Hagen: „The Producers“, Mel Brooks

Am 4. März 2023 fand im Theater Hagen die Premiere des Musicals „The Producers“ statt. Lassen Sie mich in Anlehnung an den verehrten Kollegen Jochen Rüth, daher ausnahmsweise wie folgt beginnen: „Lieber Opernfreund-Freund, wenn Sie mit dem Gedanken spielen, sich bis zur Sommerpause noch genau ein Musical anschauen zu wollen, dann fahren Sie nach Hagen.“ Basierend auf dem gleichnamigen Film, der 1969 mit einem Oscar für „Best Writing, Story and Screenplay“ ausgezeichnet wurde, entwickelte Mel Brooks in den Jahren 1998 bis 2001 ein Musical, welches am 19. April 2001 seine Uraufführung am New Yorker Broadway feierte. Hierzu steuerte er selber die Musik und die Gesangstexte bei. Im Jahr der Premiere gewann „The Producers“ zwölf Tony-Awards bei Nominierungen in fünfzehn verschiedenen Kategorien. Damit löste es „Hello, Dolly!“ als das Musical ab, welches über mehrere Jahrzehnte die Liste der meisten Tony Awards für ein Stück anführte. Trotz einer weiteren Verfilmung des Musicals, ist „The Producers“ hierzulande vergleichsweise  selten auf den Spielplänen zu finden. Die deutschsprachige Erstaufführung fand im Juni 2008 im Wiener Ronacher statt, 2009 war diese Produktion dann im Berliner Admiralspalast zu sehen.  Ansonsten war „The Producers“ in den letzten Jahren an weniger als 10 Theatern hierzulande zu sehen, was vielleicht auch mit der etwas eigenwilligen Handlung zu tun hat.

(c) Björn Hickmann

Wir schreiben das Jahr 1959. Max Bialystock, einst ein gefeierter und gefragter Broadway-Produzent, landet mit seinem neusten Werk „Funny Boy“ einen absoluten Misserfolg. Zuschauer und Kritiker sind gleichermaßen entsetzt und nun kommt auch noch der Buchprüfer Leo Bloom in seinem Büro vorbei, um sich die Buchführungsunterlagen etwas genauer anzuschauen. Hierbei stellt Leo fest, dass es unter Umständen möglich wäre, mit einem Flop mehr Geld zu verdienen als mit einem Erfolg. Schließlich müsste man von dem Geld, was man zuvor bei den Investoren eingesammelt hat, nur einen Bruchteil ausgeben. Max ist von dieser Idee sofort angetan und möchte zusammen mit Leo das schlechteste Broadway-Musical aller Zeiten produzieren und sich dann mit den restlichen Millionen nach Rio abzusetzen. Leo ist zwar in seinem grauen Berufsalltag nicht glücklich und träumt seit langem von einer Karriere als Produzent, hat allerdings Gewissensbisse und möchte auch nicht im Gefängnis landen, wenn der Plan nicht aufgehen sollte. Schließlich stimmt er aber doch zu und die beiden machen sich auf die Suche nach dem schlechtesten Musical-Skript. Fündig werden sie bei „Frühling für Hitler“, vom taubenzüchtenden Alt-Nazi Franz Liebkind, nach wie vor ein glühender Verehrer von Adolf Hitler. Nachdem man auch noch den unfähigen und überaus affektierten Regisseur Roger De Bris verpflichten konnte, steht dem potentiellen Flop eigentlich nichts mehr im Wege. Doch kurz vor der Premiere bricht sich Liebkind das Bein und kann nicht wie vorgesehen die Titelrolle des Hitlers übernehmen. De Bris muss einspringen und sorgt durch seine eigenwillige Interpretation des „Führers“ für einen Überraschungserfolg. Alle Zuschauer sind begeistert, da sie davon ausgehen, dass diese satirische Darstellung genau so gewollt war.

