Freiburg: „Der Liebestrank“

Das Theater Freiburg feiert eine umjubelte Premiere von Gaëtano Donizettis berühmter Buffo-Oper „L’elisir d’amore“. Ein wenig irritierend wirkt die Ankündigung des Werks mit dem deutschen Titel „Der Liebestrank“, obschon das Bühnenstück – zum Glück –italienisch gegeben wird, gelangt doch die kongeniale Verschränkung von Text und Musik nur in der Originalsprache zur vollen Blüte.

Wesentlich zum Erfolg des Abends beigetragen hat die skurril-surreale Inszenierung von Alexander Schulin. Er lässt das Stück nicht auf einem idyllischen Bauernhof spielen, wo es Donizetti und dessen Librettist Felice Romani angelegt hatten,sondern in einer urbanen, sterilen Zahnradfabrik. Die an Hängern schwebenden Ausführungen verschiedenster sich drehender Zahnräder lassen Assoziationen zu Charlie Chaplins legendärem Film „Modern Times“ zu. Die Aktualisierung des Stoffes ist im Grossen und Ganzen schlüssig, handelt doch Donizettis Oper von den zeitlosen Themen Geld und Liebe. Nur vereinzelt ergeben sich – für den Handlungsbogen allerdings unbedeutend – Ungereimtheiten mit dem Text.

Der pastorale Eröffnungschor kann hierfür Pate stehen: Der Opernchor des Theater Freiburg singt, dass das Laub der Buchen ihn vor der Hitze und Schwüle beschützen würde. Dies macht natürlich nur Sinn, wenn der Chor Landarbeiter repräsentiert, die tagsüber den Sonnenstrahlen ausgesetzt sind. Die Fabrikarbeiterinnen und -arbeiter bei Schulin müssen eher die Wärme der Sonne als Erholung denn den Schatten der Bäume suchen, da sie den ganzen Tag am Förderband in der Fabrik verbringen und Zahnräder auf irgendwelche Defekte prüfen müssen.

Bei Schulin ist Nemorino ein Raumpfleger mit blauem Putzkittel, weissem Strickpullover und beigen Hosen. Seine angebetete Adina, die jedoch seine Liebe nicht erwidert, ist eine Art Aufseherin in der Fabrik. Kim-Lillian Strebel als Adina wirkt im ersten Akt noch ein wenig blass in der Figurenführung, kann jedoch nach der Pause eine bedeutende Steigerung verzeichnen. Ihre wunderschöne, reine und klare Sopranstimme vermag sie im zweiten Akt geschickter und facettenreicher einzusetzen und schleudert sogar ein paar Spitzentöne des Belcanto-Meisters Donizetti regelrecht in den Zuschauerraum. Das macht Spass!

Die Auftritte der beiden von der Commedia dell’ arte inspirierten Figuren des Belcore und des Dulcamara wirbeln den monotonen und kalten Alltag der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Fabrik auf. Belcore, der der festen Überzeugung ist, dass er alle Frauenherzen im Nu höher schlagen lässt, umwirbt Adina mit seinem prahlerischen Machogehabe. Die Rolle wird herrlich interpretiert von Alejandro Lárraga Schleske mit dessen sorgfältig geführter tenoraler Baritonstimme. Andrei Yvan zeichnet den verkaufstüchtigen Dulcamara als skurril-schrillen Buffobass. Er erinnert an Johnny Depp als Willy Wonka in Roald Dahls Verfilmung von „Charlie und die Schokoladenfabrik“ von Tim Burton. Bettina Meyer, die für Kostüme und Bühnenbild verantwortlich zeigt, schneidert ihm einen weiss-roten Ganzkörperanzug, der zwischen Arlecchino und Superman angelegt ist. Das Kostüm wird ergänzt durcheinen langen Pelzmantel, einen schwarzen Zylinder, weisse Handschuhe, Cowboystiefel und eine grosse, weisse Sonnenbrille. Dulcamaras Zauber-Liebestrank, der eigentlich nichts anderes als Rotwein ist, lockert Nemorinos Gemüt und führt ihn schliesslich in die Arme seiner geliebten Adina.

Dem Regisseur gelingt es, zwischen den von Donizetti und Felice Romani angelegten komischen und rührenden Momenten zu changieren. Die Inszenierung ist durchdrungen von zahlreichen Slapstick-Nummern, schreckt aber nicht davor zurück, insbesondere im zweiten Akt nach der Stückpause, intime, melancholische Momente aufblitzen zu lassen. Nemorinos „Una furtiva lagrima“, eine der wohl bekanntesten Arien des Belcanto, gerinnt zu einem solchen Augenblick.

Nutthaporn Thammathi hat die Arie komplett verinnerlicht. Er singt sie emotional und schlicht– glücklicherweise ohne überflüssige Tenorgesten– an Ort und Stelle und dies notabene nachdem Nemorino zwei Flaschen Rotwein getrunken hat; so etwas kann eben nur in der Oper geschehen.Die Musik allein trägt die Gefühle und kannden ganzen Theaterraum füllen. Leider kommt Thammathi in den mehrstimmigen Nummern nicht gegen seine Sängerkollegen an. Er singt oft zu leise und wird deshalb von den Partnern übertönt.

Der in Freiburg oft gesehene Gastdirigent Gerhard Markson gestaltet „Una furtiva lagrima“ sehr transparent und differenziert. Man hätte sich gewünscht, dass er das Philharmonische Orchester Freiburg auch in den anderen kantablen Teilen zugunsten der Sängerinnen und Sänger mehr zurückgenommen hätte. Das Philharmonische Orchester hat ansonsten bis auf ein paar Unreinheiten in den Blechbläsern durchwegs überzeugt und kann vor allem in den rasanten Stretta-Passagen und Finali auftrumpfen.

Fazit: Das Theater Freiburg fährt mit einer schrillen Inszenierung auf, die unterhaltend und hörenswert ist. Letzteres schon allein deswegen, weil Donizettis Meisterwerk eine ungeheure Vielfalt an wunderschönen, eingängigen Melodien bietet!

Besonderer Dank an MERKER-online (Wien)