Bremen: „Angels in America“, Peter Eötvös

Peter Eötvös ist wohl einer der meistgespielten zeitgenössische Komponist. Seine Opern „Tri sestri“ („Drei Schwestern“), „Love and other demons“ sowie auch Angels in America tauchen immer wieder in den Spielplänen auf. Mit Angels in America kam nun im Bremer Theater erstmalig ein Werk von Peter Eötvös auf die Bühne. Uraufgeführt wurde diese Oper am 23. November 2004 in Paris unter der Leitung des Komponisten. Sie war mit u.a. Barbara Hendricks, Julia Migenes und Roberta Alexander äußerst prominent besetzt.

(c) Jörg Landsberg

Die Oper Angels in America von Peter Eötvös ist – inhaltlich und musikalisch – keine leichte Kost. Das Libretto basiert auf dem gleichnamigen Schauspiel von Tony Kushner. Es spielt in den 1980er Jahren und es geht dabei hauptsächlich um die Schicksalswege von fünf homosexuellen Männern und das Thema Aids. Aber es ist auch eine Abrechnung mit dem amerikanischen „Way of life“ der damaligen Zeit – eine Zeit der gesellschaftlichen Umbrüche mit den Zutaten der Korruption, des religiösen Wahns, der Bigotterie, der Diskriminierung und auch atomarer Endzeitängste. In einer Vision des schwulen Prior kommt ein Engel mit seinem Gefolge vom Himmel. Sie wollen die Welt retten, allerdings nach ihren konservativen Vorstellungen. In ihren weißen Schutzanzügen sehen sie aus wie Tatortreiniger. Zu ihrem Propheten erwählen sie Prior. Der aber weigert sich und will trotz Krankheit und Elend auf der Erde bleiben und sehen, wie das Leben weitergeht.

Die unterschiedlichen Charaktere der Oper werden in den sich verschränkenden und nahtlos ineinander übergehenden Szenen von der Regisseurin Andrea Moses sehr deutlich gezeichnet. Da ist das schwule Paar Prior und Louis. Louis verlässt seinen Partner, weil der Aids hat. Das Ehepaar Joe und Harper hat sich auseinandergelebt. Als Joe sich als homosexuell outet, flüchtet sich Harper in den Medikamentenrausch. Der skrupellose Anwalt Roy Cohn (eine historische Figur, die für Donald Trump als Steigbügelhalter gearbeitet hat) hasst Schwule, ist aber trotzdem auf Joe scharf. Als er an Aids erkrankt, will er es nicht wahrhaben. Der Transvestit Belize arbeitet im Krankenhaus und pflegt die Aids-Kranken. Moses gelingt es, eine verstörende, surreale Atmosphäre zu erzeugen, in der sich aber auch Platz für dezente Komik findet. Der Auftritt von Joes Mutter Hannah etwa gehört dazu.

Das großzügige Bühnenbild von Katja Haß bleibt in seiner Grundstruktur durchgängig erhalten, mutiert aber trotzdem eindrucksvoll von einer Kirche zu einem Club, vom Central Park (wo die Homosexuellen zwecks Partnersuche flanieren) bis hin zum Krankenhaus.

(c) Jörg Landsberg

In die Musik von Eötvös muss man sich einhören. Melodien oder belcantistische Gesangslinien findet man nur vereinzelt, wohl aber Elemente von Jazz, Rock und Musical. Die Handlung wird von einem komplexen Orchestersatz mit besonders kunstvollen Übergängen getragen, angereichert mit Alltagsgeräuschen. William Kelley am Pult der Bremer Philharmoniker bewältigt die schwierige Aufgabe vorbildlich.

Bei den Sängern müssen einige in verschiedene Rollen schlüpfen. Sie artikulieren sich überwiegend im Sprechgesang, im Falle des Engels auch in Koloraturen. Aus dem insgesamt sehr überzeugenden Ensemble ragen besonders Ian Spinetti als Prior, Marie Smolka als Engel, Ulrike Mayer als Harper, Stephen Clark als Roy Cohn sowie Verena Tönjes u-a- als Hannah hervor. Aber auch Michal Partyka (Joe), William Ferguson (Louis) und Mathew Reese (Belize) setzen markante Akzente. Ein gelungener, aber auch schwer verdaulicher Opernabend.

Wolfgang Denker, 4. April 2023


„Angels in America”
Oper von Peter Eötvös

Theater Bremen

Besuchte Premiere am 2. April 2023

Inszenierung: Andrea Moses
Ausstattung: Katja Haß
Musikalische Leitung: William Kelley
Bremer Philharmoniker

Weitere Vorstellungen: 6., 12., 14., 30. April, 4., 12. 21. Mai, 1., 21. Juni 2023