Bremen: „Die Liebe zu den drei Orangen“, Sergej Prokofjew

Die groteske Oper Die Liebe zu den drei Orangen von Sergej Prokofjew ist für die Phantasie von Regisseuren eine Goldgrube. Das hat in Bremen zuletzt 1989 Andras Fricsay bewiesen und jetzt ist es Frank Hilbrich, der für einen vergnüglichen und höchst unterhaltsamen Schlusspunkt der laufenden Saison sorgt.

© Jörg Landsberg

Im Prolog streiten sich (im Zuschauerraum und im 1. Rang) verschiedene Gruppen, ob eine Tragödie, eine Komödie, eine Romanze oder eine Klamotte gezeigt werden soll. Prokofjews Werk ist von allem etwas. Es geht um einen depressiven Prinzen, der nicht lachen und durch nichts aufgeheitert werden kann. Und es geht um die Macht im Königreich, die das intrigante Paar Leander und Clarisse an sich reißen wollen. Dazu muss allerdings der Prinz beseitigt werden. Der Zauberer Tschelio kämpft für den Prinzen, die Hexe Fata Morgana für Leander. Als Fata Morgana unglücklich stürzt, kann der Prinz doch lachen und wird dafür von ihr verflucht: Er soll sich in drei Orangen verlieben. Es beginnt eine phantasievolle Reise durch ein Märchenland, die ihn und seinen Freund Truffaldino in das mit überdimensionalen Spaghetti gefüllte Reich einer Köchin (bei ihr sind die Orangen versteckt), in eine dürre Wüste und zurück in den Königspalast führt.

Frank Hilbrich blättert diesen Bilderbogen im simplen, aber funktionstüchtigen Bühnenbild mit farbigen Mauern (von Sebastian Hannak) sehr abwechslungsreich auf. Großen Anteil an der ansprechenden Optik haben die bunten und putzigen Kostüme von Gabriele Rupprecht. Tschelio sieht aus wie ein barocker Fürst, Truffaldino wie ein Harlekin und für die verwandelte Prinzessin Ninetta schuf sie ein tolles Rattenkostüm. Auch Micky und Donald tummeln sich auf der Bühne.

© Jörg Landsberg

Bei Hilbrich ist ständig was los auf der Bühne. Er verliert sich dabei aber nicht im Aktionismus, vielmehr wird der Charakter der Commedia dell‘ arte (immerhin stammt die Vorlage von Carlo Gozzi) gewahrt. Das Bühnengeschehen ist dabei von Jacqueline Davenport auf den Punkt genau choreographiert. Vergnüglich, wenn der Prinz und Truffaldino von einem Laubbläser fortgeblasen werden und in den Bühnenhimmel entschweben, oder wenn die Prinzessinnen sich wie orange Küken aus ihren „Orange-Eiern“ befreien. Leander und Clarisse erinnern bei ihrer Verschwörung durchaus an Ortrud und Telramund im „Lohengrin“. Und der Kampf zwischen Tschelio und Fata Morgana wird geschickt durch ein Schattenspiel verdoppelt. Diese Inszenierung ist Vergnügen und Kurzweiligkeit pur. Die Entscheidung, die Oper in deutscher Sprache zu präsentieren, war goldrichtig. Sonst wäre vielleicht einiges an Witz verloren gegangen.

Mit Hidenori Inoue als König und Köchin, Fabian Düberg als Truffaldino, Nathalie Mittelbach als Clarisse, Michael Zehe als Leander, Elias Gyungseok Han als Tschelio, Michal Partyka als Teufel Farfarello, Elisa Birkenheier als Ninetta und anderen steht ein tolles Ensemble zur Verfügung. Besonders herauszuheben sind die Leistungen von Nadine Lehner als fulminante Fata Morgana und von Ian Spinetti als strahlkräftigem Prinzen. Der mit Solisten angereicherte Chor (Einstudierung Karl Bernewitz) bewährt sich bestens.

© Jörg Landsberg

Sasha Yankevych am Pult der Bremer Philharmoniker serviert Prokofjews vielschichtige Musik, die viel mehr als den bekannten Marsch enthält, mit differenziertem und fein austariertem Klang.

Wolfgang Denker, 19. Mai 2024


Die Liebe zu den drei Orangen
Oper von Sergej Prokofjew

Theater Bremen

Premiere am 18. Mai 2024

Inszenierung: Frank Hilbrich
Musikalische Leitung: Sasha Yankevych
Bremer Philharmoniker

Weitere Vorstellungen: 26., 31. Mai, 2., 12., 22. Juni 2024