Utopisches Happyend
Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie einen „Die Zauberflöte“ in seinen Bann zu schlagen vermag, auch wenn man die Märchenoper schon x-mal gesehen hat. Es liegt neben der genialen Musik Mozarts wohl an der gelungenen Mischung der humanistischen Ideale mit der kreatürlichen Menschlichkeit der Hanswurst-Ebene. Diese Faszination tritt allerdings nur ein, wenn die Inszenierung stimmt – und das kann man Regisseur Volker Vogel und seinem Ausstatter Norbert Bellen ohne weiteres bescheinigen. Da wurde nichts verfremdet oder gar in konkrete Zeiten verlegt; die Geschichte vom Liebespaar, dem so manche Prüfungen auferlegt sind (die gibt es im richtigen Leben ja schließlich auch), wurde wie ein Märchen erzählt, so wie es sich die Autoren gedacht hatten. Hier kam sogar noch etwas hinzu: Am Schluss gab es die Aussöhnung aller einschließlich der Königin der Nacht, ihrer drei Damen und Monostatos, die in den Schlusschor mit einstimmen – eine freundliche Utopie.
Das praktikable Bühnenbild ermöglichte schnelle Wechsel vom märchenhaften Zauberwald zur durch ein paar Säulen und Palmen angedeuteten Welt der „Eingeweihten“ und zurück. Dass die Welt Sarastros vom Gedankengut der Freimaurer geprägt ist, wurde sinnfällig dadurch angedeutet, dass die Herren zu ihren Versammlungen typische Freimaurer-Schürzen trugen. Überraschend war der Anfang der Oper, wenn der Prinz gleich von mehreren Schlangen verfolgt wird, die sich als die drei Damen herausstellten, die mit schlangenhaften Handschuhen und Kopfmasken kostümiert waren. Ebenso merkwürdig wirkten drei Fabelwesen, die sich im Zeitlupentempo zur Flöten-Arie Taminos bewegten. Schließlich hat sich mir nicht recht erschlossen, warum Tamino einige Federn an seiner Anzugjacke trug – dem Vogelmenschen entwachsen? Sei’s drum – es muss einem ja nicht alles gefallen. Dass Papageno und Papagena vielleicht doch keine Menschen, sondern Vögel sind, wurde von der Regie besonders ausgespielt, indem sie als Alte verkleidet einen ziemlich grässlichen Vogelkopf trug und später eine Reihe großer Eier erfolgreich ausbrütete – ein gelungener Gag. Weiteren Szenenapplaus erhielten Monostatos sowie die Herren von Chor und Extrachor für ihre urkomischen tänzerischen Bemühungen zu „Das klinget so herrlich, das klinget so schön…“
Am Pult des aufmerksamen, nicht durchweg intonationsreinen Orchesters stand wieder der erfahrene Werner Seitzer, der ein ausgesprochen feines Gespür für die richtigen Tempi hatte. Von den zahlreichen Sängerinnen und Sängern soll zuerst Martina Nawrath als Königin der Nacht genannt werden. Bereits deren erster Auftritt entsprach mit den großen nachtblauen Schärpen und der überdimensionalen Mondsichel im Hintergrund dem märchenhaften Grundduktus der Inszenierung. Wie die Koloratursopranistin den lyrischen Teil von „O, zittre nicht, mein lieber Sohn“ einfühlsam zu gestalten wusste, hatte bereits hohes Niveau, das sich im wunderbar sauber gesungenen Koloraturteil und in der Rache-Arie sogar noch steigerte. Ihr stand Daniel Eggert als jugendlicher, aber dennoch würdevoller Sarastro in nichts nach; er führte seinen gepflegten, sonoren Bass sicher durch alle Lagen.
Antonia Radneva (Pamina) wusste mit ihrem schlanken Sopran durchweg zu gefallen. Die todtraurige Arie „Ach, ich fühl’s“ gestaltete sie anrührend; dabei wurde Paminas Leiden überdeutlich, als sie zu der Frage „Fühlst du nicht der Liebe Sehnen?“ Tamino direkt durchschüttelte. Konstantinos Klironomos überzeugte durch glaubwürdige Darstellung des edlen Märchenprinzen. Sein in der Mittellage kraftvoll-männlicher Tenor knödelte im forte allzu sehr; die Höhen mussten zu sehr erkämpft werden und blieben ohne Strahlkraft. Ein sehr munterer Papageno war Peter Kubik, der das Publikum mit seinem lebhaften Spiel schnell auf seine Seite zog, wozu auch sein runder, manchmal geradezu samtiger Bariton beitrug. Seine entzückende Papagena war stimmschön Julia Bachmann.
Dass Monostatos „77 Sohlenstreich‘“ erhalten hat, spielte Jan Kristof Schliep jammernd aus; sein charakteristischer Tenor passte gut zur Rolle. Stimmlich etwas unausgeglichen präsentierten sich die drei Damen Mareike Bielenberg, Neele Kramer und Christina Baader. Wieder einmal reichlich undifferenziert sang Levente György den Sprecher, während Daniel Käsmann und Uwe Tobias Hieronimi die kleineren Rollen der Priester ohne Fehl erledigten. Von den beiden Geharnischten Manuel Oswald und Piet Bruninx drängte sich letzterer stimmlich allzu sehr in den Vordergrund. Schön, dass die drei Knaben nicht von Sängerinnen, sondern erstaunlich sauber von Mitgliedern des Knabenchores Hildesheim und des Kinderchors des TfN gesungen wurden. Schließlich seien noch Chor und Extrachor genannt, die in der Einstudierung von Achim Falkenhausen ihre Aufgaben klangausgewogen („O Isis und Osiris“) und stimmkräftig erfüllten.
Das Premierenpublikum war zu Recht begeistert und zeigte dies durch lang anhaltenden, sich teilweise zu Ovationen steigernden Applaus.
Gerhard Eckels 14.09.2014
Fotos: Jochen Quast
Weitere Vorstellungen: 20.09.,3.+22.10.,12.,19.+25.12.2014