Bremen: „Lazarus“

Premiere am 09.06.2018

Jeder Song ein Volltreffer

In dem Film „The Man Who Fell to Earth“ (1976) spielte David Bowie die Hauptrolle. Der Film handelt von dem Außerirdischen Thomas Newton, der eigentlich Wasser für seinen Heimatplaneten suchen will, sich dann aber in das Mädchen Mary-Lou verliebt, den Verlockungen des „American Way of Life“ erliegt und geschäftliche Karriere macht. Am Ende ist er aber desillusioniert und gescheitert.

Hier setzt das Musical ein, das 2015 kurz vor dem Tod von David Bowie in New York uraufgeführt wurde. Enda Walsh hat die Geschichte des Films weiterentwickelt. Newton verbringt seine Tage nur noch damit, Gin zu trinken und den Fernseher laufen zu lassen. Er wartet auf seinen Tod, da er nicht zu seinem Heimatplaneten zurückkehren kann. Die Handlung des Musicals und die auftretenden Personen finden eigentlich nur im Kopf von Thomas Newton statt.

Da gibt es Elly, eine Mischung aus Krankenschwester und Haushälterin, die sich äußerlich auch schon mal in seine verlorene Liebe Mary-Lou verwandelt, daneben gibt es die schillernde, zwielichtige Figur des Valentine, eine Art Mephisto, der mit seinem Messer wie Jack the Ripper herumfuchtelt und auch davon Gebrauch macht. Und es gibt „das Mädchen“ als Symbol für die Hoffnung. Sie will mit Newton eine Rakete für die Heimreise konstruieren und erweist sich als eine verständnisvolle Partnerin, die tiefe Einblicke in die Seele von Newton hat. Zwar löscht Valentine die an eine Tafel gekritzelten Raketenpläne wieder aus und ersticht das Mädchen – aber man weiß ja: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Am Ende senkt sich eine riesige Leiter auf die Bühne herab, auf der Newton den Heimweg antritt.

Die Regie von Tom Ryser versucht nicht, die Bestandteile der etwas abstrusen Handlung in einen logischen Ablauf zu bringen. Da helfen auch die deutsch gesprochenen Dialoge nicht viel. Aber er verbindet die siebzehn Songs von David Bowie zu einem abwechslungsreichen und bewegungsintensiven Pastiche.

Unterstützt wird er von der Choreographin Lillian Stillwell und von dem Ausstatter Stefan Rieckhoff. Newtons Bett steht im Zentrum, hinter einem Vorhang sind wiederholt bedrohliche Schattenspiele zu sehen. Ansonsten zeigt das Bühnenbild verschieden hohe Podeste, die mit Treppenstufen verbunden sind – wie ein Labyrinth durch eine verwirrte Seele.

Herzstück der Produktion sind die hinreißenden Songs von David Bowie, die in einer breiten Palette vertreten sind. Da gibt es traumhaft schöne Balladen, fetzige Rock-Songs und tanzbare Up-Tempo-Nummern. Sie stammen aus verschiedenen Alben, darunter aus „The Next Day“ („Love is Lost“, „Where Are We Now?“, „Dirty Boys“ und „Valentine’ Day“) und aus „Hunky Dory“ („Changes“ und „Life on Mars?“). Jeder Song ein Volltreffer! Das Quartett „Absolute Beginners“ ist dabei ein besonderer Höhepunkt. Die siebenköpfige Band (Keyboard und Klavier, Gitarre, Bass, Schlagzeug, Saxophon und Cello) leistet unter der Leitung von Yoel Gamzou Hervorragendes. Die Musiker sorgen für einen mal prallen, mal intimen Klang, der keine Wünsche offen lässt.

Das gilt auch für die gesanglichen Leistungen. Wie sich Martin Baum als Thomas Newton die Songs von David Bowie zueigen gemacht hat, ist schlicht bewundernswert. Einfach toll – Hut ab! Nerita Pokvytyté als „das Mädchen“ begeistert nicht nur mit der schönsten Stimme des Abends, sondern auch damit, wie sie ihren ausdrucksvollen Sopran an den Stil der Songs anschmiegen kann sowie mit einer geradezu akrobatischen Körperbeherrschung. Eindrucksvoll gestaltet Claudia Renner ihren Part der Elly. Insgesamt gut schlagen sich auch Alexander Angeletta (Valentine), Justus Ritter (Ben), Bastian Hagen (Zach), Siegfried W. Maschek (Michael) sowie Lotte Rudhart, Lucca Züchner und KaEun Kim (Teenage Girls).

Wolfgang Denker, 10.06.2018

Fotos von Jörg Landsberg