Valencia: „Silla“

Teatre Martín i Soler – Aufführung am 19.12.15 (Premiere am 12.12.)

Es muss nicht immer Mozart sein

Der neue künstlerische Leiter des Palau de les Arts Davide Livermore hat zwei Musikdirektoren bestellt: Roberto Abbado für das „normale“ Repertoire und Fabio Biondi für die Barockopern, die in größerem Umfang als bisher gepflegt werden sollen.

Im dem kleinen Saal des Gebäudes von Calatrava, der den Namen des aus Valencia stammenden Komponisten der zu Mozarts Zeiten so beliebten Oper „Una cosa rara“ trägt, wurde Georg Friedrich Händels mit einer Dauer von rund zwei Stunden kürzeste Oper gespielt. Wir wissen wenig von ihr, und es ist nicht einmal sicher, ob sie überhaupt öffentlich gegeben wurde, obwohl die Annahme besteht, sie sei im Juni 1713 am Queen’s Theatre gegeben worden. Bis vor etwa 20 Jahren verfügte die Musikwelt nur über Fragmente aus dem nach „Rinaldo“ entstandenen Originalmanuskript und eine Dirigierpartitur. Nachdem in Kalifornien die Ausgabe des gedruckten Librettos von Giacomo Rossi aufgetaucht war, wurde es möglich, die 26 Nummern zu rekonstruieren, wobei der ganze Titel „Titus Cornelius Silla“ lautet. Warum das auf Plutarchs Berichten über den römischen Diktator Sulla beruhende Werk hier nur den obigen Titel trug, entzieht sich meiner Kenntnis. Jedenfalls gelangte es bei den Händel-Festspielen in Halle 1993 zur konzertanten und im Juni 2015 zur szenischen Aufführung.

Die junge italienische Regisseurin Alessandra Premoli zeigte während der Ouvertüre, wie Silla seinen Rivalen Marius im Stile eines Gladiatorenkampfes besiegt. Während der wegen weniger Rezitative fast ununterbrochen aufeinanderfolgenden Arien wurde die Handlung von Mimen vorangetrieben – eine geschickte Lösung. Im wie ein (allerdings drehbares) Amphitheater angelegten Bühnenbild von Manuel Zuriaga waren Sillas Parteigängerinnen wie Collegemädchen mit Zöpfen und weißen Stutzen gekleidet (Kostüme: José Maria Adame), was die Regie u.a. dazu nützte, um eine Art nordkoreanischen Drill darzustellen, wie auch die (nicht nur psychologische) Folter der Feinde Sillas wiederholt gezeigt wurde.

Insgesamt eine packende Regie, die im Einklang mit dem sehr spannenden Dirigat von Fabio Biondi stand, der die Streicher des Orquestra de la Comunitat Valenciana immer wieder zu sehr aggressivem Spiel anhielt, aber auch schöne Cellosoli zuließ. Exzellent war die Begleitung einer Arie des Claudius (Gegner des Silla und Geliebter der Celia) durch die Solotrompete. Fünf der sieben vor vollem Haus agierenden Solisten stammten aus dem Centro de Perfeccionamiento Plácido Domingo: In der Rolle von Sillas betrogener Gattin Metella wies Karen Gardeazbal zunächst ein vermutlich nervositätsbedingtes Vibrato auf, später festigte sich ihr Sopran. Mit gut gebildetem, homogenem Mezzo sang Elisa Barbero den Lepidus, ein weiteres Opfer Sillas (und Kompliment an die Maske, die wirklich einen jungen Mann aus ihr machte).

Das gilt übrigens auch für Adriana di Paola, die stimmlich brillanteste der Besetzung, wobei der Mezzo allerdings nicht aus dem Centro de Perfeccionamiento stammt. Ihr Claudius war in seiner Klage um Celia herzergreifend gesungen. Diese fand sich bei Nozomi Kato in einer geläufigen Soprangurgel, deren Besitzerin auch sehr engagiert spielte. Weniger gefielen Federica di Trapani (Flavia), deren Sopran steife Höhen hören ließ und als zweite nicht zum Centro gehörende Interpretin Benedetta Mazzucato in der Titelrolle, die ihrem Mezzo eindeutig zu tief lag, sodass sie manche Stellen geradezu sprechen musste.

Insgesamt ein musikalisch wie szenisch überzeugender Abend, der an seinem Ende viel Beifall fand.

Eva Pleus 28.12.15

Bilder: Tato Baeza / Palau de les Arts