Ulm: „Rock of Ages“

DE am 7.6.2018

Was ein vergleichsweise kleines Stadttheater zu leisten vermag, zeigte das Theater Ulm in der vergangenen Woche. Nur einen Tag nach der letzten Aufführung von Richard Strauss „Elektra“, die in jeder Hinsicht vollkommen überzeugen konnte und sowohl gesanglich, musikalisch wie auch von der Inszenierung auf ganz hohem Niveau stattfand, folgte am 07.06.2018 die deutschsprachige Erstaufführung des Musicals „Rock of Ages“. Das Musical von Chris D’Arienzo und Ethan Popp ist, wie im Vorfeld zu vernehmen war, ein Wunschstück vom scheidenden Intendanten Andreas von Studnitz, der sich hiermit auch gleich auf der Bühne von seinem Publikum gebührend verabschieden konnte. Vorab kurz zum Inhalt des Stückes, welches in Los Angeles während der 80iger-Jahre angesiedelt ist. Lonny Barnett arbeitet in im Bourbon-Room, der Bar von Dennis Dupree und nimmt uns von dort als Erzähler der Geschichte mit auf eine Reise über den brodelnden Sunsetstrip der Stadt. Doch der Bauunternehmer Klineman will just an dieser Stelle ein modernes Shoppingcenter errichten und überzeugt den Bürgermeister hiervon mit vielleicht nicht ganz legalen Mitteln. Um „seinen Laden“ zu retten, müssen Einnahmen her, hier soll ein Konzert des Superstars Stacee Jaxx helfen, der Dupree noch einen Gefallen schuldet.

Gleichzeitig suchen der junge Drew Boley und die vom Lande stammende Sherrie Christian in Los Angeles ihr Glück als Sänger bzw. Schauspielerin. Damit wäre auch schon das Wichtigste gesagt, denn selbst Regisseur Arthur Castro erwähnt im Programmheft, dass die Geschichte schlicht – boy meets girl – und die Handlung fast nur ein Vehikel ist, um die 20 Nummer-Eins-Hits zu feiern. Hiermit meint er viele beliebte (Glam-)Rocksongs der 1980er wie beispielsweise „The Final Countdown“, „Wanted Dead or Alive“, „I wanna rock“, „We build this city“, „We´re not gonna take it“, „Waiting for a girl like you“, „More than words“, „Hit me with your best shot“, „I wanna know what love is“ und vielen anderen mehr. Doch „Rock of Ages“ ist viel mehr als ein weiteres Best-Of-Jukebox-Musical, denn Ethan Popp ist es gelungen die Songs teilweise geschickt neu zu arrangieren und ineinander überfließen zu lassen, so dass es einfach Freude macht. Dargeboten werden die Songs wunderbar von der 5köpfigen Rockband unter der musikalischen Leitung von Ariane Müller, was für dieses Musical eine absolut ausreichende Größe ist. Zudem hatte sich das Philharmonische Orchester, welches am Abend zuvor wie erwähnt zu Hochtouren aufspielte auch mal eine Pause verdient. Castros Regie ist dem Stück sehr dienlich, da er der recht einfachen Geschichte Raum gibt sich zwischen und mit den Songs zu entfalten ohne die Story zu ernst zu nehmen.

Zudem gelingt es ihm immer wieder durch viele kleine Gags und netten Ideen, dem Humor der Originalinszenierung gerecht zu werden. Hier lieferte auch Holger Hauer im Vorfeld der Produktion ganze Arbeit bei der deutschen Übersetzung der Sprechtexte ab, die Songs blieben soweit im englischen Original, alles andere wäre auch schlicht und einfach nicht möglich oder sinnig. Die Gags sind bis auf wenige Ausnahmen treffend und pointiert. Eine sicherlich nicht leichte Aufgabe wurde hier so zufriedenstellend gelöst, dass das Ulmer Publikum sichtlich Spaß in der Premiere hatte. An dieser Stelle auch ein besonderes Lob an eben jenes Publikum. Ich bin ja nun wahrlich oft und viel im Theater, aber ein so begeistertes Publikum voller Vorfreude auf eine Uraufführung habe ich selten erlebt. Dies begann gleich zu Beginn, wo der Funke bereits in der Eröffnungsnummer übersprang und hielt sich bis zum frenetischen Schlussapplaus auf einem konstant hohen Level ohne dabei störend zu wirken. Die Kostüme von Britta Lammers sind der Zeit schön angepasst. Die ebenfalls von ihr gestaltete Bühne ist dagegen praktikabel und recht schlicht gehalten, spielen doch auch die meisten Szenen im Bourbon Room. Andere Orte werden meist mittels kleiner Videowand eingespielt oder durch das Hubpodest aus der Unterbühne hochgefahren.

Wie erwähnt verabschiedet sich der Ulmer Intendant Andreas von Studnitz zum Ende dieser Spielzeit mit diesem Musical in der Rolle des Barbesitzers Dennis Dupree von seinem Publikum, was ihm überzeugend gelingt. Auch wenn er gesanglich mit dem übrigen Ensemble nicht mithalten kann (was zwischenzeitlich auch als kleiner Gag mit eingebaut wird) und sein Mikroport ihn bei der Premiere das ein oder andere Mal im Stich ließ, gibt er den stark an Ozzy Osbourne erinnernden „Altrocker“ mit Hingabe und Komik. In den Hautrollen überzeugen Sascha Lien als Drew, Navina Heyne als Sherrie sowie die bekannten Musicaldarsteller Thomas Borchert als Stacee Jaxx und Henrik Wager als Lonny Barnett. John Davies überzeugt als Franz Klineman, Sohn des Bauunternehmers, gesanglich wie auch komödiantisch. Dass er 1988 als seinerzeit jüngster Darsteller zu Recht eine Rolle beim Starlight Express besetzte, zeigt er auch bei Rock of Ages, denn Rollschuh fahren, kann er noch heute ohne an dieser Stelle zu viel verraten zu wollen. Auch die weitere Cast weiß zu gefallen, abgerundet wird dieser rundum unterhaltsame und gelungene Theaterabend von der Balettcompagnie des Theater Ulm, für die Choreographie zeichnet sich hierbei Damien Nazabal verantwortlich.

Sicherlich ist die (Rock-)Musik des Stückes nicht jedes Opernfreundes Geschmack, allerdings zeigt das Theater Ulm hier wie wunderbar vielfällig ein Spielplan sein kann und dass der von einigen Intendanten nach wie vor gemiedene Bereich des Musicals durchaus positiv zum Gesamtbild des Theaters beitragen kann. Wenn dies in einer derartigen Qualität wie hier geschieht, ist es diesem ja auch recht prominent verfilmten Werk absolut würdig, welches zudem für zahlreiche Tony- und Grammy-Awards nominiert war. So macht ein Musicalbesuch richtig Freude, eine herausragende Leistung was hier in Ulm vollbracht wurde.

Markus Lamers, 09.06.2018
Fotos: © Jean-Marc Turmes / Theater Ulm