Bonn: „Ernani“

Besuchte Aufführung am 20.05,22 (Premiere am 10.04.22)

Musikalische Erfüllung

Warum gehört der "Ernani" eigentlich zu den unbekannten Opern Verdis? An der Musik kann es nicht liegen, denn die liegt auf der gleichen Höhe wie bei Verdis Meisterwerken, klingt abwechslungsreich und den dramatischen Situationen stets angemessen. So stellt man sich italienische Oper pas excellence vor. Nun gut, es braucht wirklich hervorragende Sänger, aber das benötigt ein "Troubadour" auch, mit dem das dramaturgische Gerüst irgendwie Ähnlichkeit hat. Trotzdem wirkt das Libretto von Francesco Maria Piave etwas hausbackener, so eine romantische Räuberpistole mit überdimensionierten Gefühlen und Blut und Ehre; und einem "Hah!".Meines Erachtens ein perfekter Kandidat für eine konzertante Aufführung. Trotzdem: Oper ist eine dramatische Kunst, die auf die Bühne gehört . Insofern kann man die Oper Bonn nicht genug loben, das Wagnis dieser selten auftauchenden Oper szenisch auf sich genommen zu haben.

Roland Schwab ist sich seiner prekären Aufgabe durchaus bewußt (, das erfährt man aus seinem Programmheftbeitrag,) und nimmt sich in seiner Inszenierung der Verdioper respektvoll an, ohne zu denunzieren, schon dafür Dank daraus irgendeine Quatschnummer zu machen, wie es einige der jungen Regisseure tun. Alfred Peters Bühne setzt ein etwas traumhaft schwebendes Umfeld, das den übersteigerten Gefühlsspannungen der Protagonisten entgegenkommt. Renee Listerdals Kostüme setzen über die Zeiten hinweg das Milieu gut um und scheuen nicht die Portion Romantik bei den weiblichen Figuren. Schwab setzt dazu auf empathischen Überschwang der Emotionen, erzählt dazu schlüssig und klar die Handlung; was ein Maß an Bescheidenheit und Können voraussetzt. Die Konzentration bleibt im Fokus auf Verdis grandiose Musik und seine Protagonisten.

War es Enrico Caruso oder Leo Slezak, von dem das Bonmot stammt, daß man, um den "Troubadour" erfolgreich aufzuführen, einfach nur die vier besten Sänger der Welt braucht. Den Satz kann man für "Ernani" getrost unterschreiben. Nun,die vier weltbesten Sänger werden wir vielleicht nicht an der Oper Bonn finden, doch gerade das Solistenquartett ist vielleicht nicht perfekt, doch weit mehr als respektabel: Manches andere Haus hätte gerne einem italienischen Tenor wie George Oniani. Einen Tenore robusto mit bombensicherer Höhe und Stamina in der Art eines Mario del Monaco, der sich nötigenfalls zurückzunehmen weiß, wie in den Liebesszenen mit Elvira, die wenigen Schluchzer werden geschmackvoll eingesetzt. Yannick-Muriel Noah ist ihm eine adäquate Elvira von Format eines dramatischen Koloratursoprans mit gutem Legato und virtuoser Technik für die Fiorituren. Leider hat sich der Registerbruch vergrößert; Sprünge von unten finden sich leicht unter der Intonation wieder. Federico Longhis Bariton klingt im ersten Moment etwas trocken, doch findet sein Kaiser Karl zu schlüssiger Würde. Die Arie in der Kaisergruft ist sicherlich einer der Höhepunkte des Abends, überhaupt fasziniert der dritte Akt durch die beeindruckende Lichtchoreographie von Boris Kahnert. Nach kleinen Anlaufschwierigkeiten singt auch der Basso cantando auf Ohrenhöhe, Pavel Kudinov darf als, herrlich senil gespielt, unversöhnlicher Silva den Titelhelden mit Hornsignal in den Suizid treiben. Tae-Hwan Yun und Michael Krinner zeigen in den Partien des Don Riccardo und Jago, wie man in Nebenrollen gesanglich und szenisch herausragen kann. Die szenisch präsente Giovanna von Ingrid Bartz klingt etwas matt.

Kommen wir zu den wahren Helden der Aufführung: Will Humburg mit dem Beethoven Orchester Bonn und den Chören und Extrachören unter Marco Medved bezaubern mit ihrer Leistung auf einem Niveau, das man gerne öfters an den großen Bühnen der Welt erleben würde. Humburgs Verdi lodert leidenschaftlich und glutvoll, trotzdem ist er stets am Puls der Sänger, um ein Ritardando zu ermöglichen. Für mich einer der besten Verdi-Dirigenten überhaupt. Die Chöre klingen auf der Höhe von Berlin oder Mailand. In Bonn erlebt m,an echte Klasse! Begeisterter, berechtigter Schlussapplaus.

Martin Freitag, 26.5.22

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