Krefeld: „The Plague“

Markus Lamers, 16.05.2021 Fotos: © Matthias Stutte, Filmpremiere: 02.04.2021, 19.30 Uhr

Eine ganz besondere Opernproduktion in einer ganz besonderen Zeit

Bereits bei der Präsentation der Spielzeit 2020/21 im April des vergangenen Jahres kündigte das Gemeinschaftstheater Krefeld-Mönchengladbach an, dass Kobie van Rensburg nach den großen Erfolgen seiner Produktionen am Niederrhein ein weiteres Opernpasticcio mit Musik von Henry Purcell für das Theater entwickeln wird. Der seinerzeit genannte Arbeitstitel The Plague (Die Seuche) blieb dabei auch bis heute erhalten, auf Grund des anhaltenden Theater-Lockdowns wurde das Werk aber im Rahmen der Entwicklung von der Bühne komplett in eine virtuelle Realität verlegt. Fast ein Jahr nach der ersten Ankündigung kann dieses Stück nun seit Karfreitag, den 02. April 2021 um 19.30 Uhr über die Homepage des Theaters für einen geringen Beitrag von 10 Euro abgerufen werden. Alternativ ist an den Theaterkassen zum identischen Preis auch eine DVD erhältlich. In einem für ein Theater eher ungewöhnlichen Format wurden die Sängerinnen und Sänger für diesen Film im Bluescreen-Verfahren gefilmt und von Kobie van Rensburg Corona-konform digital in ein aufwändig hergestelltes, virtuelles Phantasie-England des 17. Jahrhunderts transferiert. Wer die bisherigen Arbeiten des Regisseurs gesehen hat, der weiß, auf was er sich hierbei freuen darf, denn auch bei seinen Inszenierungen von „Le nozze di Figaro“, „Don Giovanni“ und „Der Barbier von Sevilla“ setzte van Rensburg auf die gelungene Mischung von Videotechnik und Livedarbietung. Seine beiden Opernpasticcio „The Gods must be crazy“ und „Der seltsame Fall des Claus Grünberg“ perfektionierten die Einarbeitung von Livedarstellern in eine virtuelle Realität und seine „Zauberflöte“ zählt vielleicht zu den besten Produktionen der letzten Jahre an diesem Theater.

The Plague beruht nun auf Motiven aus „Die Pest zu London“ von Daniel Defoe aus dem Jahr 1722. Passagen aus diesem Text sowie Zitate von William Shakespeare und Ben Johnson bilden die Grundlage für eigene Sprechtexte mit der van Rensburg die zwölf Abschnitte des Films verbindet. Doch egal ob Pest, Cholera, die spanische Grippe oder Ebola, immer wieder wurden die Menschen durch große Krankheiten in Extremsituationen gebracht. Unter dem Eindruck der heutigen Corona-Situation bekommt diese Mischung aus alter Musik und moderner Technik eine ganz eigene Betrachtungsweise, die den Film besonders sehenswert macht. Hierbei wurden insgesamt 28 Werke der englischen Barockzeit, 26 Stücke von Henry Purcell sowie je ein Werk von Thomas Ravenscroft und Pelham Humfrey dramaturgisch geschickt zusammengestellt, so dass eine ganze eigene Geschichte entsteht. Auch wenn, wie in vielen aktuellen Produktionen, eine kleine Toilettenpapier-Anspielung nicht fehlen darf, zieht der Film den Zuschauer doch gekonnt in längst vergangene Jahre. Die Optik eines Computerspiels gepaart mit dem Charme des barocken Englands ist hierbei passend in schwarz-weiß gehalten, was die Produktion weiter aufwertet. Die zuschaltbaren deutschen Untertitel helfen beim Verfolgen der Geschichte ungemein. Ansonsten sind die englischen Texte auch mit einer schönen alten Schrift als Untertitel im Film fest eingearbeitet.

Auch musikalisch kann das Werk vollkommen überzeugen. Unter der musikalischen Leitung von Yorgos Ziavras, der auch selber das Cembalo spielt, sind acht weitere Musiker involviert, die diese alte Musik zu einem wahren Hörgenuss machen. Für die Einrichtung des Orchestermaterials zeichnet sich Michael Preiser verantwortlich. Auch die neun Darsteller (3 Soprani, 2 Mezzi, 2 Tenöre, 1 Bariton und 1 Bass) können sowohl darstellerisch wie auch gesanglich gefallen. Im Einzelnen sind dies Chelsea Kolic, Antigoni Chalkia, Maya Blaustein, Susanne Seefing, Boshana Milkov, Woongyi Lee, Robin Grunwald, Guillem Batllori und Matthias Wippich. Besonders die größeren Ensemble-Nummern wie z. B. „We Cheated the Parson“ aus Purcells „King Arthur“ begeistern auch vor dem heimischen Fernseher. Alle verwendeten Stücke sind übrigens auch übersichtlich im Programmheft aufgeführt, welches kostenlos über die Homepage des Theaters Krefeld-Mönchengladbach heruntergeladen werden kann. In diesem 16seitigen Heft finden sich auch einige weitere interessante Informationen über die Produktion dieses Opernfilms, der im Übrigen im letzten Kapitel noch mit einem netten kleinen Twist aufwartet, der an dieser Stelle nicht verraten werden soll.

Die rund 68 Minuten vergehen bei dieser Produktion wie im Fluge und durch seine ganz besondere Eigenart als reine Filmproduktion, hebt sich The Plague wohltuend von anderen Streamingangeboten ab. Hier sind die 10 Euro sehr gut investiert und der Film ist jedem Opernfreund wärmstens ans Herz zu legen. Nach Sichtung des Online-Streams ist die DVD bereits bestellt um eine solch gelungen Produktion auch in einigen Jahren erneut genießen zu können.

Markus Lamers, 02.04.2021
Fotos: © Kobie van Rensburg / Matthias Stutte