(c) Björn Hickmann

Nach wie vor stellt sich in Deutschland immer wieder die Frage, ob man sich in einer bitterbösen Komödie voll von schwarzem Humor über die Schrecken des zweiten Weltkrieges lustig machen darf. Hierzu erwähnte Mel Brooks einmal, dass er sich niemals über Krieg, Unrecht und die Gräueltaten des Holocaust lustig machen würde, der Personenkult um Adolf Hitler allerdings schon aus der geschichtlichen Vorlage viele skurrile Züge tragen würde. Dem Inszenierungsteam rund um Regisseur  Thomas Weber-Schallauer gelingt es in Hagen bestens, genau dies auf die Bühne zu bringen und die nationalsozialistischen Sichtweisen ad absurdum zu führen. Hierbei gelingt auch der Spagat zwischen Komik und notwendiger Ernsthaftigkeit sehr gut, wobei an diesem Abend wirklich viel gelacht werden kann. Die bewussten Überzeichnung eines inzwischen aus der Zeit gefallenen Rollenbildes des Produzenten, der davon träumt den Show-Girls in den Hintern zu kneifen, bis sie vor Vergnügen quietschen, sorgt ebenfalls für beschwingte Unterhaltung ohne den erhobenen Zeigefinger. Ganz wunderbar ist auch das Bühnenbild von Sandra Linde, die vor der großen Aufgabe stand, die vielen verschiedenen Orte im Stück auf die Bühne des vergleichsweise kleinen Theaters in Hagen zu bringen. Dank der Drehbühne und dem Einsatz des Schnürboden erwartet den Zuschauer auch in diesem Punkt eine Produktion ohne größere Abstriche, bei der zudem viele Dinge zu entdecken sind. Allein die Tauben auf dem Dach, die allesamt mit Arm- bzw. in diesem Fall Flügelbinde ausgestattet sind und zur Verabschiedung den Flügel zum Gruß erheben sind einfach köstlich. Die Kostüme von Yvonne Forster sind der historischen Zeit angepasst, in den Shownummern sind sie gleichzeitig einer „Broadway-Produktion“ würdig. Choreograph Riccardo De Nigris sorgt mit den spielfreudigen Darstellern und dem Ballett Hagen für großes Musical-Feeling, während Steffen Müller-Gabriel mit den Philharmonischem Orchester Hagen für schwungvollen Broadway-Klang sorgt. Allgemein weiß „The Producers“ mit einer sehr schwungvollen Partitur im Stil der klassischen Broadway-Shows der 1950er Jahre zu überzeugen, die darüber hinaus immer wieder kleinere Anspielungen an andere Werke und Komponisten enthält. Auch Richard Wagner wird den Opernkenner an diesem Abend kurz musikalisch begegnen.

(c) Björn Hickmann

Überzeugen können auch alle Darsteller am Premierenabend. Ansgar Schäfer, der in Hagen zuletzt in der Rolle des Tevje in „Anatevka“ zu sehen war, gibt einen wunderbar gealterten Produzenten Max Bialystock, der zu Beginn durchaus nicht der Sympatieträger schlechhin ist, im Verlauf des Abends aber immer mehr Herz zeigt. Ihm zur Seite steht Alexander von Hugo als Leo Bloom, der nicht nur gesanglich sondern auch mit seinem Stepptanz überzeugt. Florian Soyka und Matthias Knaab begeistern die Zuschauer als herrlich überzeichnetes schwules Paar in Form des Regisseurs  Roger De Bris und seines Gehilfen Carmen Ghia. In der Rolle der Schwedin Ulla zeigt Emma Kate Nelson viel komödiantisches Talent und kann auch in ihren kleineren musikalischen Partien überzeugen. Richard von Gemert  gibt den Alt-Nazi Franz Liebkind ebenfalls herzlich überzeichnet. Sehr schön hierbei auch wie er den zu Beginn noch unbekannten Produzenten erst mal nur mit einem vorsichtigen „Heil, ihr wisst schon wem“ begegnet, bevor er dann mächtig aufdreht. Hinzu kommt ein achtköpfiges Ensemble, der Chor des Theaters Hagen und das Ballett Hagen, die auch im Hinblick auf die Darsteller für eine volle Bühne sorgen. Am Ende des Abends steht ein fast 10minütiger Beifallssturm für die Darsteller und das Kreativteam. Hier ist dem kleinen Theater Hagen eine ganz große Musical-Produktion gelungen, für die sich eine Reise nach Hagen lohnt.

Markus Lamers, 6. März 2023


The Producers

Musical von Mel Brooks

Besuchte Premiere: 4. März 2023

Inszenierung: Thomas Weber-Schallauer

Choreographie: Riccardo De Nigis

Musikalische Leitung: Steffen Müller-Gabriel

Philharmonisches Orchester Hagen