Magdeburg: „Die Blume von Hawai“, Paul Abraham

Wenn der Eindruck nicht trügt, ist an den mittleren und kleineren Theatern jedenfalls im nord- und mitteldeutschen Raum die Operette seit einiger Zeit wieder mächtig im Kommen. So schwimmt nun auch das Theater Magdeburg auf der Paul-Abraham-Wiederentdeckungswelle mit, die die Komische Oper Berlin vor einigen Jahren in Gang gesetzt hat. Paul Abrahams Operette „Die Blume von Hawaii“ wurde nach der Leipziger Uraufführung 1931 schnell populär. Sie hat eine typisch verwickelte Operetten-Handlung, die sich natürlich in einem Happyend auflöst – hier mit sage und schreibe vier glücklichen Paaren. Sie spielt kurz vor Beginn des 20. Jahrhunderts, nachdem die amerikanische Armee Hawaii besetzt und einen Gouverneur eingesetzt hat. Neben diesem (in Magdeburg Gouverneurin, warum?) und Sekretär John Buffy sind Hauptakteure die zunächst Inkognito als Jazz-Sängerin auftretende hawaiianische Prinzessin Laya, der ihr seit Kinderzeiten versprochene Prinz Lilo-Taro, die Insulaner Raka und Kaluna, der amerikanische Kapitän Harald Stone, die kesse Gouverneursnichte Bessie Worthington sowie die beiden Jazz-Sänger Jim Boy und Susanne Provence. Es entwickelt sich, angereichert mit diversen Unwahrscheinlichkeiten, ein turbulentes, temporeiches Spiel um das Finden der „wahren Liebe“, die Zukunft Hawaiis und die Freuden des mondänen Lebens in Honolulu und Monte Carlo. 

© Andreas Lander   

Heutzutage gibt es in dieser munteren Operette mit sentimentalen Ruhepunkten das Dilemma, wie man den schwarzen Jazz-Sänger Jim Boy darstellen soll. In Hildesheim vor ein paar Jahren wurde aus ihm ein tuntiger Transvestit. In Magdeburg hatte man sich entschieden, die Rolle ganz zu streichen und den Inhalt der Operette in eine Rahmenhandlung zu packen. Die Regie führenden Magdeburger Generalintendant Julien Chavaz gemeinsam mit dem Operetten- und Musical-Spezialisten Kai Tietje, der auch die Premiere dirigiert hatte, Annemiek van Elst (Mitarbeit Regie) und der Dramaturgin Sarah Ströbele neu bearbeitete Fassung weicht in vielem vom Original ab. So versickert am Schluss alles in einem großen Show-Finale, so dass unklar bleibt, welche Paare sich denn nun gefunden haben. Der Anfang war überraschend, weil es vor dem geschlossenen Vorhang in einer Fleischerei begann, wo die junge Verkäuferin Dani verschiedene Kunden und schließlich auch Frau Schröder bediente. Diese hörte leise Musik aus dem auf der Theke stehenden Kofferradio und erkannte Melodien aus der „Blume von Hawaii“. Es stellte sich heraus, dass sie früher in dieser Operette die Hauptrolle gespielt hatte; jetzt verlor sie sich in ihren Erinnerungen.

