Magdeburg: „Dantons Tod“

Besuchte Vorstellung am 27. Januar 2018, Premiere am 20. Januar 2018

Spannende Opernrarität

Zum 100. Geburtstag des österreichischen Komponisten Gottfried von Einem hat das Theater Magdeburg eine Neuinszenierung der seit der Uraufführung bei den Salzburger Festspielen 1947 überaus erfolgreichen Revolutionsoper herausgebracht, übrigens genau 50 Jahre nach der DDR-Erstaufführung in der Elbestadt. Das auf das Drama Georg Büchners zurückgehende Libretto der zweiteiligen Oper stammt vom Komponisten und dessen Lehrer Boris Blacher. Der Stoff um die nachrevolutionäre Schreckensherrschaft in Frankreich, in dem der blanke Terror ebenso wie die Hilflosigkeit des Einzelnen thematisiert wird, hatte im Nachkriegsdeutschland offenbar einen Nerv getroffen. Die Oper hatte mit rund 50 Einstudierungen im deutschsprachigen Raum bis 2000 sensationellen Erfolg.

Zum Inhalt: Danton, einstiger Mitstreiter Robespierres, hat sich vom politischen Geschehen zurückgezogen. Camille Desmoulins und Hérault de Séchelles beschwören ihren Freund Danton, er müsse unbedingt etwas gegen Robespierre und seine Schreckensherrschaft unternehmen. In einer dunklen Gasse wird ein junger Mann, der ein Taschentuch bei sich hat, beinahe vom Volk gelyncht, nur weil er deshalb für einen Aristokraten gehalten wird.

Danton stößt bei Robespierre auf taube Ohren. Nachdem Danton gegangen ist, stachelt St. Just Robespierre gegen seine früheren Freunde Danton, Hérault de Séchelles und Camille Desmoulins auf, weil diese ihm gefährlich werden könnten. Auf den Rat St. Justs lässt er die drei verhaften, um ihnen den Prozess zu machen. Tumultartig ergreifen vor dem Gefängnis Teile des Volkes für Danton und Teile gegen ihn Partei.

Vor dem von Robespierre und seinen Anhängern beherrschten Revolutionstribunal beschuldigt dessen Präsident Martial de Herman die drei Gefangenen, mit den Feinden der Revolution gemeinsame Sache zu machen. In einer flammenden Verteidigungsrede scheint es zunächst Danton zu gelingen, das Volk auf seine Seite zu ziehen. Sein Erfolg währt aber nicht lange. Weitere fingierte Anschuldigungen besiegeln schließlich, dass sich die Stimmen des Volkes gegen ihn und seine beiden Freunde wenden, sodass sie zum Tod verurteilt werden.

Auf dem Revolutionsplatz herrscht eine ausgelassene Stimmung. Trotzig stimmen Danton und seine Freunde auf dem Schafott die Marseillaise an. Nach der Hinrichtung betritt Camilles Frau Lucile die Stufen des Blutgerüsts, singt mit Tränen in den Augen „Es ist ein Schnitter, der heißt Tod …“ und provoziert ihre Verhaftung mit dem Ausruf „Es lebe der König!“

Peter Diebschlag/Peter Bording/Amar Muchhala

Der Generalintendantin Karen Stone ist mit ihrer Neuinszenierung tief beeindruckendes, spannendes Musiktheater gelungen. Das liegt auch daran, dass sie sich mit ihrem Team dafür entschieden hat, das blutige Geschehen nicht zeitlich konkret zu verorten, also nicht im Paris des 18. Jahrhunderts, aber auch nicht in der jüngeren deutschen Vergangenheit, was sich wegen der Entstehungszeit der Oper anbieten würde. Ulrich Schulz, der auch für die eher zeitlosen Kostüme verantwortlich ist, hat ein die Bühne beherrschendes, mit seinen Treppen vielseitig verwendbares Stahlgerüst erstellen lassen, das im Schlussbild zu einem Blutgerüst im wahrsten Sinne des Wortes wird, zunächst aber den Rahmen für einen Wohnraum oder das heraufgefahrene käfigartige Gefängnis abgibt. Überhaupt das bedrückende Schlussbild – es geht unter die Haut: Eine überdimensionale Guillotine-Schneide senkt sich herab, auf der die Schlagworte der Revolution „Liberté – Égalité – Fraternité“ stehen und zur Hinrichtung der drei Freunde Blut daran herunterfließt.

Die Musik von Einems bleibt stets im tonalen Bereich, wenn es auch viele interessante Reibungen harmonischer und rhythmischer Art zwischen dem höchst differenziert behandelten Orchester, dem vielfältig eingesetzten Chor und dem niveauvollen Solisten-Ensemble gibt. All dies hatte Magdeburgs GMD Kimbo Ishii am Pult der in Hochform aufspielenden Magdeburgischen Philharmonie fest im Griff. Jederzeit nachvollziehbar brachte er souverän die hochdramatischen Ausbrüche ebenso wie die volkstümlich erscheinenden Melodiebögen wirkungsvoll zur Geltung.

Amar Muchhala/Noa Danon/Peter Bording

Die Titelpartie war Peter Bording anvertraut, der Georges Danton zunächst lässig erscheinend, später vor dem Gericht heftig aufbegehrend durchweg glaubwürdig gestaltete. Mit bester Diktion hatte sein abgerundeter Bariton die größte Ausdrucksstärke in der Mittellage und in den Höhen, während die Tiefen der Partie nicht so sehr seine Sache waren. Besonders beeindruckend gelangen die berühmten Worte am Schluss der 1. Szene „Die Statue der Freiheit ist noch nicht gegossen, der Ofen glüht, wir alle können uns die Finger dabei verbrennen“ und vor allem die beschwörende Verteidigungsrede vor dem Tribunal. Positiv fiel Amar Muchhala als Camille Desmoulins auf; der indische Sänger verbreitete mit seiner klaren und höhensicheren Stimme tenoralen Glanz, was gut zur hochemotionalen Figur des Desmoulins passte. Dessen Frau Lucile war Noa Danon, die erneut durch anrührende Darstellung und ihren aufblühenden Sopran gefiel, wenn auch die Textverständlichkeit sehr zu wünschen übrig ließ – da halfen die Obertitel sehr. In einem kurzen Auftritt gab Stephen Chaundy der Figur des Robesspierre ein differenziertes Profil, indem er mit schneidendem Tenor die Gefährlichkeit, aber auch die Stimmungsschwankungen des Anführers der Terrorherrschaft deutlich machte.

Johannes Stermann/Roland Fenes/Peter Bording/Paul Sketris
In vielen weiteren kleineren Rollen bewährten sich neben dem Gast Robert Bartneck als klarstimmiger Hérault de Séchelles Magdeburger Ensemble-Mitglieder, von denen Johannes Stermann mit profundem Bass als intriganter Saint-Just, ebenfalls bassgrundiert Paul Sketris als Simon und der bewährte Roland Fenes als Gerichtspräsident genannt werden sollen. Wieder einmal gefiel der von Martin Wagner vorbereitete Opernchor durch ausgewogenen, prächtigen Chorklang und diesmal durch geschickte Bewegungschoreographie (David Williams), mit der die Wankelmütigkeit des Volkes sinnfällig deutlich gemacht wurde.

Der herzliche, mit einzelnen Bravos durchsetzte Beifall im mäßig besetzten Haus belohnte alle Mitwirkenden.

Fotos: © Kirsten Nijhof

Gerhard Eckels 28.01.2018

Weitere Vorstellungen: 11.,24.2.+2.3.+2.,21.4.2018