebko 1998 in St. Petersburg ihre große Karriere begann, ebenso wie Evgeny Akimov, der in jener Produktion den Don Antonio gesungen hatte. Bariton Petr Sokolov gefiel als ihr Bruder Don Ferdinand mit gehaltvollem Bariton. Luisas Geliebter Don Antonio war in der Kehle des belarussischen Tenor Vladimir Dmitruk gut aufgehoben. Seine Angebetete ist Clara mit tragfähigem Mezzo in der Kehle von Anna Goryachova. Der ungarische Bariton Zoltan Nagy reüssierte als Mendozas Freund Don Carlos mit expressiver Stimme. Die Regie führte ihn leider verlottert und tölpelhaft auf die Bühne, was nicht zu einem Mann mit übertriebener Moral passt. Der rumänische Bass Sorin Coliban gefiel als behäbiger und trinkfreudiger Mönch Pater Augustin. Als weitere Patres wirkten der in Moldawien geborene Tenor Iurie Ciobanu als P. Elixier, der armenische Bariton David Babayants als P. Chartreuse sowie der russische Bass Mischa Schelomianski als P. Benedictine spielfreudig und stimmlich ausgewogen mit. Die vier Diener, allesamt im Haushalt von Mendoza tätig, waren bei den Tenören Valentino Blasina als Lopez, und Takanobu Kawazoe als Pablo, sowie den Baritonen Alessio Borsari als Pedro und Jörg Espenkott als Miguel bestens aufgehoben.

Die beiden Soprane Katarina Novčić als Claras Zofe Rosina und Natalie Weinberg als Luisas Zofe Lauretta bereicherten dienstbeflissen das übrige Personal. In den Reigen der Diener fügten sich noch die Tenöre Serhii Panasiuk und Oleksii Shamrytskyi als Klosterdiener ein. Die zahlreichen Tanzeinlagen nach der illustren Choreografie von Erika Rombaldoni führten Federico Berardi, Ricarda Degenhardt, Emilia Huber, Adrian Infeld, Brigida Pereira Neves, Anderson Pinheiro da Silva, Jaime Lee Rodney und Lisa Schöppl mit akrobatischer Eleganz aus. Alessandro Carletti sorgte für die passende atmosphärische Beleuchtung der insgesamt neun Szenen. Dirigent Dmitry Matvienko am Pult des formidabel aufspielenden ORF Radio-Symphonieorchester Wien brachte Prokofjews Partitur, wenn auch an manchen Stellen grobschlächtig und zu laut, dennoch zu strahlendem Leuchten. Gekonnt hatte Prokofjew auch eine Reihe menschlicher Geräusche wie Niesen, Schmatzen, Räuspern und Küssen in seine Partitur plastisch verwoben und ebenso reichlichen Gebrauch alter Tänze wie Bourrée, Sarabande, Gigue und Walzer gemacht. Dazu gesellt sich als Stilmerkmal noch eine gewagte Harmonik mit Dissonanzen und ungewohnten Akkordkombinationen sowie eine wilde Motorik und bohrende Rhythmik. Für die beiden jungen Paare hielt er musikalische Momente herber Lyrik und leiser Resignation in ausdrucksstarken Melodien bereit. Der Arnold Schoenberg Chor unter Leitung von Erwin Ortner gefiel sich im orgiastischen Gelage betrunkener Mönche. Das Publikum war von den Darbietungen aller Beteiligten besonders angetan und spendete minutenlangen Applaus, durchsetzt von zahlreichen Bravorufen. Nachdem diese Inszenierung mit der Dutch National Opera & Ballet Amsterdam sowie dem Teatro de la Maestranza Sevilla koproduziert wurde, ist die Bühnenzukunft der “Verlobung im Kloster“ wenigstens für einige Zeit gesichert.
Harald Lacina, 30. März 2025
Die Verlobung im Kloster
Sergej Prokofjew
MusikTheater an der Wien
Vorstellung am 28. März 2025
Premiere: 26. März 2025
Inszenierung: Damiano Michieletto
Musikalische Leitung: Dmitry Matvienko
ORF Radio-Symphonieorchester Wien