Magdeburg: „Le Nozze di Figaro“, Wolfgang Amadeus Mozart

Nach gut 10 Jahren gibt es wieder Mozarts „Nozze di Figaro“ in Magdeburg, wie damals 2013 von der Generalintendanz des Hauses inszeniert. Julien Chavaz, verantwortlich für Regie und Bühne, verstärkte die Mozarts Geniestreich innewohnende Turbulenz noch durch seine Konzeption der ständig geänderten Spielflächen, indem sich jede Menge Türen nach oben und unten sowie nach rechts und links verschoben (Mitarbeit am Bühnenbild: Meike Kurella). Ein Vorteil dieses einfachen, nur aus Türen bestehenden Bühnenbildes war, dass die handelnden Personen deutlich im Vordergrund standen, so dass auch die Musik keine Ablenkung erfuhr. Manches passte nun allerdings überhaupt nicht zum Text, wenn z.B. unklar blieb, in welchem Zimmer sich Cherubino nun eigentlich versteckt hielt oder wie der Brief entstand, den Susanna nach Diktat der Gräfin schrieb. Ebenso unklar blieb im Finale, wer nun eigentlich in den Kleidern von Susanna und der Gräfin steckte; das lag auch an den abenteuerlichen Kostümen von Hannah Rosa Oellinger und Manfred Rainer, zu denen die Hochfrisuren von Graf und Gräfin gehörten. Susanna und die Gräfin hatten eben ihre Perücken nicht getauscht, sodass der Wirrwarr der letzten Szenen für das Publikum noch undurchsichtiger wurde, als es sowieso schon angelegt ist.

© Andreas Langer

Eine nicht unwesentliche Rolle spielten die großen und kleinen Stehlampen, welche die Akteure immer irgendwo abstellten oder damit herumfuchtelten. Auch diese „Masche“ der Inszenierung wurde im Verlauf des langen Abends wie die vielen Türen arg übertrieben. Zwischendurch gab es immer wieder überflüssige Regieeinfälle, wie z. B. das im 2. Akt auf dem Fußboden ausgebreitete Bett, in das Graf und Gräfin schlüpften, wenn der Graf mit einem Beil bewaffnet eigentlich die Tür zum Kabinett aufbrechen wollte, in dem sich Cherubino versteckt hatte.  Schließlich hatte der Regisseur nicht genug Vertrauen in die geniale Musik und Menschengestaltung, wenn die großen Arien durch pantomimische Szenen anderer „angereichert“ wurden. Dagegen soll noch positiv angemerkt werden, dass die choreografische, der Musik angepasste Führung der Protagonisten gut gefiel. Die musikalische Verwirklichung war stark geprägt durch Magdeburgs Generalmusikdirektorin Anna Skryleva, die von der rasanten Ouvertüre an mit ihrem souveränen, temperamentvollen Dirigat am Pult der bestens disponierten Magdeburgischen Philharmonie dafür sorgte, dass sowohl die flotten Ensembleszenen als auch die besinnlichen Momente der Partitur angemessen zur Geltung kamen.

© Andreas Langer


Bis auf eine Partie waren alle Rollen aus dem Magdeburger Ensemble besetzt, das wie immer ein recht hohes Niveau zeigte. An erster Stelle ist Giorgi Mtchedlishvili als überaus agiler Figaro zu nennen. Der gut sitzende, in allen Lagen abgerundete und sonore Bassbariton des georgischen Sängers passte wie gemacht auf die Partie des sympathischen gräflichen Kammerdieners. Eine entzückende, quicklebendige Susanna war die Schottin Rosha Fitzhowle, die einmal mehr durch die blitzsaubere Führung ihres ausdrucksstarken, die Ensembles überstrahlenden Soprans gefiel. Sie passte sich im wunderbaren „Briefduett“ der tragfähigen Stimme der Gräfin an, die vom irischen Gast Amy Ní Fhearraigh verkörpert wurde. Man hatte den Eindruck, dass die vielschichtige Partie der Gräfin für die junge Sängerin noch ein wenig zu früh kommt. In ihre erste Arie, wenn sie die Untreue des Grafen bejammert, brachte sie nicht die nötige Ruhe und Piano-Kultur hinein; auch störten im Verlauf des Abends einige Intonationsmängel und nicht immer klare Höhen. Darstellerisch gekonnt zeichnete der Türke Doğukan Kuran den Grafen so, wie er von der Regie her gedacht war, als eine von den anderen nicht ernst genommene Witzfigur. Sein nicht so kräftiger, lyrischer Bariton geriet an seine Grenzen, wenn es in die unteren Lagen ging. Auch fehlte in der höhensicher präsentierten, großen Arie im 3. Akt einiges an dramatischem Impetus.  

© Andreas Langer

Die kleineren Rollen waren solide besetzt: So gefiel die Polin Weronika Rabek als munterer Cherubino mit charaktervollem Mezzosopran. Dass der allen Frauen im Schloss nachstellende Page im 1. Akt nicht eine Soldaten-Uniform erhielt, sondern als Zauberer verkleidet wurde, ist ihr genauso wenig anzulasten wie dem Bartolo dessen unmögliches Kostüm. Johannes Stermann führte seinen voluminösen Bass flexibel durch Bartolos „Rache-Arie“. Undine Dreißig gab bewährt die Marcellina, der das Duett mit Susanna gestrichen war. Basilio war ebenso wie der stotternde Don Curzio bei Manfred Wulfert gut aufgehoben. Die junge Israelin Na’ama Shulman sang die kleine Arie der Barbarina klarstimmig; der polternde Antoniowar Paul Sketris. Ausgewogen und klangmächtig erfüllte der Opernchor (Martin Wagner) seine wenigen Aufgaben.

Mit lang anhaltendem, vor allem bei Susanna und Figaro mit Bravos vermischtem Beifall bedankte sich das Publikum bei allen Mitwirkenden.

Gerhard Eckels, 29. April 2024


Die Hochzeit des Figaro
Wolfgang Amadeus Mozart

Theater Magdeburg

Premiere am 6. April 2024
Besuchte Vorstellung am 27. April 2024

Regie: Julien Chavaz
Musikalische Leitung: Anna Skryleva
Magdeburgische Philharmonie

Weitere Vorstellungen: 5.+19.+25. Mai 2024