Premiere am 1. Februar 2020
Aus einem Guss
Elisabeth Köstner/Charlotte Katzer/Lucille-Mareen Mayr/Sandra Pangl
Craig Simmons‘ Einstudierung des polit-satirischen Mel-Brooks-Musicals in der Originalregie und -choreographie von Susan Stroman zündete in Hildesheim wie eine Rakete! Vom ersten Ton an zog die flotte Musik, die Achim Falkenhausen aus dem Orchester des TfN mit sicherem Gespür für den Broadway-Sound herausholte, in Verbindung mit vielseitiger Choreographie und phantastischen darstellerischen Leistungen des gesamten Ensembles (einschließlich des Opernchores) die Zuschauer in ihren Bann.
Dieses Stück, hier in der deutschen Fassung von Nina Schneider, zieht sich durch das ganze Leben des Komikers, Schauspielers und Regisseurs Mel Brooks, der als amerikanischer Soldat deutsch-russischer Abstammung von 1944 bis 1946 in Deutschland stationiert war. Sein erster Film, in dem er viele eigene Erlebnisse verarbeitete, entstand 1968 unter dem Titel The Producers, da man damals Frühling für Hitler für nicht passend hielt. Aber erst gut dreißig Jahre später entschied er sich, aus dem Stoff ein Musical zu machen. Hier bot sich die Gelegenheit für Brooks, sich auch als Komponist und Librettist zu beweisen. Nur zwei Titel übernahm er aus dem Film (Frühling für Hitler und Knackis mit Herz), schrieb 16 neue Songs, veränderte Anfang und Ende sowie einige andere Szenen. Die Premiere am 19.April 2001 war ein Bombenerfolg, der sechs Jahre andauerte und noch im ersten Jahr mit 12 Tony Awards ausgezeichnet wurde. Auf diesem Musical basiert die erneute Verfilmung von 2005.
Lisa-Maria Hörl/Alexander Prosek/Gerald Michel
Zum Inhalt: Produzent Max Bialystock steht nach einem weiteren Flop vor finanziellem Ruin. Er wittert Morgenluft, als sein Buchprüfer Leo Bloom nebenbei bemerkt, dass man mit einem richtig guten Flop eventuell mehr Geld verdienen könnte als mit einem Erfolg. Gemeinsam wollen sie nun dies Ziel erreichen und suchen nach Geldgebern, möglichst schlechtem Stück (Franz Liebkind), Regisseur (Roger de Bries) und Schauspielern. Der Weg dahin bietet reichlich Gelegenheit für urkomische, aber auch deftige Nummern. Letztlich stellen sich jedoch anstelle des erhofften Flops und Lebensabends in Rio noch kurzfristig Hindernisse in den Weg, die sich zwar überwinden lassen, aber dummerweise zu einem Riesenerfolg führen.
Hannes Neumaier (Ausstattung) sorgte mit schlichten Bühnenbildern dafür, dass die Story in hohem Tempo ablaufen konnte; mit Sofa, Tisch und Dachschräge wurde das Produktionsbüro gekennzeichnet, einfache Rollpulte für die Buchprüfer oder die Gerichtsszene reichten völlig aus. Etwas aufwendiger war die Empfangshalle des „Starregisseurs“ Roger gestaltet. Indem einige Übergänge vor dem Vorhang gespielt wurden, ergaben sich so keine Pausen und die Spannung wurde durchgehalten.
Gerald Michel/Alexander Prosek/Jens Krause/Nicolo Soller
Von den Akteuren ist zuallererst Alexander Prosek zu nennen, der den stets zwischen Euphorie (Max Bialysstock gibt niemals auf) und Untergangsstimmung (Verrat) schwankenden Max hervorragend darstellte. Wie er zur Aufbesserung seines Budgets die mit Schecks wedelnden alten Damen beglückte, oder alle, die eigentlich nicht wollen, irgendwie durch eindringliche Reden für seine Ziele überzeugte und einspannte, das hatte großes Format. Das gilt auch für Gerald Michel als Leo, der in seinem erbärmlichen Buchprüferleben heimlich davon träumt, einmal ein Producer zu sein; dabei kann dieser noch nicht mal auf das Schmusetuch seiner Kindheit verzichten! Michel spielte all diese Nuancen gut aus. Mit den entscheidenden Gemeinsam und Warum ging’s nicht schief seien nur zwei von sechs wunderbaren gemeinsamen Songs erwähnt. Als naive Blondine Ulla (schwedische Schauspielerin) im Marilyn-Monroe-Look, die Max und Leo zunächst nur sprachlos anstarrten, machte Lisa Maria Hörl beste Figur (Was du hast, das zeig‘ auch“); ihre Malaktion zur Büroverschönerung mit dem Versuch, Leo zu verführen war urkomisch (Charme). Als schlechtester Librettist und Ex-Nazi Franz Liebkind chargierte Johannes Osenberg mit Im alten Bayernland; seine weißen, mittanzenden Tauben im Käfig beherrschten sogar den Hitlergruß. Einen Höhepunkt setzte Jens Krause als exaltierter, tuntiger Regisseur Roger de Bries, der zunächst mit Abendkleid und High-Heels Furore machte (Mach es warm), später als kurzfristig eingesprungener Hitler-Darsteller („Heil mir selbst“). Als Rogers Produktionsassistent „Carmen“ erwies sich Nicolo Soller als ideale Besetzung.
Und so könnte man die große Besetzung weiter auflisten, aber nicht hoch genug zu loben ist die gesamte Ensemble-Leistung mit ihren tollen choreographischen Einlagen (Bart de Clercq), wie z.B. gleich die Eröffnung mit Es ist soweit von den flotten Platzanweiserinnen (Charlotte Katzer, Elisabeth Köstner, Lucille-Mareen Mayr, Sandra Pangl), die Step-Nummer der Nazis, der „Tanz“ der alten Damen mit festen Gehhilfen (Aber dann kam Bialy) oder das Casting für das geplante Stück. Da gab es keine Ausfälle oder Längen, alles wirkte wie aus einem Guss.
Dementsprechend reagierte das enthusiasmierte Publikum zum Schluss mit spontanen standing ovations.
Hingehen – Anschauen!
Fotos: © Ludwig Olah
Marion Eckels 02.02.2020
Weitere Vorstellungen in Hildesheim: 3., 24.2., 2.3., 25.4., 1.5., 1.7. und an anderen Spielorten