Hagen: „Don Giovanni“, Wolfgang Amadeus Mozart

 © Jörg Landsberg

Als Sängerin ist Angela Denoke berühmt geworden. Seit 2021 inszeniert sie auch, so „Katja Kabanova“ in Ulm oder „Salome“ in Innsbruck. Da stellt sich natürlich die Frage, ob hier eine zweite Brigitte Fassbaender heranwächst? Ihre erste Inszenierung in NRW ist Mozarts „Don Giovanni“ am kleinen Hagener Theater, der bereits im Mai 2023 Premiere hatte.

Die besuchte Vorstellung ist ein Gastspiel im gemütlichen Teo-Otto-Theater in Remscheid. Die Qualität der Inszenierung ist aber nur schwer zu beurteilen, denn Angela Denokes Regie und das Bühnenbild von Okarina Peter und Timo Dentler sind für die Hagener Drehbühne entworfen. In Remscheid wird aber ohne Drehbühne gespielt. Die verschiedenen Perspektiven auf das Bühnenbild, die man auf den Fotos im Programmheft und auf der Homepage des Theaters findet, fehlen hier.

Zu sehen ist das demolierte Auto von Giovanni und Leporello, das an einer Landstraße gegen einen Baum geknallt ist. Hier ergibt sich das erste Problem dieser Produktion. Man kann das Bühnengeschehen so verstehen, dass sich Giovanni nach dem Unfall im Koma befindet und sich an seine Liebschaften erinnert. Dann stellt sich aber die Frage, warum bei diesem Komatraum das Bühnenbild nie wechselt? Falls dieses Geschehen an der Landstraße Realität sein soll, fragt man sich, wieso sich diese ganzen Leute an der einsamen Landstraße tummeln und warum Giovanni keinen Rettungswagen oder den ADAC ruft und warum während der ganzen dreistündigen Aufführung kein anderer PKW vorbeifährt?

 © Jörg Landsberg

Im Programmheft findet sich ein kluges Interview mit Angela Denoke über die Beziehungen der Figuren, das man auf der Bühne aber kaum umgesetzt sieht. (Vielleicht liegt dies ja an der fehlenden Drehbühne.) Letztlich ist die Personenführung gut gearbeitet, die Inszenierung könnte aber genauso gut in den verwinkelten Gassen Sevillas, der Lobby eines Hotels oder einer Weltraumstation spielen.

Insu Hwang singt den Don Giovanni mit kernigem und vollem Bariton. Er und Leporello kommen daher wie Konzernchef und Assistent. An diesem Abend spielt der indisponierte Benjamin Pop den Leporello, während Oliver Weidinger die Partie gewitzt von der Seite singt. Die Verwechslungsgeschichte im 2. Akt, bei der beide ihr blaues beziehungsweise schwarze Jackett wechseln, wirkt bei der vollen Beleuchtung, mit der diese Szenen über die Bühne gehen, unglaubwürdig. Überraschender Weise gehen beide meist gemeinsam auf Frauenjagd, wobei sich sowohl Anna wie Elvira den anbahnenden Dreier gefallen lassen.

 © Jörg Landsberg

Sopranistin Netta Or kommt als Donna Anna als schickes Glamour-Girl daher. Sie singt ihre Rolle mit jugendlich-glockigem Sopran, in ihren Rache-Arien dreht sie aber auch dramatisch auf. Ihr zur Seite steht als Ottavio Anton Kuzenok, der aussieht ist wie ein braver Uni-Dozent, seine Partie aber mit sehr schönem und farbenreichem Tenor singt.

In der Rolle der Elvira springt Ezgi Kutlu ein. Man kennt die Sängerin vor allem als Barock-Mezzo, weshalb die Besetzung überrascht. Trotzdem singt Kutlu die Sopranpartie intelligent und bietet eine ungewöhnliche Sicht auf die Rolle. Quirlig und selbstbewusst verkörpert Nayun Lea Kim die Zerlina. Profund wuchtig ist der Bass von Dong-Won Seo als Komtur, während die Stimme von Kenneth Mattice als Masetto eng und belegt wirkt.

Wie bei Opern-und Ballettgastspielen in Remscheid und Solingen üblich sitzen die Bergischen Symphoniker im Orchestergraben. Am Pult steht aber der Hagener GMD Joseph Trafton. Der Orchesterklang ist leicht und durchsichtig, was gut zum kleinen Saal des Remscheider Theaters passt.

Ab 12. Oktober ist der „Don Giovanni“ für sechs weitere Vorstellungen im Theater Hagen zu sehen, dann wieder mit Drehbühne.

Rudolf Hermes, 20. September 2023


Wolfgang Amadeus Mozart: Don Giovanni

Theater Hagen

Premiere: 6. Mai 2023
Besuchte Vorstellung: 14. September 2023
(Gastspiel in Remscheid)

Regie: Angela Denoke
Musikalische Leitung: Joseph Trafton
Bergische Symphoniker