Osnabrück: „Die Soldaten“, Manfred Gurlitt

Premiere: 17. Januar 2015, besuchte Vorstellung: 3. Februar 2015

Komponist Manfred Gurlitt hat es auf den Bühnen schwer: Sieben Opern hat er geschrieben, doch sein „Wozzeck“ ist von Alban Bergs Oper verdrängt worden und „Die Soldaten“ von Bernd Alois Zimmermanns monumentalem Musiktheater. Dabei ist Gurlitts „Soldaten“-Oper wesentlich leichter auf die Bühne zu bringen, wie jetzt in Osnabrück zu erleben ist.

Gurlitts Vertonung wirkt wie ein Schauspiel mit Musik, ist sehr auf die Sprache fokussiert. In den Zwischenspielen atmet das 1930 in Düsseldorf uraufgeführte Stück den Geist der Spätromantik. Am ehesten kann man dieses Werk mit den Konversationsopern von Richard Strauss vergleichen (Intermezzo, Capriccio).

Kennt man Zimmermanns „Soldaten“, ist man bei Gurlitt anfangs etwas verstört von der Leichtigkeit und dem komödiantischen Ton der Musik. Gurlitts Komposition hält viel Distanz zum Geschehen, und berührt den Hörer erst am Ende, wenn Marie im Elend lebt. Das Osnabrücker Symphonieorchester unter dem Dirigat von An-Hoon Song trifft den speziellen Tonfall Gurlitts gut und spielt klangschön auf. Lediglich die Blechbläser haben gelegentlich Probleme mit der Intonation.

Regisseur Florian Lutz versetzt die Geschichte in unsere Gegenwart und spart dabei nicht mit Bundeswehrkritik, die aber oft klischeehaft und platt ist. Alle Figuren sind hier in das Militärwesen eingebunden: Stolzius ist kein Tuchhändler, sondern Chef einer Waffenfabrik, der alte Wesener handelt nicht mit Galanteriewaren, sondern Schusswaffen. Da ist es für Florian Lutz, der die Personenführung sehr genau gearbeitet hat, nur logisch, dass Desportes der Marie zum ersten Rendezvous keine Ziernadel, sondern ein Maschinengewehr als Geschenk mitbringt.

In der Zeichnung der Personen weicht Florian Lutz von dem Bild der Figuren ab, dass die Musik vermittelt: Marie ist kein Opfer der Männergesellschaft, sondern ein Power-Girl, das weiß, wie es mit Hilfe der Männer aufsteigen kann. Dass solch eine starke Person dann unter die Räder der Gesellschaft gerät, kann man nicht so recht glauben. Susann Vent-Wunderlich singt die Marie als selbstbewusste Power-Frau mit jugendlich dramatischem Sopran

Stolzius ist kein schwärmerisches Weichei, sondern ein bloß ein Verliebter Waffenproduzent, den Jan Friedrich Eggers mit klarem und hellem Bariton singt. Desportes ist hier nicht ein geiler Bock, sondern ein angenehm plaudernder Geschäftsmann mit schusssicherer Weste. Per-Hakan Precht singt die Rolle sehr heldentenoral. Ein tolles Kabinettsstückchen legt Joslyn Rechter in der Rolle der Gräfin de la Roche hin. Sie singt die Partie sehr nobel und legt gleichzeitig eine überzeugende Ursula-von-der-Leyen-Parodie als „Mutter der Kompanie“ hin.

Die Zwischenspiele werden mit Werbefilmen der Bundeswehr und der Waffenindustrie sowie Bildern von aktuellen und früheren Kriegsschauplätzen garniert. Zwar kann man über den Sinn und Unsinn von Bundeswehreinsätzen diskutieren, der Armee aber grundsätzlich den Schwarzen Peter zuzuschieben, ist plump und geht an der Realität vorbei. Oft scheint es auch, als würde diese Inszenierung besser zu der Oper und der Musik von Bernd Alois Zimmermann passen als zu Manfred Gurlitt.

Insgesamt kann diese Regie von Florian Lutz nicht so begeistern wie seine Bielefelder (Medée, Cenerentola) und Bonner Arbeiten (Norma). Für Raritätensammler und Kenner der Zimmermann-Oper lohnt sich aber ein Besuch, um eine andere Sichtweise auf den Stoff kennenzulernen.

Rudolf Hermes 5.2.15

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