Das Theater Basel unter der Intendanz von Benedikt von Peter bringt immer wieder mutige Inszenierungen auf die Bühne. So auch mit Carmen, eine Co-Produktion mit der Berliner Tanz–Compagnie Dorky Park, geleitet von der Choreographin Constanza Macras.
Carmen ist Macras erste Opernarbeit als Regisseurin. Die Rolle der Carmen wird in dieser Produktion nicht als Roma verstanden. Sie wurde in eine Gemeinschaft, in einen Zirkus eingebettet. Und so erscheint Carmencita auf der Bühne als absolut freie, nur sich selbst verantwortliche Frau ohne das Stigma einer Roma. Dies erlaubt der Regisseurin, in hervorragend gefilmten Videos die Gewalt an Frauen aufzuzeigen, um auch dagegen zu protestieren. Aber nicht nur gegen die Gewalt; Macras versucht auch jenen, welche keine Worte finden, welche sich nicht ausdrücken können, mittels dieser Projektionen eine Kommunikations-Plattform zu geben.
Tanz nimmt in der Basler Produktion eine tragende Rolle ein, als eine Choreografie, die als Protest verstanden wird. In den Augen von Constanza Macras benutzen auch totalitäre Systeme bei Polizei und Militär Choreographien, um Macht zu demonstrieren, Revolten zu unterdrücken.
Carmen und ihr Gegenspieler Don José sind beide gewaltbereit. Sie tritt mit ihrer Gewalt für Freiheit, auch für ihre Freiheit auf. José verteidigt mit seiner Gewalt sein Denken und vor allem sein Besitztum. Im Libretto vorgesehen wäre ein fulminanter Schlusshöhepunkt, wo Don José während des Stierkampfes Carmen umbringt. In der Basler Inszenierung wurde aus diesem Höhepunkt eine eher lahme Szene, im respektive vor dem Zirkuszelt. Die Aufzählung vieler Femizide als Video verbessert diesen Schluss nicht, auch wenn gerade diese Femizide eine traurige Tatsache in einer Männergesellschaft sind.
Das gesamte künstlerische Team interpretiert, im Rahmen der Regie, das Werk Bizets ansprechend. Intonation und Diktion sind stimmig. Edgaras Montvidas überzeugt als Don José musikalisch. Seine Körpersprache hingegen wirkt eher unbeteiligt, man glaubt ihm seine Rolle nur bedingt. Er singt oft an der Rampe und zeigt wenig Emotion, dies im Gegensatz zu seinem musikalischen Können. Seine Gegenspielerin Carmen, interpretiert von Rachael Wilson, ist das pure Gegenteil. Sie singt mit Emotionen, mit perfekter Intonation und Diktion, klaren Höhen ohne Schärfe. Ihre Gestik, Mimik und Körpersprache überzeugen. Sie interpretiert, wiederum im Rahmen der Regie, die perfekte Carmen.
Sarah Brady als die besonnene Micaëla spielt den ruhenden Gegenpol zur Hauptdarstellerin perfekt. Auch Brady brilliert mit hervorragender Intonation und Diktion, mit überzeugender Mimik und Gestik, perfekt in allen Belangen. In weiteren Rollen zu sehen und hören: Kyu Chol als Escamillo, Sono Yu als Moralès/Dancairo, Ronan Caillet als Remendado und Camilla Sherman als Mercédès.
Die Bühne, entworfen von Simon Lesemann, überzeugte in weiten Teilen. Der Schluss mit dem Zirkuszelt hängt ein bisschen durch. Die Kostüme von Slavna Martinovic entsprechen der Inszenierung. Die Soldaten erscheinen in dunklen, farblosen Uniformen. Das Zirkusvolk, in fröhlichen Farben gekleidet, gefällt ausnehmend und weist auf den Gegensatz zur Machowelt des Militärs hin. Die Mädchenkantorei Basel und Chor sowie Extrachor des Theater Basel, geleitet und einstudiert von Michael Clark, lösen ihre Aufgabe in bewährt professioneller Manier.
Die musikalische Leitung oblag Maxime Pascal, welcher das Sinfonieorchester Basel zu einer intimen, trotzdem dynamisch und musikalisch perfekten Interpretation dirigiert.
Sehr gut gefallen hat mir die Ballett-Compagnie Dorky Park: Alexandra Bódi, Emil Bordás, Thulani Lord Mgidi, Miki Shoji und Shiori Sumikawa sowie Moritz Lucht als Artist.
Das zahlreich erschienene Publikum belohnt die Arbeit der Künstlerinnen und Künstler auf, unter und hinter der Bühne mit einem langanhaltenden Applaus. Buh-Rufe gab es wenige, obgleich die Regie-Arbeit, die Interpretation des Werks von Georges Bizet, ungewöhnlich ist und nicht in allen Teilen überzeugt.
Peter Heuberger, 7. Februar 2024
Bilder siehe erste Besprechung
Carmen
Georges Bizet
Theater Basel
Premiere am 3. Februar 2024
Regisseurin und Choreographin: Constanza Macras
Compagnie Dorky Park
Musikalische Leitung: Maxime Pascal
Sinfonieorchester Basel