Bonn: „Die Liebe zu den drei Orangen“, Sergej Prokofjew

Mit Prokofjews phantastischer Märchenoper „Die Liebe zu den drei Orangen“ zeigt das Theater Bonn ein farbenfrohes Spektakel, das auch musikalisch zu überzeugen vermag. Regisseur Leo Muscato behält der Oper ihre Märchenhaftigkeit und die atemberaubende Ausstattung von Andrea Belli, der ein sternenfunkelndes, magisches Gewölbe auf die Bühne stellt und den prächtigen und absolut sehenswerten Kostümen von Margherita Boldoni. Mit viel Aufwand, mit kleinen Zitaten an russische Folklore, mit Glitzer und vielen charmanten und humorvollen Einfällen entsteht ein perfektes, in sich geschlossenes Kostümbild. Und so ist es auch die Optik, die diesen Abend so überzeugend macht, denn die eigentliche Regie tritt in den Hintergrund. Fünf übergroße ironisierende, an Karikaturen erinnernde große Köpfe, wie ein „Jack in the Box“ aus Kisten springen, die die Neigungsgruppen des Chores darstellen, beherrschen zunächst die Bühne. Diese Figuren sehen wirklich wunderbar aus und hier gebührt den Kascheuren des Bonner Theaters ein großes Lob, dass sie so etwas so perfekt hinbekommen. Letztlich fällt Muscato damit aber wenig ein, denn sie werden zum alles Beherrschenden Element über weite Strecken des Abends. Auch die Personenführung vermag nicht zu überzeugen und so ist allzu oft unkoordiniertes Gerenne auf der Bühne, eine scheinbare Verlegenheitslösung, wenn die Regie mit zu viel Musik in den Zwischenspielen nichts anzufangen weiß. Die groß auskomponierten Auftritte von Fata Morgana und Tschelio geraten beispielsweise dann doch etwas banal, wenn sie ohne irgendeinen Effekt einfach nur von links und rechts auf die Bühne kommen. Letztlich ist es auch das Einheitsbühnenbild, mit dem die Regie sich hier selbst ein Bein stellt, denn es bietet wenig Möglichkeiten die im Stück geforderten Szenenwechsel schnell und effektvoll zu erklären. So überzeugt der Abend in der Optik.

© Bettina Stöss

Die musikalische Seite verdient sich mit exzellenten Sängern ihre Meriten. Magnus Piontek als König Treff kommt mit aller königlichen Würde in der Stimme daher und gibt einen repräsentablen Monarchen. Sein Sohn, der Prinz, wird von Uwe Stickert gesungen und dieser spielt den Gang von der tiefen Depression ins Mutige hervorragend und unterstreicht dies mit einem Tenor, den er klug einzusetzen weiß und dessen Strahlkraft er wohl dosiert präsentiert. Großen Jubel erntet Tae Wan Hyun als Truffaldino, der mit viel Quirligkeit und Spielwitz die Rolle mit Leben füllt. Martin Tzonev als Tschelio singt die Partie solide und bietet einer mit viel Hexengift in der Stimme agierenden Fata Morgana von Yannick Muriel Noah einen ebenbürtigen Partner. Pavel Kudinov ist eine wirklich bezaubernde Köchin von Kreonta und erfüllt diese Partie genau mit dem witzigen Charme, den es braucht. Leander von Christopher Jänig, Prinzessin Clarisse von Khatuna Mikaberidze und Smeraldine von Ava Gesell gesungen überzeugen gleichermaßen stimmlich wie im Spiel und auch alle weiteren kleinen Partien sind bestens besetzt.

© Bettina Stöss

Der Chor hat in dieser Oper eine große und wichtige Rolle, greift er doch immer wieder in die Handlung ein und verquickt Realität und Märchen. Die Damen und Herren singen engagiert und werfen sich mit viel Spielfreude ins Stück. Dennoch kommt es immer wieder zu kleinen Wacklern und Unstimmigkeiten mit dem Graben. Dirigent Daniel Johannes Mayer (die Mehrzahl der Vorstellungen dirigiert GMD Dirk Kaftan) müht sich hier redlich den Chor einzufangen und meistenteils gelingt dies auch. Unter seinem Dirigat spielt das Bonner Beethovenorchester kraftvoll und mit viel Wucht auf, manchmal etwas zu derbe, so hat Tschelio nicht immer die Möglichkeit über das Orchester zu kommen. Was hervorragend gelingt sind die Schroffheiten der Musik, die Wildheit und das Ungestüme dominieren den musikalischen Gesamteindruck.

© Bettina Stöss

Mit der „Liebe zu den drei Orangen“ ist der Oper Bonn ein solider Opernabend gelungen, der ein Plädoyer für das Stück ist. Die Inszenierung verlässt sich sehr auf die umwerfende Ausstattung, die dem Abend einen wirklich phantastischen und märchenhaften Gesamteindruck verleiht und die neben der überbordenden Spielfreude aller Akteure auf der Bühne diesen Abend so bemerkenswert macht.

Abweichungen in den Besetzungen sind der Homepage des Theaters zu entnehmen.

Sebastian Jacobs, 20. April 2024


Die Liebe zu den drei Orangen
Sergej Prokofjew

Theater Bonn

Premiere: 14. April 2024
Besuchte Vorstellung: 18. April 2024

Inszenierung: Leo Muscato
Musikalische Leitung: Daniel Johannes Mayr
Beethoven-Orchester Bonn