Mönchengladbach: „Ein Maskenball“

Premiere in Mönchengladbach-Rheydt am 11.9.15

zeitgemäßes Musiktheater vom Feinsten

Verdis "Un ballo in maschera" ist eine schöne, aber verteufelt schwer omnipartie-mäßig gut zu besetzende Oper. Man braucht eigentlich fünf superbe Stimmen; selten – auch auf Platte – finden sich alle wichtigen Partien trefflich besetzt bzw. harmonieren auch gut miteinander, was ich persönlich für sehr viel wichtiger im Sinne des Musikerlebnisses halte. Um es gleich vorweg zu nehmen: Bei der Premierenbesetzung am wunderbaren Mönchengladbacher Opernhaus in Rheydt – nebenbei bemerkt einem Kleinod nicht nur in der NRW-Theaterlandschaft! – stimmte alles. Hinzu kam, daß man mit Andreas Baesler und seinem vielfach bewährten Team (Bühne Hermann Feuchter / Kostüme Caroline Dohmen) auch einen ausgewiesenen Fachmann für spannend zeitgemäßes Musiktheater engagiert hatte. Ich erinnere mich noch gut an Baeslers meisterhaft maßstabsetzende Produktion von Brittens TOD IN VENEDIG 2006 am selben Ort.

Andreas Baesler, dem immerhin schon in der damaligen Spielzeit der "Theater Oscar" der größten Regionalzeitung (Rheinische Post) als Publikumspreis für diese Britten-Produktion verliehen wurde – in der Spielzeit 2006/2007 wurde ihm sogar der Gelsenkirchener Theaterpreis verliehen – gehört zu den modernen Regisseuren, die Kritiker und Theatervolk selten enttäuschen, denn er versteht sein Fach; er beherrscht sein Handwerk. Seine Konzepte sind durchdacht und behalten auch in ihrer Modernität bzw. Zeitversetzung (wie hier beim MASKENBALL in die 60er Jahre der USA) die rote Linie der Vernunft, Sinnhaftigkeit und "Werktreue", ohne je museal zu wirken. Neben dem Verzicht auf Firlefanz und Provokation, gehört er zu den Regisseuren, die ganz vorzüglich auch mit Massen auf der Bühne umgehen können, ohne daß es aufgesetzt wirkt. Chor (Ltg. Maria Benyumova) und Statisterie folgen ihm und seinem Konzept bestens – nichts wirkt überzeichnet, affektiert oder künstlich. Die Damen und Herren überzeugten darstellerisch und waren sogar bei den Schreittänzen ein optimal präsentes Bewegungsambiente. Bravi!

Daß man die, wie fast immer bei Verdi ausgesprochen konfuse Geschichte, also das Libretto, durchaus in die Vor-Vietnam-Zeit des Oval-Office versetzen kann (wenngleich uns Kritikern dieses US-Päsidentenheim doch in den letzten Jahren allzu oft begegnet) zeigte diese Inszenierung sinnreich. Die Kostüme von Carolin Dohmen unterstützen das alles in wohlüberlegtem Zeitkolorit, wobei die besonders aufwendige und fein ausziselierte Ballkleidung der Damen eine fabelhafte Couturlinie zeigte.

Michael Simon, ein durchaus jugendlicher Tenor, harmoniert mit seiner relativ hohen Tessitura in idealer Weise mit dem fast verdi-ideal zu nennenden dramatischen Bariton der grandiosen Izabela Matula. Weiterhin hat man mit Eva Maria Günschmann eine treffliche Ulrica- Besetzung, mit Johannes Schwärsky eine schon beinah weltklasse zu nennende Besetzung des Renato und Sophie Witte (Oscar) war für mich nicht nur gesanglich, sondern auch darstellerisch die Überraschung des Abends – fünf Musiktheatercharaktere vom Feinsten, wie man sie selten in einer Maskenball-Aufführung antrifft. Da braucht es keine Weltstars, die in ihren Soloperformances die Konkurrenz platt singen, oder als Stars durch die Szenerie rampenmäßig durchstehen – hier am Mönchengladbacher Haus am Premierenabend bot sich eine High-Class Verdi-Produktion, die auch anspruchsvollen Opernfans Freude bereitet. Eine eindrucksvolle Teamleistung, in der auch die Comprimarii ebenso überzeugten wie der tolle Chor und die Statisterie..

Der etwas dünne Streicherklang der Niederrheinischen Sinfoniker wurde durch luftige Eleganz und Transparenz im sonstigen Klangbild von GMD Mihkel Kütson wett gemacht. Immerhin höre ich mir so etwas lieber an, als die bekannt schleppenden Verdi Orchestralen aus Salzburg oder Wien. Hier wurde nichts einschläfernd zugetünscht, bläsermäßig zerschmettert oder erschlagen. Ein ehrlicher Verdi, ohne Langeweile, wie er einem so heimeligen Stadttheater würdig ist.

Fazit: Gelungener Saisonstart mit einem ausgesprochen diffizilen Verdi Opus; und das in einer Qualität, wie sie mich an die großen Zeiten des Theaters unter dem leider gerade erst 72-jährig verstorbenen ehemaligen großen Intendant Eike Gramss erinnerte, der das KR/MG Theater maßgeblich auf dem Weg zum "kleinen" großen Musiktheater mitgeprägt hat.

Peter Bilsing 14.9.15

Dank an Matthias Stutte für die aussagekräftigen produktionsbilder