Magdeburg: „Vanessa“

Besuchte Premiere am 19.01.19

Hollywood in Magdeburg

Es gibt ja diverse Quizsendungen im Fernsehen, die mit unnützem Wissen handeln: Sollte je die Frage auftauchen, welche Oper mit dem Wort "Graupencremesuppe" beginnt; hier die Antwort: Samuel Barbers Oper "Vanessa" aus dem Jahr 1958, die jetzt am Theater Magdeburg eine mustergültige Premiere hatte. Obwohl eine unbekannte Oper, spare ich mir eine nähere Inhaltsangabe, die bitte in der Vorgängerkritik nachzulesen ist. "Vanessa", das klingt nach Filmdiva , und richtigerweise haben wir es mit einer Art Melodram zu tun, wie man es sich in den Fünfziger Jahren zu Beispiel mit Joan Crawford verfilmt, vorstellen könnte. Barber hat dazu eine, für diese Zeit aus europäischer Sicht, recht zahme Musik komponiert, so richtig mit Tanzmusiken und Arien und einem wunderschönen Quintett a la "Meistersinger" doch eher vom Duktus des Finalterzetts aus Strauss` "Rosenkavalier", das so richtig im Ohr hängen bleibt. Also eine sehr gekonnte Partitur in altmodischer Manier, die auch den Freund herkömmlicher Oper erfreuen kann.In Magdeburg war die Inszenierung eine Intendantinnenaufgabe, die Karen Stone mit Bravour erledigte und auf die augenfreundliche Bühne von Ulrich Schulz, ein mondänes Domizil mit edlen Möbeln und Aussicht auf eine winterliche Gebirgslandschaft, ein sehr dichtes Psychodrama zauberte, das der Oper, die man sich auch recht langweilig inszeniert vorstellen könnte, eine hohe Spannung und tiefe Personendichte verleiht. Es handelt sich bei diesem Stück nämlich eigentlich nicht um eine Diva, sondern gleich um drei, nämlich die drei Frauen des Landsitzes, die alte Baronin, ihre Tochter (die titelgebende "Heldin") und deren Nichte Erika. Die drei Darstellerinnen in Magdeburg, eigentlich die ganze Besetzung, ist wirklich perfekt in visuellen, wie im vokalen Sinn. Man denkt "Vanessa" ist die Hauptperson, mitsamt der Divenattitude der vom jahrelangen Warten mürben Liebenden, stimmt das auch. Noa Danon mit blendendem Aussehen in traumhaften Roben spielt die etwas egozentrische Figur perfekt und singt mit leuchtendem Sopran. Doch eigentlich ist die Nichte Erika, die den inneren Konflikt austragen muß, die Hauptfigur. Emilie Renard hüllt die Partie in fragilen Zauber und ihr sehr facettenreicher Mezzosopran von hohem Timbre klingt einfach betörend. Die alte Baronin ist vielleicht keine gesanglich große Rolle, doch braucht, allein wegen ihrer ständigen szenischen Präsenz, eine starke Persönlichkeit, die sich in der tiefen Mezzosopranistin Undine Dreißig findet. Ein wunderbares Trio an Darstellerinnen, denen man die "Familie" sofort abnimmt. Die bereits erwähnten schönen Kostüme (Fünfziger Jahre etwa) sind übrigens ebenfalls von Ulrich Schulz.

Doch auch die Nebenrollen sind ganz prima besetzt, so der joviale "alte Doktor" mit sonorem Bassbariton von Roland Fenes, der kauzige Haushofmeister von Paul Sketris und der Diener von Frank Heinrich, da gibt es keine Abstriche zu machen. Und dann wäre noch der "Stein des Anstoßes", der schöne Anatol, der Sohn vom schönen Anatol, Richard Furman stellt einen ehrgeizigen Beau auf die Bühne, der bei aller Oberflächlichkeit auch sympathische Züge aufweist, dazu wird überzeugend mit strahlendem, wie nuancenreichem Tenor ein differenziertes Rollenportait gegeben. Der spielfreudige Opernchor darf in der fast operettenhaften Festszene mit vielen Tänzen, gelungene Choreographie von David Williams, zeigen, was in ihm steckt.

Um die fast unerträgliche Perfektion dieser Aufführung herauszustellen, fehlt nur noch die grandios aufspielende Magdeburgische Philharmonie unter Svetoslav Borisov. Borisov hat absolut ein Händchen für Barbers geschickt gemachte Musik mit ihren hollywoodesken Aufschwüngen. Das Premierenpublikum zeigte, völlig berechtigt, lautstarke Akklamation, der sich der Autor sich nur anschließen konnte. Das war wirklich ein großer Opernabend ! Also hin nach Magdeburg!

Martin Freitag 23.1.2019