Premiere am 24. Februar 2019
Schlüssig
Giuseppe Verdis geniales Spätwerk erlebte in der wegen Erkrankung dreier Protagonisten vom 16. auf den 24. Februar verschobenen Premiere eine im Ganzen schlüssige Wiedergabe. Die Regisseurin Olivia Fuchs und der Ausstatter Yannis Thavoris haben den Handlungsort in das Zypern zur Zeit des griechisch-türkischen Konflikts verlegt, und zwar in das Luxus-Hotel Ledra Palace, das 1974 Ziel eines militärischen Angriffs war. Das erkennt man gleich im ersten Bild, der Empfangshalle des Hotels, an den gestapelten Sandsäcken und der teilweise geborstenen Gitterwand im Hintergrund. Hier treffen sich Militärs, Touristen mit Kameras oder Reporter, die Schnappschüsse von den gerade Ankommenden, Jago mit Ehefrau und Desdemona, einfangen wollen. Hier gibt es nach der Ankunft Otellos (mit enttäuschend blassem „Exsultate!“) einen merkwürdigen „Feuerchor“, der mit einer kleinen Feuer-Zauberei von Jago beginnt und damit fortgesetzt wird, dass sich die Chordamen in eindeutig erotischer Absicht um Jago drängen. Was das sein sollte, hat sich uns nicht erschlossen. Während des Liebesduetts öffnet sich die Gitterwand und gibt den Blick auf den Sternenhimmel frei („Giá la pleiade…“) – ein stimmungsvolles Bild.
Im zweiten und dritten Akt sieht man auf den hoteleigenen Pool im Hintergrund, zeitweise begrenzt eine Bar den linken Bühnenrand. Hier spult nun Jago seine vernichtende Intrige ab, die erste Wirkung zeigt, wenn bei Desdemonas Huldigung durch Männer, Frauen und Kinder (So unsauber habe ich diesen Kinderchor noch nie gehört!) Otello eine für ihn schreckliche Vision hat: Desdemona lässt sich von Soldaten und Cassio begrabschen und scheint dies auch noch zu genießen. Völlig übertrieben ist später im 3.Akt, dass Otello, zerfressen von Eifersucht, Desdemona nicht nur zu Boden wirft, sondern in den Pool stößt. Das letzte Bild zeigt das Hotelzimmer in der Mitte mit kleinem Flur links und Badezimmer rechts. Auch hier wird wieder mit zu viel Action übertrieben: Desdemona flüchtet ins Badezimmer und wird von Otello durch die Tür mit drei Pistolenschüssen getötet. Insgesamt muss man dem Inszenierungsteam bescheinigen, dass es die Verlegung in die Moderne konsequent durchhält, auch in der passenden Kostümierung mit eleganter Kleidung der Protagonistinnen und dezenten Fantasie-Uniformen.
Zum letzten Mal zeigte GMD Kimbo Ishii für die musikalische Leitung einer Neuproduktion verantwortlich (er verlässt Magdeburg und wird musikalischer Chef beim Schleswig-Holsteinisches Landestheater Flensburg). Er hatte den großen Apparat gut im Griff, wenn man von einigen Wacklern im Feuerchor absieht. Zeitweise ließ er die gut vorbereitete und bestens disponierte Magdeburgische Philharmonie allzu stark lärmen, was wohl auch auf die – ihm allerdings bekannte – knallige Akustik der Magdeburger Oper zurückzuführen sein dürfte. Mit Aldo Di Toro stand ein inzwischen erfahrener Sänger zur Verfügung, der die Schwierigkeiten der Titelrolle problemlos bewältigte.
Obwohl Otellos Außenseiter-Position auch äußerlich nicht deutlich wurde, weil er nicht dunkel geschminkt war, wusste er doch dessen rasende Eifersucht ebenso glaubhaft darzustellen wie seine anfangs starke Liebe zu Desdemona. Stimmlich überzeugte er durch schön gestaltete lyrische Phrasen und höhensichere tenorale Strahlkraft. Gocha Abuladze füllte die Partie des zynischen Intriganten Jago mit starker Bühnenpräsenz aus. Er ließ einen tragfähigen, bassgrundierten Bariton hören, den er flexibel durch alle Lagen führte, ohne ihn allerdings mit gefährlichen Farben anzureichern, was man vor allem im berühmten „Credo“ vermisste.
Eine ansehnliche Desdemona war Gabrielle Mouhlen, vom Aalto-Theater Essen eingesprungen, die leider nicht durchweg intonationsrein sang; überzeugend war jedoch das innige „Lied von der Weide“ und das nachdrückliche „Ave Maria“. Ebenfalls als Gast aus Essen präsentierte Carlos Cardoso als Cassio seinen auffallend schönstimmigen Tenor. In den kleineren Rollen zeigte sich die Solidität des Magdeburger Opernensembles, von Isabel Stüber Malagamba mit ausdrucksvollem Mezzo als Emilia über die bewährten Bässe Johannes Stermann (Lodovico) und Paul Sketris (Montano) bis zum sicheren Benjamin Lee (Roderigo).
Das Publikum zeigte sich begeistert und spendete jubelnden, lang anhaltenden Applaus.
Fotos: ©Nilz Böhme
Gerhard Eckels 25.2.2019
Weitere Vorstellungen: 8.,22.3.+7.,26.4.2019 u.a.