Magdeburg: „Aida“

Premiere am 21.Oktober 2017

Schwangere Aida

In Koproduktion mit der Northern Ireland Opera erlebte Verdis große Prunkoper eine umjubelte Premiere erlebt. Für die Neueinstudierung hatte man den Operndirektor der Covent Garden Opera, den Engländer Oliver Mears, gewonnen, der die traurige Geschichte in einem imaginären totalitären Staat ansiedelte. Dazu schuf ihm Simon Holdsworth (Ausstattung) mit zwei großen verschiebbaren Treppenpodesten und einem „Pyramidenstumpf“, überdimensionalem Kriegerdenkmal mit Stahlhelmen, Sanddünen in der Nilszene und hohe Felsen (4.Akt) genügend Platz für schlüssige Personenregie, während die Chormassen vorwiegend nur statuarisch auf den Podesten verteilt wurden. Die Kostüme verlegten die eigentlich zeitlose Handlung an den Anfang des 20. Jahrhunderts. Da gab es Einheitskleidung für das Volk, hellbraune Uniformen für das Militär, schwarze Gehröcke für die wie Logenbrüder wirkenden Priester und Lumpen für die gefangenen Äthiopier; farbliche Akzente setzten lediglich Amneris‘ Kleider.

Kristina Kolar/Lucia Cervoni

Gewöhnungsbedürftig war die autoritäre Taufhandlung eines auf dem Altar liegenden Babys in der ersten Tempelszene (Man wusste nicht so recht, ob es eine Opfergabe für Isis zur nächsten Kriegsführung sein sollte); einige Mütter aus einer Art „Lebensborn“ (?) brachten ihre Babys dorthin, die allerdings nicht „getauft“, sondern ihnen von Priestern entrissen und fortgebracht wurden (um indoktriniert aufzuwachsen?), nachdem Mütterorden verteilt worden waren. Das Triumphbild gab dann reichlich Gelegenheit, den totalitären Staat in großer Parade vorzuführen, wozu das Volk Fähnchen schwenkte: Soldaten, Kindersoldaten mit Panzerfäusten, Raketen, eine Sport-Gymnastik-Gruppe mit Reifenkür und Radschlagen, hochschwangere Frauen und von Soldaten getragen ein vergoldetes Baby (warum?). Da wurde Mears Botschaft, dass hier eine autoritäre und hierarchische Gesellschaft mit überdimensionierter Architektur Kriegsruhm und Bevölkerungswachstum über alles stellt, endgültig klar. Während vorne noch der Sieg über die Äthiopier gefeiert wurde, sah man aber im Hintergrund, dass die Gefangenen nicht einfach wieder entlassen, sondern die ersten bereits gefoltert wurden. Dazu passte dann auch der Schluss, als Amneris während der letzten Takte der Oper ins Grab hineinging mit einer Kerze, die den Raum so weit erhellte, dass man erkannte, Aida und Radames waren in einem Massengrab gestorben; als sie die Beiden sah, pustete sie zum letzten Ton die Kerze aus! Ebenso albern und absolut überflüssig war, dass nach Amneris‘ Fluch am Ende der zweiten Tempelszene größere Styroporbrocken leise aus den Felsen holperten.

Musikalisch war der Abend dank der stringenten Leitung von Svetoslav Borisov ein voller Erfolg. Er gab den Musikern der Magdeburgischen Philharmonie ebenso Zeit und Raum zum ruhigen Ausspielen der teils schwelgerischen, teils zupackenden Verdischen Melodien wie auch den Protagonisten auf der Bühne. Das passte alles wunderbar zusammen. Die Kroatin Kristina Kolar war eine gestandene Aida mit leuchtendem Sopran, dessen saubere Spitzentöne auch die Ensembles locker überstrahlten. Warum nur musste sie schwanger sein? In der Nilszene und auch im Grab streicht sie sich mehrfach mütterlich über den vorgewölbten Bauch. (Als Mutter bezweifle ich, dass sie dann in den Tod gegangen wäre!) Mit hellem Mezzo war die Kanadierin Lucia Cervoni als um Radames‘ Liebe kämpfende Rivalin ihr durchaus ebenbürtig; in der zweiten Tempelszene bestach sie durch eindringliche Farbgebung. Eine Bank in der hohen Lage bot der Amerikaner Marc Heller als Radames, der sich mit Stentorstimme durch die Partie stemmte; hier wäre an vielen Stellen mehr Differenzierung angemessen gewesen, denn schon bei „Celeste Aida“ rächten sich die stark heraus gesungenen Höhen durch einige Unsauberkeiten in der Tiefe; in der Partitur steht der Schluss der Arie bekanntlich im Pianissimo! Einen kultivierten Bariton mit Strahlkraft für die Attacke präsentierte der Rumäne Lucian Petrean als Amonasro, den man ausstaffiert hatte wie Tevje in „Anatevka“. Sängerisch punktete er am meisten in der Nilszene mit der Beschreibung seiner Heimat in traumhaftem Legato. Allerdings verfiel er im Terzett ebenso wie seine Mitstreiter in pausenloses forte; hier wäre für alle drei Sänger weniger mehr gewesen.

Kristina Kolar/Marc Heller/Lucian Petrean

Mit profundem Bass und starker Bühnenpräsenz überzeugte Johannes Stermann als Oberpriester Ramfis, der eigentliche Drahtzieher der autoritären Fäden. Einen brüchigen Greis am Stock musste Paul Sketris als Re geben. Aufhorchen ließ Jonathan Winell als Bote mit prägnantem Tenor, während Noa Danon als Tempelsängerin aus dem Off mit sauber geführtem Sopran erfreute.

Der Opernchor und die Magdeburger Singakademie sangen in der Einstudierung von Martin Wagner klangvoll und ausgewogen; lediglich bei dem Männerchor in der zweiten Tempelszene fielen einzelne Stimmen aus dem Gesamtklang heraus. Für die sinnfällige Choreographie war Lucy Burge verantwortlich.

Das Publikum bedankte sich schon beim Zwischenapplaus und am Ende begeistert bei allen Mitwirkenden; das Regieteam musste natürlich einige Buhs einstecken.

Fotos © Nilz Böhme
Marion Eckels 22.10.2017

Weitere Vorstellungen: 29.10. + 10.,25.11. + 25.12.2017 + 7.1. + 1.,22.2.2018