Gastspiel der der Ungarischen Oper Klausenburg/Cluj-Napoca)
am 29.9.2015
Klingt nicht wie Wagner – ist aber Wagner!
Gestern fuhr ich mit „Bauchweh“ nach Budapest. Von Wien nach Budapest zu fahren, um das Gastspiel eines „Provinztheaters“ mit Wagners „Liebesverbot“ zu erleben, noch dazu auf Ungarisch, das ist auch für einen Opernverrückten ein bißchen sehr verrückt.
Die Stadt Klausenburg (rumänisch: Cluj, ungarisch: Kolozsvar) in Siebenbürgen gehörte bis 1918 zur K.u. K. Monarchien, Ungarische Reichshälfte, und hatte 1890 4% deutsche, 10% rumänische und ca 85% ungarische Einwohner. Jetzt gehört die Stadt zu Rumänien und von den 325.000 Einwohnern sind 80% Rumänen, 19% Ungarn und die Siebenbürger Sachsen sind fast völlig verschwunden. Neben der 1919 gegründeten Rumänischen Nationaloper (Opera Națională Română) gibt es die ältere Ungarische Oper (Opera Maghiară). Die Netzseite ist leider nur auf Ungarisch und Rumänisch, also für mich weitgehend unverständlich.
Spätestens nach der Ouvertüre war dann von „Bauchweh“ keine Spur mehr übrig. Der DirigentGyörgy Selmeci führte sein ausgezeichnetes Orchester schwungvoll durch den Abend.
Das einfache, aber hübsche Einheits-Bühnenbild von Balazs Cziegler verwandelt sich durch schnelle, kleine Veränderungen schlüssig in die unterschiedlichsten Schauplätze. Die Darsteller treten in modernen Kostümen von Ildiko Tihanyi auf. Der Statthalter Friedrich als Politkommisar (durchaus seiner Funktion entsprechend), seine Büttel als Geheimpolizei in schwarzen Mänteln und Schlapphut. Eine Kleidung, die dem Klausenburger Publikum aus der jüngsten Vergangenheit noch in lebendiger Erinnerung ist.
Der Regisseur Mate Szabo führt die Sänger sorgfältig durch die Oper und verlangt den kleineren Rollen oft akrobatische Fähigkeiten ab, die die Darsteller aber scheinbar mühelos darbieten.
Eine zweifellos moderne Inszenierung ohne ein Flankerl Staub, aber auch ohne irgendeinen „Verbiegung“ der Handlung. Chor (Szabolcs Kulcsar) und Ballett (Melinda Jakab) sind besonders in den wirbelnden Karnevals-Szenen große Klasse.
Der königliche Statthalter Friedrich in Sizilien verbietet zwecks Hebung der Sittlichkeit alle Lustbarkeiten einschließlich Karneval, Trunk und Liebe. Im Laufe von drei kurzweiligen Stunden werden die Sittenapostel als Heuchler entlarvt und die inhaftierten „Sittlichkeis-Verbrecher“ befreit.
Und da es sich um eine „große komische Oper handelt“ stehen beim Fallen des Vorhanges vier glückliche Paare auf der Bühne, inmitten eines ausgelassenen Karnevalstreibens.
Die spritzige Musik „klingt nicht wie Wagner“, ist aber Wagner. Ganz anderer Wagner zwar, aber großer Wagner!
Von den Sängern haben mich, sowohl stimmlich als auch darstellerisch, besonders Apollonia Egyedals Isabella und Janos Szilagyi als Brigella beeindruckt. Auch Adorjan Pataki als Claudio, Zsuzsa Barabas als Mariana und Sandor Balla als Statthalter Friedrich waren – wenn man nicht Staatsopern-Maßstäbe anlegt und Hermann Prey als Friedrich in München kurz vergißt – sehr gut.
Levente Szabo als Luzio und Judit Hary als Dorella fielen stimmlich gegen die vorgenannten ab, allerdings ohne unangenehm aufzufallen.
Große Begeisterung beim Budapester Publikum. Ich hab mich drei Stunden lang köstlich unterhalten. Leider war es ein einmaliges Gastspiel in Budapest. Wenn Sie die Produktion selbst erleben wollen, müssen Sie sich nach Siebenbürgen bemühen. Was aber auch aus anderen Gründen sehr lohnend wäre.
Schade, daß der Volksopern-Meyer nicht in der Vorstellung war. Vielleicht hätte er das Ensemble zu einem Gastspiel nach Wien eingeladen oder gar die ganze Produktion, wenn sie in Klausenburg abgespielt ist, übernommen. Es wäre ein Gewinn für die Volksoper.
Andreas Schnabl 1.10.15
Besonderer Dank an MERKER-online
Photos: Zsófia Pályi.