Premiere am 5. Oktober 2017
Den alten Spruch „nicht kleckern sondern klotzen“ wählte Heribert Germeshausen wohl als Motto für den Beginn seiner Intendanz am Opernhaus Dortmund. Am Freitag war im Opernhaus Premiere von Giuseppe Verdi`s „Aida“, am folgenden Samstag nachmittags in der Stadt ein „Musicircus“ nach John Cage, am Samstag abends dann im Opernhaus Konzert „Barock bis Broadway“ mit anschliessendem Feuerwerk. Terminlich nicht vereinbart aber passend zum Musik-Wochenende fand im Konzerthaus am Sonntag morgens die erste „Mozart-Matinée“ der Mozart-Gesellschaft Dortmund mit den „Heidelberger Sinfonikern“ statt. Abends beschloß dann die Premiere „Barbiere di Sivigla“ im Opernhaus den musikalischen Reigen.
Gleich bei Beginn der Aufführung von G. Verdi’s Aida auf den Text von A. Ghislanzoni erwies uns Regisseur Jacopo Spirei eine lang vermißte Wohltat, beim Vorspiel blieb der Vorhang geschlossen. So konnten die Besucher sich ungestört daran erfreuen, wie die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Gabriel Feltz vom pp quasi aus dem Nichts die geteilten und sordinierten Geigen erklingen liessen, gefolgt vom kleinen Fugato der Celli, um dann zur grossen Steigerung und zum wieder abklingen fortzufahren.
Die Handlung begann dann in einem Konferenzzimmer, (Bühne Nikolaus Webern), wechselte für den zweiten Akt für die Damen zu einer Art Cocktail-Lounge, in der sie ziemlich überflüssig mit Sklaven schon einmal ihr gesungenes „vieni, amor mio“ (komm Geliebert) ausprobierten Zum Triumph dehnte sich diese „Lounge“ zu einem grossen pyramidenähnlichen Raum aus Dieser war mit Spiegeln versehen, in der sich die dekadente Hofgesellschaft in Kostümen zwischen früher und heute, etwa Soldaten mit MG`s, aber auch Kleider des 19, Jahrhunderts, (Kostüme Sarah Rolke) selbst bewundern konnte. Passend dazu wurde der König (Il Re) übertrieben als dekadenter Dandy in goldenem Glitzeranzug dargestellt, ganz im Gegensatz zu seinem ernsten und von Denis Velev mit würdevollem Bass gesungenen Ansprachen. Äthioper waren an orangefarbenen Kostümen zu erkennen.
Im Nil-Akt wurden Wellenbewegungen an die Rückwand projeziert (Licht Florian Franzen), das hätte genügt. Zusätzlich floß ein „Nilchen“ über die Bühne, in dem die Darsteller planschen mußten. Dies erregte bei manchen Zuschauern Heiterkeit – ganz gegensätzlich und gefährlich für die Darstellung der grossen Dramatik der Handlung. Im „unterirdischen Gewölbe“ des vierten Aktes stand das Liebespaar auf einem durch herabgelassenen Plexiglasscheiben immer enger werdenden Viereck, in dem sie dann auf ihr Ende warteten – dies ein durchaus eindrucksvolles Bild.
In diesem Rahmen agierten die Sänger anscheinend weitgehend ohne Führung durch die Regie, wodurch sie sich auf den Gesang konzentrieren konnten
Von ihnen begeisterten am meisten die Darsteller der weniger sympathischen Partien. Das galt für Hyona Kim als Amneris. Trotz recht unvorteilhafter Kostümierung gestaltete sie gesanglich makellos im ersten und zweiten Akt Eifersucht und Heuchelei. Ganz eindringlich sang sie im vierten Akt kantables Legato bis hin zu perfekt getroffenen Spitzentönen über die verschmähte Liebe zu Radamès und Verzweiflung in der Gerichtsszene gegen die Priester (diese teils entfernt ägyptisch teils entfernt christlich gekleidet)
In der Rolle des Amonasro bedrängte Mandla Mndebele nicht nur mit mächtiger Stimme seine Tochter Aida,, ihre Liebe zu Radamès politisch auszunutzen, sondern konnte ihr auch ganz zurückgenommen (cantabile dolcissimo) Liebe zu Vater und Vaterland nahebringen
Wohl für die eigentlich vorgesehene Sängerin der Titelpartie eingesprungen überzeugte Elena O’Connor als Aida. Gelungen stellte sie stimmlich den Zwiespalt zwischen Liebe zum Geliebten und zum Vaterland in der grossen A“Ritorna vincitor“dar, insbesondere in den kantablen p-Stellen Das galt auch für das „o patria mia“ über ihre Liebe zum Vaterland im Nil-Akt, allerdings ohne die Stelle mit dem hohen C. Aber auch mit den tiefen Tönen ihrer vom Tonumfang grossen Partie hatte sie Schweirigkieten. Dafür klangen ihre pp „mai piu“ (niemals) Seufzer eindringlich.
Als ihr geliebter Radamès hatte Hector Sandoval für die Rolle das passende stimmliche Format, beim „Celeste Aida“ im ersten Akt klang die Stimme bei den p – Höhen etwas kehlig und ohne passendes Timbre – er mußte sich wohl erst freisingen, wie das Duett im dritten und vor allem das eindringliche Schlußduett mit Aida im vierten Akt bis zum verklingenden pp zeigte- wohl ein Höhepunkt des Abends.
Shavleg Armasi sang wie ein katholischer Geistlicher gekleidet mit mächtiger Stimme den Oberpriester Ramfis, bei den ganz tiefen Tönen der tiefen Partie schien er sich etwas schwer zu tun. Fritz Steinbacher als Bote und die koloraturensichere Natasche Valentin als Oberpriesterin ergänzten passend das Ensemble.
In der Triumphszene glänzte der Opernchor, teils auch tanzend, rhythmisch prägnant, als Priester im ersten Akt sang er exakt auch ohne Orchesterbegleitung (Einstudierung Fabio Mancini)
Nach dem gelungenen Vorspiel ließ Gabriel Feltz auch weiterhin Raum für musikalische Ruhepunkte, Bei den Massenszenen ließ er es dann richtig krachen, auch sonst klang das Orchester manchmal etwas laut für die Sänger. Beim Triumphmarsch steigerte er zum Ende das Tempo derart, daß daraus fast ein Geschwindmarsch wurde. Allerdings kam es wohl auch dadurch zu Unstimmigkeiten zwischen Bühne und Orchester, für jedermann am meisten hörbar beim Einsatz der „Aida-Trompeten“ aus dem Foyer.
Wie immer zeigte sich die Qualität des Orchesters bei Soli einzelner Instrumente, als Beispiele seien etwa genannt die stimmungsvollen Flöten Oboen und Klarinetten im dritten Akt.
Das Publikum im ausverkauften Haus applaudierte herzlich, langanhaltend mit Bravos, auch ,wie , inzwischen wohl üblich, stehend Natürlich galt dies vor allem den Hauptpersonen. Beifall gab es vielleicht auch auch aus Freude darüber, daß nicht wie früher am Ende blutige Köpfe den Beifall entgegennahmen. . Die nicht sehr starken Buhrufe beim Auftritt des Leitungsteams kamen vielleicht von Besuchern, die diese blutigen Köpfe vermißten.
Sigi Brockmann 8. Oktober 2018
Copyright: Björn Hickmann/ Theater Dortmund