Premiere: 18. Januar 2020
Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht was Leiden schafft
Der Schwerpunkt in der Inszenierung von Mozarts Figaro legt die Regisseurin Barbara Frey auf die männliche Doppelmoral: Männer dürfen alles und Frauen dürfen nichts! Sie lässt den Text und die Musik für sich sprechen. Im Spiel vermeidet Frey alle überflüssige Hektik und vermittelt den Theaterbesucherinnen und Theaterbesuchern ein intensives Erlebnis. Ihr Ansatz ist eher statisch, mehr dem textorientierten Sprechtheater zuzuordnen. Ihre Personenführung ist makellos. Sie legt grossen Wert auf optimale Diktion, heisst Sprachverständlichkeit. Die Aktion auf der Bühne ist minimalistisch, oft nur angedeutet. Auch vermeidet sie bei den Sängerinnen und Sänger auf der Bühne übertrieben extrovertierte Körpersprache, Mimik und Gestik
Dazu Barbara Frey in einem Interview: Musik und Text gehen vollständig ineinander auf, die Musik dringt in jeden einzelnen Satz, ja in jeden einzelnen Buchstaben.
Ihr Ansatz unterstreicht die von Beaumarchais angestrebte Sozialkritik, wie zum Beispiel das „Jus primae noctis“. Eine populäre Darstellung findet sich im Werk Mozarts, für welches der Librettist Da Ponte den Text geschrieben hat.
Frey verzichtet auf die in allzu vielen Produktionen störenden Videoeinspielungen. Sie verwendet Bühnen- und lichttechnische Effekte, welche wesentlich eindrücklicher und viel subtiler wirken. Das Vorspiel wird vor geschlossenem Vorhang endlich wieder einmal ohne Visualisierung gespielt. Danke!
Das Bühnenbild, welches Ortswechsel und Szenenwechsel nur andeutet, wurde von Bettina Meyer entworfen. Der Bühnenaufbau sieht aus, wie ein dekorierter Trichter, vorne weit hinten eng. Diese Konstruktion kommt den Sängerinnen und Sängern zugute. Egal wo sie platziert sind, bleiben Textverständlichkeit und musikalischer Ausdruck optimal, mit viel Leichtigkeit ohne Zwang zum Forcieren. So sollten alle Bühnendekorationen den Künstlern auf der Bühne helfen.
Die Lichtführung von Roland Edrich ist stimmig und vermeidet jegliche übertriebenen Effekte und Spielereien.
Das Sinfonieorchester Basel unter der Leitung des britischen Dirigenten Christian Curnyn interpretierte Mozarts Musik fehlerlos. Der Streicherklang wird geprägt durch das Spiel mit klassischen Bögen. Gewöhnungsbedürftig ist der Klang der ventillosen Blechblasinstrumente (Naturhörner und Naturtrompeten).
Die Kostüme, gezeichnet von Bettina Walter sind ohne übertrieben zu wirken, der gesamten Inszenierung angepasst. Der Bürger Figaro ist wesentlich einfacher gekleidet als der Adlige Almaviva. Die wohlhabende Bürgerin Susanna begnügt sich mit diskreter Kleidung, die Gräfin dagegen ist reich geschmückt.
Der amerikanische Bariton Thomas Lehmann, Ensemblemitglied an der Deutschen Oper Berlin, interpretiert den eifersüchtigen Lebemann Almaviva mit vorzüglicher Intonation und klarer Diktion.
Die russische Sopranistin Oksana Sekerina interpretierte eine überzeugende Contessa Almaviva. Bei Frau Sekerina fällt auf, dass ihr Singen die schauspielerische Fähigkeit weit übertrifft. Die wird augenfällig bei ihren Duetten mit Susanna und Cherubino. Dies ist keine Kritik an ihrer Leistung, sondern ein Hinweis auf den unterschiedlichen Ausbildungsschwerpunkt im Osten Europas.
Das Basler Ensemblemitglied, die irische Sopranistin Sarah Brady, singt und spielt eine Susanna, welche nahtlos an ihre Interpretationen in Lucio Silla und La Boheme anschliesst. Frau Brady gibt eine Susanna, welcher man jedes Wort glaubt. Ihr Intonation und Diktion in jeder Tonlage ist makellos, ihre schauspielerische Leistung erweckt die eifersüchtige Susanna zum Leben.
Kristina Stanek als Cherubino ist, wie immer wenn Stanek auf der Bühne singt, spielt, ein spezielles Erlebnis. Ihre Bühnenpräsenz ist so stark, dass sie, ohne dies zu tun, die Mitspielerinnen und Mitspieler an die Wand singen und spielen könnte. Sie weiss aber, dass sie nur im Team zur Geltung kommen kann, wenn auch ihre Mitprotagonistinnen und –Protagonisten zur Geltung kommen. Dies ist eine hoch zu bewertende Professionalität!
In weiteren Rollen sind zu sehen und hören: Als herausragender Bartolo: Andrew Murphy, einen ausgezeichneten Basilio interpretiert Karl-Heinz Brandt. Dazu auf der Bühne als Don Curzio: Hyunjai Marco Lee, als Barbarina der brasilianische Sopranist Bruno de Sa, als Antonio Flavio Mathias und nicht zu vergessen Antoin Herrera-Lopez Kessel als Figaro.
Der Chor des Theater Basel, einstudiert von Michael Clark, löste seine Aufgabe mit gewohnter Präzision und hoher Musikalität.
Das sehr zahlreich erschienene Publikum, das Haus war fast ausverkauft, belohnte die grossartige Leistung des gesamten Teams auf, vor unter und hinter der Bühne mit langanhaltendem Applaus. Sehr verdient, kam doch in der über dreistündigen Produktion nie das Gefühl von Länge auf. Danke Theater Basel!
Peter Heuberger, 19.1.2020
Fotos © Lucia Hunziker