Seit einigen Jahren zeigt das Theater Krefeld-Mönchengladbach im Rahmen seiner „On stage“-Produktionen recht selten gespielte Werke des Musiktheaters und hierbei hat man in der Vergangenheit schon die ein oder andere Perle ausgegraben. In dieser Spielzeit steht mit der Operette Passionnément von André Messager sogar eine deutschsprachige Erstaufführung auf dem Spielplan, die teilweise auch als musikalische Komödie bezeichnet wird. Entstanden ist das Werk um 1925, die Uraufführung fand am 16. Januar 1926 im Théatre de la Michodière in Paris statt. Das Libretto von Maurice Hennequin und Albert Willemetz wurde von Ulrich Proschka komplett ins Deutsche übersetzt, gleichzeitig übernahm Proschka die Regie dieser besonderen Theateraufführung. Besonders deshalb, weil die Zuschauer auf einer Tribüne auf der eigentlichen Bühne sitzen. Zur rechten Seite befinden sich die Niederrheinischen Sinfoniker auf dem hochgefahrenen Orchestergraben, dahinter kann man einen Blick in den leicht beleuchteten Theatersaal werfen, den man aus dieser Perspektive nicht so oft geboten bekommt. Die eigentliche Handlung spielt sich auf einer kleinen Drehbühne ab, die die beiden Handlungsorte geschickt verbindet.
Die Handlung ist übrigens recht schnell zusammengefasst, handelt es sich doch im Prinzip um eine recht übliche Verwechslungskomödie, die allerdings recht kurzweilig gestaltet ist. Der amerikanische Millionär William Stevenson reist mit seiner Ehefrau Ketty und ihrem Dienstmädchen Julia auf seiner Yacht nach Frankreich. Hier möchte er den französischen Erben Robert Perceval treffen, da dieser eine Länderei besitzt, auf der sich große Ölvorkommen befinden. Vom Öl weiß Perceval allerdings nichts, daher möchte Stevenson ihm das Land nun deutlich unter Preis abkaufen, um selber weitere Millionen Dollar Gewinn zu machen. Da Stevenson recht eifersüchtig ist und schon viel über die französischen Verführungskünste gelesen hat, darf Ketty ihre Kabine nach Ankunft im Hafen nur mit weißer Perücke und blauer Brille verlassen. Besagte Verführungskünste würde auch Julia gerne kennenlernen, die nach eine eher unbefriedigenden Affäre mit Kapitän Harris während der Überfahrt auf See nun auf sexuelle Erfüllung in Frankreich hofft. Nachdem Robert Perceval die Yacht betreten hat, stürmt seine eifersüchtige Geliebte Hélène Le Barrois samt ihrem ahnungslosen Gatten an Board, der zudem Percevals guter Freund ist. Hélènes Eifersucht verschwindet allerdings schnell wieder, als sie Ketty in ihrer Verkleidung als alte Dame sieht, die Maskerade funktioniert wunderbar. Leider legt Ketty das Kostüm aber etwas zu früh ab, so dass Perceval beim Verlassen der Yacht eine hübsche Frau entdeckt, in die er sich sogleich verliebt. Ketty gibt sich daraufhin als Stevensons Nichte Margaret aus. Im zweiten Akt nehmen die Verwicklungen zwischen den sieben Personen rasant Fahrt auf, die Einzelheiten sollen an dieser Stelle aber nicht weiter verraten werden.
Die deutschen Texte von Ulrich Proschka bringen die Handlung gut voran und erscheinen im Gesamtkontext sehr gelungen, ohne nun das französische Libretto jemals gelesen zu haben. Natürlich ist dies alles recht seichte Unterhaltung, die allerdings durchaus Spaß macht. Sehr schön auch, dass man die aus heutiger Sichtweise politisch inkorrekten Personenzeichnungen einfach mal so belässt, die Figuren hierbei aber trotzdem sehr sympathisch zeichnet. Es macht eben durchaus Spaß, wenn das junge Dienstmädchen gerne mit allen Männern „spielen“ will, egal wie alt sie auch sein mögen. Schließlich reden wir hier von einer musikalischen Komödie und keinem Biopic eines amerikanischen Ex-Präsidenten, wo solche Aussagen in einem gänzlich anderen Zusammenhang stehen würden. Proschka gelingt eine recht flotte Komödie, bei der es rund 2 ½ Stunden lang nicht langweilig wird. Das Bühnenbild verwandelt sich im zweiten Akt durch eine Drehung um 180 Grad geschickt von der Yacht zu Percevals Villa, die Kostüme (wie das Bühnenbild von Christine Knoll)sind den Rollen entsprechend angepasst.
