Mönchengladbach: „Der seltsame Fall des Claus Grünberg“

Premiere / UA am 24.9.2017

Mit einem schönen Wortspiel in dem Titel „Der seltsame Fall des Claus Grünberg“ widmet sich das Theater Mönchengladbach im Rahmen einer kleinen Studioproduktion der Musik von Claudio Monteverdi, der vor 450 Jahren zur Welt kam. In nahezu sämtlicher Opernliteratur wird Monteverdi auf Grund der seinerzeit völlig neuartigen Strukturierung der Musik als Begründer der Oper in der heute bekannten Form gefeiert, „Oper für Dummies“ spricht gar liebevoll vom „Urgroßpapa der Oper“. Nach dem sehenswerten Opernpasticcio „The Gods Must Be Crazy“ in der vergangenen Spielzeit entwickelte Kobie van Rensburg, der von sich selber im Programmheft behauptet „verrückt nach Monteverdi“ zu sein, erneut ein kleineres Barockopernprojekt und nennt es Monteverdi gleich eine „Favola in musica“.

Diese Fabel handelt in Mönchengladbach von dem Komponisten Claus Grünberg, der nach einem tragischen Autounfall bei dem seine Familie verstarb als Patient in einer Psychiatrie unterkommt. Hier kommuniziert er mit seiner Umwelt vor allem durch die Musik Monteverdis. So hält er sich abwechselnd selber für den bekannten Komponisten oder eine von ihm geschaffene Opernfigur. Aber auch das Klinikpersonal und die Besucher des Hauses werden von ihm als Wesen aus Monteverdis Opern gesehen. So ergibt sich im Laufe des Abends eine Art bruchstückhafte Biographie von Claus Grünberg, die durchaus einige Parallelen zu Claudio Monteverdi aufweist, vor allem geht es aber um die Fragen nach Schuld, menschlichen Sehnsüchten und weiteren Tiefen der inneren Seele.

Dies gelingt in den 18 Szenen inclusive Prolog und Epilog mal besser, mal schlechter. Besonders emotional wird es immer dann, wenn Claus Grünberg sich seiner „realen Familie“ erinnert und in den Gedanken hieran, die Trauer im kleinen Studio förmlich spürbar ist. Nicht ganz so gut funktionieren die Masken aktueller Politiker an anderer Stelle, mit Ausnahme von Herrn Trump. Diesem erklärt Grünberg in sehr unterhaltsamer Art und Weise, dass ein Bauchgefühl nicht immer das beste Mittel in der großen Politik sein mag. In den Szenen mit Figuren aus alten Opernwerken werden vor allem die Monteverdi-Kenner sich am großen Fachwissen und der künstlerisch durchaus gelungenen Umsetzung Kobie van Rensburgs erfreuen können. Alle anderen Zuschauer werden aber zumindest an der Musik und der Inszenierung mindestens ebenso viel Freude haben. In fast bewährter Manier, besteht das Bühnenbild aus einer großen Leinwand, auf der mittels phantastisch klaren Bildern eine durchgängige Videoprojektion läuft, in welcher die Darsteller immer wieder eingebunden werden. Hier werden auch die teilweise recht freien, aber dafür sinngemäß stets gut passenden Übersetzungen ins Deutsche geschickt mit eingebaut. Besucher früherer Inszenierungen von Kobie van Rensburg am Theater Krefeld-Mönchengladbach werden hier Bewährtes wiederfinden. Ein großer Vorteil ist in diesem Fall das kleine Studio, da die „Aufnahmefläche“ und „Projektionsfläche“ so dicht nebeneinanderliegen, dass beides mit einem Blick erfasst werden kann.

Fast scheint es, als würde diese Technik mit jeder neuen Produktion nochmals eine Steigerung erfahren, so sind inzwischen auch zwei gleichzeitige Einspielungen von verschiedenen Darstellern möglich. Aber hier will ich mich nun gar nicht zu sehr in die technischen Dinge verlieren, denn einen weiteren großen Reiz der Produktion macht die auch heute noch fesselnde Musik aus, die von acht Mitgliedern der Niederrheinischen Sinfonikern unter der musikalischen Leitung von Yorgos Ziavras wunderbar wiedergegeben werden. Verwendet wurden für die Produktion übrigens Ausschnitte aus den Opern „L’Orfeo“, „Il ritorno d’Ulisse in patria“ und „L’Incoronazione di Poppea“, dem Opernfragment „Arianna“ sowie aus den Werken „Madrigali guerrieri e amomorosi“, „Selva morale e spirituale“, „Lamento d’Arianna“, „Scherzi musicali“ sowie als einzigem Werk welches nicht von Monteverdi stammt, „Fra l’ombre e gl’orrori“ von Georg Friedrich Händel.

Hervorragend auch die Darsteller, allen voran Andrew Nolen als Claus Grünberg, der diese Rolle nicht nur spielt sondern förmlich zwei Stunden durchlebt. Bereits bei „Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte“ war sein Schauspiel alleine einen Besuch wert, hier sind nun seine Gesangsanteile deutlich umfangreicher und diese meistert er in allen Lagen mit Bravour. Ganz hervorragend. In weiteren Rollen überzeugen Susanne Seefing als seine Frau Claudia Grünberg, James Park als behandelnder Chefarzt Dr. Bardi sowie die Mitglieder des Opernstudios Agnes Thorsteins, Panagiota Sofroniadou und Alexander Kalina in wechselnden Rollen.

Nachdem man mit der Premiere der „Faschingsfee“ am Vorabend wohl vor allem die breite Masse ansprechen wollte, ist die Uraufführung von „Der seltsame Fall des Claus Grünberg“ sicher eher etwas für ein kleineres Publikum. Da das Studio allerdings nur eine sehr begrenzte Platzzahl bietet, sollte man sich hier durchaus beeilen, wenn man sich diese durchweg gelungene Produktion nicht entgehen lassen will.

Markus Lamers, 25.09.2017
Fotos: © M. Stutte