Magdeburg: „Rusalka“

Antonín Dvořák und sein Textdichter Jaroslav Kvapil haben ihrem Werk die Bezeichnung „Lyrisches Märchen“ gegeben. Die Geschichte von einer unmöglichen und dennoch bedingungslosen Liebe zwischen zwei Wesen, die verschiedenen, unvereinbaren Welten ange¬hören, zählt wie der Wassermann, die Hexe und natürlich die Elfen sowie die Schauplätze – der mondbeschienene Wald und das Schloss – zum Bereich des Märchens. Im fein ausdifferenzierten Charakter der Titelfigur und ihrem Verhalten anderen gegenüber geht die Oper jedoch weit über Märchenhaftes hinaus und markiert den Übergang von der Märchenoper zum symbolistischen Musikdrama. Zu dem etwas sperrigen Libretto hat Dvorak eine immer wieder anrührende, atmosphärereiche Musik geschaffen, die voll von romantischem Zauber ist.

In Magdeburg betont Regisseur Stephen Lawless das Märchenhafte des Stoffes dadurch, dass er ihn in der Welt des Balletts mit Kulissen wie aus „Schwanensee“ oder „Dornröschen“ spielen lässt. Deshalb tragen die sich tänzerisch bewegenden Waldelfen Tutus (überflüssig waren da die im Wechsel mit den Sängerinnen auftretenden Tänzerinnen), und Rusalka bewegt sich wie eine Ballerina, nachdem die Hexe sie vom Fischschwanz befreit hat. Überhaupt spielt im Regiekonzept die Hexe eine entscheidende Rolle: Sie erscheint bereits während des Vorspiels im altmodischen Hochzeitskleid mit Brautschleier und spricht die düsteren Worte „Ich kenne das!“. Später wird angesichts der demolierten Hochzeitstorte in ihrem Zimmer deutlich, dass sie wie dann auch Rusalka Schlimmes in der Menschenwelt erfahren hat. So ist nur konsequent, dass sich Rusalka am Schluss nach dem den Prinzen erlösenden Todeskuss den Brautschleier ins Haar steckt und mit dem Krückstock der Hexe deren Nachfolge antritt; denn zu den Menschen will, ins Wasser zu ihren Schwestern darf sie nun nicht mehr.

Undine Dreißig/Raffaela Lintl

Im Übrigen beherrscht die zerklüftete Mondoberfläche das Bild, die zu Rusalkas „Lied an den Mond“ aufsteigt. Das Fest im Schloss wird in üppiger Ausstattung mit großem Kronleuchter gefeiert; völlig daneben und wohl ironisch gesteigert gemeint steigt die fremde Fürstin wie bei einem Junggesellenabschied als Überraschung aus der überdimensionierten Hochzeitstorte (Bühne: Frank Philipp Schlößmann; Kostüme: Sue Willmington).

Musikalisch und stimmlich gab es mehr als nur zufriedenstellende Leistungen: Der junge Kapellmeister Pawel Poplawski ließ der – abgesehen von Blechschäden am Beginn der Polonaise und einigen Holzbläser-Unreinheiten – gut disponierten Magdeburgischen Philharmonie viel Raum für schwelgerisches Musizieren. Ein bisschen zu viel des Guten war das zeitweise für Raffaela Lintl (Rusalka), wenn diese in der Mittellage zu singen hatte. Ansonsten ließ sie ihre in allen Lagen gut durchgebildete, sauber geführte und höhensichere Stimme schön aufblühen; besonders anrührend gelang der jungen Sopranistin das berühmte „Lied an den Mond“. Auch Richard Furman als wankelmütiger Prinz hatte vor allem in dem lyrischen, bewegenden Schluss-Duett mit Rusalka etwas unter der Lautstärke des Orchesters zu leiden, obwohl er über gut gestützte Piani verfügte; sonst verschaffte er sich mit strahlendem Tenor mühelos Gehör.

Raffaela Lintl/Richard Furman

Mit seinem großvolumigen, weichen Bass wusste Johannes Stermann als besorgter Wassermann ebenso zu gefallen wie mit durchschlagskräftigem Sopran Izabela Matula als attraktive Fremde Fürstin. Dagegen konnte die wie immer gestaltungssichere Undine Dreißig als Hexe diesmal infolge ungewohnt unausgeglichener und inzwischen zu unruhiger Tongebung nicht überzeugen.

Ausgesprochen stimmschön präsentierten sich die drei Waldelfen Julie Martin du Theil, Sofia Koberidze und Inga Schäfer, während Johannes Wollrab mit klarstimmigem Bariton und Florentina Soare mit abgerundetem Mezzo witzig Wildhüter und Küchenjungen gaben. Solide erfüllten die Damen des Opernchors (Martin Wagner) ihre wenigen Aufgaben aus dem Off.

Jubelnder Applaus des am Sonntagnachmittag vollbesetzten Hauses belohnte alle Mitwirkenden.

Gerhard Eckels 2.10.2017

Bilder (c) Andreas Lander

Weitere Vorstellungen: 7.,30.10.+30.11.+21.,29.12.2017