Der Vorhang ging auf und gab den Blick frei auf eine Theaterbühne, wo sich nun die Story aus Hawaii abspielen sollte. Dabei griff Frau Schröder (leider nicht immer gut zu verstehen Schauspielerin Susi Wirth), immer wieder ein, um die verworrene Handlung zu erklären. Außerdem war auffällig, dass es nicht darum ging, die Geschichte getreu darzustellen, sondern es sollte zugleich gezeigt werden, wie Theater gemacht wird. So gab es keine exotischen Blicke auf Hawaii, sondern eine sehr einfache Palme aus Pappe, Papierboote, einen blau bemalten Vorhang (Hinweis aufs Meer) und zeitweise einen sandgelben Bühnenrahmen (Bühnenbild: Jamie Vartan). Zu der Schlichtheit der Bühne – meist ganz ohne Requisiten – konnte Kostümbildner Wojciech Dziedzic geradezu einen revueartigen Kostümrausch entfachen. Dass es mehr um improvisiertes Theater in der Erinnerung von Frau Schröder ging, wurde überdeutlich, als sich herausstellte, dass der Darsteller des Jim Boy einfach nicht auftrat, sodass Dani dazu gebracht wurde, die Rolle aus dem Stand zu übernehmen. Hieraus ergaben sich bei den ersten Auftritten der Fleischverkäuferin Jim Boy witzige und komische Momente, was an der in jeder Beziehung hohen Gestaltungskunst der offensichtlich auch im Musical-Bereich versierten Schauspielerin Carmen Steinert lag. Anrührend gab sie am Schluss vor dem schon genannten Finale den auf ihren Part umgedichteten Song „Bin nur ein Jonny…“, der jetzt lautete „Ich bin nur Dani, reicht das nicht aus ? Doch schön wär’s, würde die Welt mich mehr seh’n“.

© Andreas Lander 

Alle auf der Bühne waren in der temporeichen Inszenierung mit einer ansteckenden Spielfreude bei der Sache, so dass der Abend insgesamt einfach Spaß machte. Das lag auch daran, dass 1. Kapellmeister Svetoslav Borisov am Pult der gut disponierten Magdeburgischen Philharmonie (einschließlich der typischen Hawaii-Gitarren) souverän für den passenden Schwung sorgte. Leider konnte er zeitweise die Lautstärke des Orchesters nicht hinreichend drosseln, sodass der Text trotz Verstärkung durch Mikroports manchmal unverständlich blieb. Wie immer gefiel der von Martin Wagner einstudierte Opernchor, auch Träger der Kostümorgie, durch klangvolle Ausgewogenheit. Ein besonderes Lob geht an die Choreografin Nicole Morel, der es gelungen war, alle Solisten, die Choristen und natürlich die großartigen Tänzerinnen und Tänzer (Zarah Frola, Daniel Daniela Ojeda Yrureta, Jade Ribaud, Andrea Spartà) so zu bewegen, dass es im Grunde bei jeder Nummer auch im Publikum fast allen in den Beinen zuckte.

© Andreas Lander

In der Doppelrolle der schönen Prinzessin Laya und der Jazzsängerin Suzanne Provence trat Rosha Fitzhowle als ansehnliche Diva auf, deren schön aufblühender Sopran die Ensembles überstrahlte. Mit zurückhaltender Vornehmheit gab Aleksandr Nesterenko den Prinzen Lilo-Taro und überzeugte durch tenoralen Glanz seiner kräftigen Stimme. Knüller des Abends aber waren die urkomischen Tanzeinlagen à la Dirk Bach, die Stefan Sevenich als unglücklich in Laya verliebter Kapitän Stone aufs Parkett legte; dazu ließ er einen in allen Lagen wohlklingenden Bass hören. Sozusagen das Buffopaar waren als Bessie und John Buffy Weronika Rabek und Adrian Domarecki, die tänzerisch und sängerisch gut gefielen. Mit weichem Bariton überraschte Doğukan Kuran als Kaluna; Irene Cabezuelo war klarstimmig die Insulanerin Raka; Ulrika Benecke-Bäume ergänzte als Gouverneurin.

Das hellauf begeisterte Publikum im keineswegs ausverkauften Haus spendete zwischendurch reichlich Szenenapplaus und bedankte sich am Schluss bei allen Mitwirkenden mit starkem, langanhaltendem Beifall.

Gerhard Eckels, 29. Oktober 2023


Die Blume von Hawaii
Operette von Paul Abraham

Theater Magdeburg

Premiere am 8. September 2023
Besuchte Vorstellung am 28. Oktober 2023

Regie: Julien Chavaz
Musikalische Leitung: Svetoslav Borisov
Magdeburgische Philharmonie

Weitere Vorstellungen: 5. November, 31. Dezember 2023, 7. Januar und 10. Februar 2024