Wien: „La Périchole“, Jacques Offenbach (Erste Besprechung)

Eigentlich war man ins Museums Quartier gekommen, um in einer Produktion des Theaters an der Wien Offenbachs Opéra-Bouffe „La Périchole“ zu sehen, und nicht einen billigen Kabarett-Abend im Pradler-Stil, den Regisseur Nikolaus Habjan bereitstellte. Keine Frage, dass Offenbachs Operetten als politische Satiren gedacht und folglich aktuelle Anspielungen eingeplant waren, aber das dürfte nicht bedeuten, Witz mit Primitiv-Geblödel zu verwechseln und das ganze Werk in eine Prolo-Welt herunterzuziehen.

Und genau das geschieht hier. Allein, dass die „Schenke zu den drei Cousinen“ hier ein Würstelstand ist, wo die Damen als alberne Witzfiguren agieren, gibt den Ton vor. Der Vizekönig, der im Bühnenbild als Wahlplakat mit dem Spruch „Peru darf nicht Österreich werden“ vorgestellt wird (nur so weiß man, dass das Geschehen weit weg, in Lima, spielen soll), schlendert hier nicht durch normales Volk, sondern durch eine gekaufte und gebriefte Menschenmenge, die ihm Schmeicheleien sagen soll. Da wäre die arme, halb verhungerte Straßensängerin Perichole gewissermaßen ein Gegenentwurf… eine Blume am Misthaufen.

(c) Werner Kmetitsch

Nicht so in dieser Inszenierung: Da tritt die Dame quasi als Vogelscheuche auf, die ordinär durchs Geschehen wankt, das dann seinen Lustspielverlauf nimmt, nicht ohne dass bei jeder Gelegenheit Polit-Witzchen eingefügt werden, die jeder Österreicher kennt und die dem Abend einen ganz anderen Charakter geben als dem Original.

Wenn am Ende im Gefängnis ein alter Marquis auftaucht, der sich mit dem Messer von einer Zelle in die nächste gegraben hat, so war das einst eine Parodie auf den berühmten Roman „Der Graf von Monte Christo“. Hier ist man aber in einer Inszenierung von Nikolaus Habjan. Ein paar hässliche Puppengesichter hat man unter dem „Volk“ schon ausgemacht, aber wenn man Glück hatte, konnte man die Fratzen übersehen. Doch keine Habjan-Produktion ohne seine enervierenden Klappmaul-Puppen – und diese eignet sich ganz besonders dafür, einen Sebastian Kurz zu zeigen, den der Regisseur in vorauseilendem Gehorsam schon zwölf Jahre lang ins Gefängnis gesteckt hat. Wenn er noch zweimal zwölf abbrummt, hat er vielleicht sein Jus-Studium hinter sich gebracht, wird verlautet, und das Publikum lacht geradezu schenkelklopfend. Ist Stefan Herheim klar, wofür er sein Theater da hergegeben hat? Aber man hat ihm wohl erzählt, die Vereinigten Bühnen gehörten schließlich dem „Roten Wien“, und dort würde dergleichen sicher mit größtem Wohlwollen aufgenommen…

(c) Werner Kmetitsch

Sieht man einmal von der Primitivisierung des Ganzen ab, so gibt es eine passable Aufführung in dem nicht ungeschickten Bühnenbild von Julius Theodor Semmelmann, während vor allem die Kostüme und der wohl dazu entworfene „Look“ von Cedric Mpaka für die Exzentrik sorgen. Die drei Würstelverkäuferinnen sehen schon kriminell aus, aber wenn sie sich im zweiten Akt in Hofdamen verwandeln, dann kommen sie wahrlich aus dem Schreckenskabinett. Tania Golden, Alexandra Maria Timmel und Bettina Soriat lassen da keine Schonung walten.

Ebenso wenig wie Boris Eder und Gerhard Ernst in den Buffo-Rollen. Dass sie dies können, haben sie viele Jahre lang an der Volksoper bewiesen. Hier wären sie noch besser, wenn sie mit elegantem Florett fechten könnten und nicht mit dem Holzhammer losdreschen müssten.

Es ist dem Theater zu danken, dass alle Rollen mit Künstlern besetzt sind, die Deutsch als Muttersprache haben – das erspart viel von den akustischen Zumutungen, denen man oft ausgesetzt ist. In der Rolle der Perichole lernt man Anna Lucia Richter kennen, die kürzlich zum Mezzosopran mutiert ist. Man würde sich doch um einiges mehr Anmut für die Figur wünschen, wenn die Sängerin auch mit einem ausgesprochen schönen, leuchtenden Mezzo auftrumpfen kann und so akustisch versöhnt. Als ihr meist wütender Liebhaber lässt David Fischer einen bemerkenswerten Tenor hören, es wäre nur vorzuziehen, wenn er nicht so maskenhaft hergerichtet worden wäre, dass er wie eine Puppe aussieht…

(c) Werner Kmetitsch

Die Entdeckung des Abends war jedoch ein Künstler, den man lange kennt und kaum je ausreichend wahrgenommen hat, denn Alexander Strömer wird an seinem Stammhaus, der Josefstadt, meist nur in Nebenrollen verheizt. Dabei ist er, wie er als Vizekönig zeigt, nicht nur ein besonders guter Sprecher, sondern auch für dieses Genre durchaus kompetenter Bariton. Er führt seine Rolle mit der Souveränität des erfahrenen, instinktsicheren Schauspielers ins Zentrum des Abends, und wenn er als Gefängniswärter verkleidet diesen als „Hans Moser als Frosch“ spielt, muss man ein solches Gusto-Stück noch besonders würdigen.

Jordan de Souza stand am Pult des ORF Radio-Symphonieorchesters Wien, und man muss sich fragen, ob er diesen Offenbach – in Anpassung an die Szene -. musikalisch so grobschlächtig konzipiert hat, oder ob man der Halle des Museums Quartiers (die ja nicht unbedingt für klassische Musik geplant war) die Schuld geben muss, wenn das Ohr des Zuhörers mit so viel blechernen Tönen gequält wird. Auch scheint es, als wäre die Technik (alle Sänger mit Mikros) einfach nicht optimal ausgesteuert. Aber, wie gesagt, Grobschlächtigkeit war dieses Abends zweiter Vorname.

Anstatt eines edlen französischen Menus mit ein wenig südamerikanischer Würze hat das Publikum von Nikolaus Habjan eine Burenwurst hingeworfen bekommen, für die es mit lautem Beifall dankte. Chacqun à son gout.

Renate Wagner, 19. Januar 2023


„La Perichole“ Jacques Offenbach

Theater an der Wien im MuseumsQuartier

Besuchte Premiere: 16. Januar 2023

Regisseur: Nikolaus Habjan

Dirigat: Jordan de Souza

ORF Radio-Symphonieorchesters Wien

Trailer