Große Stärke der Produktion sind einmal mehr die spielfreudigen Darsteller aus dem eigenen Ensemble. Markus Heinrich gibt einen herrlich unsympathischen Stevenson, aus dem bei jeder Bewegung und in jeder Silbe die Arroganz förmlich heraus sprudelt. Sein ganzes Können, darf er dann zum Ende hin zeigen, nachdem Stevenson die ein oder andere Champagner-Flasche zu viel geleert hat. Mit Gabriela Kuhn hat er die perfekte Partnerin an seiner Seite, die sowohl als ältere Dame wie auch als junge „Margaret“ überzeugt. Als attraktiver französischer Erbe weiß Miha Brkinjac aus dem Opernstudio Niederrhein zu gefallen, auch wenn sein Akzent teilweise noch recht stark ist. Dafür passt sein Tenor mit einer gewissen Geschmeidigkeit wunderbar in diese Operette. Ebenfalls aktuelle Mitglieder im Opernstudio sind Kejti Karaj in der Rolle des Dienstmädchen Julia, Indre Pelakauskaite als Hélène Le Barrois und Jakob Kleinschrot als Kapitän Harris. Letztgenannter fiel in der besuchten Vorstellung allerdings krankheitsbedingt aus, so dass das Theater kurzfristig vor der Frage stand, die ausverkaufte Vorstellung absagen zu müssen oder sie anderweitig retten zu können. Zum Glück erklärte sich Ulrich Proschka bereit, die Rolle szenisch mit samt den dazugehörigen Sprechtexten zu übernehmen. Für den Gesang sprang Tomonobu Kurokawa aus dem Opernchor ein, der den Kapitän von der Seite einsang. Sehr schön hierbei zu sehen, wie er kurz vor seinen Einsätzen den Text nochmal in Gedanken durchging. Hier hat das Theater sehr kurzfristig das Beste aus der Situation gemacht, zumal auf Grund der deutschsprachigen Erstaufführung ja auch kein anderweitiger Ersatz zu bekommen gewesen wäre. Abgerundet wird das Darsteller-Ensemble durch Hayk Deinyan, der den gehörten Ehemann Le Barrois ebenfalls sehr charmant verkörpert.
Die Niederrheinischen Sinfoniker spielen unter der Leitung von Sebastian Engel auch in kleinerer Besetzung sehr schwungvoll. Allerdings sollte man als Zuschauer überlegen, ob man bei freier Platzwahl auf der rechten Seite der Tribüne nah am Orchester Platz nehmen möchte. Hier ist zwar der Klang sehr gut, allerdings sind die Darsteller nicht immer gut zu verstehen, die allerdings das Beste aus den für sie sicher nicht immer ganz einfachen räumlichen Gegebenheiten machen. Insgesamt liefert Passionnément, welches in Krefeld mit dem Zusatz „Verrückt nach Liebe“ daher kommt, einen durchaus vergnüglichen Theaterabend mit einem eigenen Charme, der das Publikum in der besuchten Vorstellung zu großen Teilen begeistern konnte.
Markus Lamers, 5. April 2023
Passionnément – Verrückt nach Liebe
Comèdie musicale von André Messager
Theater Krefeld
Premiere: 4. März 2023, besuchte Vorstellung: 1. April 2023
Inszenierung: Ulrich Proschka
Ausstattung: Christine Knoll
Musikalische Leitung: Sebastian Engel
Niederrheinische Sinfoniker
Weitere Termine: 18. April, 22. April, 1. Mai, 8. Juni