Bremen: „L’Italiana in Algeri“

Premiere am 12.06.2021

Gute Laune in der Abenddämmerung

Eigentlich sollte die zweiaktige Oper L’ Italiana in Algeri („Die Italienerin in Algier“) von Gioachino Rossini schon als Silvester-Premiere im Theater am Goetheplatz für gute Laune sorgen. Die Aufführung im Theater hat Corona bekanntlich verhindert, nicht aber die gute Laune, die die verspätete Premiere – jetzt im Theatergarten – bescherte. Der Theatergarten ist der Ort, an dem sich früher das Stadttheater befand, bevor es 1944 ausgebombt wurde.

Der Regisseur Josef Zschornack und die musikalische Leiterin Alice Meragaglia haben dazu eine eigene Fassung erarbeitet. Die eigentlich über zweistündige Oper wurde auf pausenlose 90 Minuten verkürzt, indem u. a. sämtliche Rezitative gestrichen wurden. Zudem wurden einige Retuschen im italienischen Text vorgenommen, weil man Begriffe wie „Muselman“ nicht stehen lassen wollte…

Überhaupt ist der Bezug zu Algerien hier völlig eliminiert.

Der Ort der Handlung wird beliebig und nicht mehr festgelegt. Mustafa ist hier kein Sultan sondern der Besitzer von einem Kiosk, der die Leute mit Getränken und Snacks versorgt. Hier geht es nicht mehr um ein orientalisches Märchen, sondern um die wechselseitigen Beziehungen der Charaktere, die ort- und zeitlos sind. Das ist Regisseur Josef Zschornack ganz gut gelungen. Und er setzt auch eigene Akzente: Elvira ist nicht die verstoßene Ehefrau, die am Ende zu ihrem Mann zurückkehrt und sich in ihr Schicksal fügt. Vielmehr gelingt es ihr, Mustafa den Kiosk abzuluchsen, dessen Besitzerin sie dann wird. Mustafa hat im wörtlichen Sinne die Pappnase auf.

Den Kiosk hat Bühnenbildnerin Carla Maria Ringleb farbenfroh und liebevoll ausgestattet, ebenso gefallen die Kostüme von Kristin Herrmann. Nur am Anfang treten die Solisten mit Masken auf, damit wir Corona nicht ganz vergessen.

Musikalisch war die Beschränkung der Bremer Philharmoniker auf ein nur elfköpfiges Ensemble schon ein kleiner Wermutstropfen. Da hätte man sich oft mehr Streicher und einen üppigeren Klang gewünscht. Aber Alice Meragaglia hat aus den Gegebenheiten das Beste gemacht. Wie sie die Musik mit rhythmisch sicherem Zugriff und mit ausgefeilten Akzenten umsetzte, verdient Bewunderung. Selbst das irrwitzige Finale des 1. Aktes wackelte an keiner Stelle.

Gesanglich standen vor allem Hyojong Kim als Lindoro und Nathalie Mittelbach als Isabella für das hohe Niveau der Aufführung. Mittelbach hatte gleich bei ihrem effektvollen Auftritt mit „Cruda sorte“ einen fulminanten Einstand. Sie ließ ihren beweglichen, ausdrucksvollen Mezzo in allen Lagen funkeln und spielte gekonnt mit den dunklen Farben des Brustregisters. Kim setzte mit seinem lyrischen Tenor von ausgesprochen schönem Timbre die Liebessehnsucht des Lindoro in strömenden Klang um. Nicht nur sein tragfähiges Piano sorgte für bezaubernde Momente.

Auch Stephen Clark erfüllte mit Bühnenpräsenz und viel Spielfreude die Partie des Mustafa sehr ansprechend. Sein schlanker Bass zeichnet sich durch Agilität und markanten Klang aus. Mustafas Ehefrau Elvira fand in María Martín Gonzáles eine persönlichkeitsstarke Interpretin mit leuchtenden Spitzentönen. Mariam Murgulia als Zulma, Diego Savini als Matteo und Alberto Gallo als Haly rundeten die Ensembleleistung ab.

Wolfgang Denker, 13.06.2021

Fotos von Jörg Landsberg