Wien: „Ein Walzertraum“

14. September 2012, (Premiere 8. September 2012)

Nach einer Vorstellung wie dieser fällt es schwer das leere Blatt Papier bzw. den weißen Bildschirm des Computers mit einem Kommentar zu füllen. Am liebsten möchte man schweigen und den Mantel des Vergessens über das Gesehene und Gehörte breiten. Ein Walzertraum von Oscar Straus wählte Direktor Robert Meyer als Saisoneröffnungspremiere für seine Wiener Volksoper, er selbst ließ es sich nicht nehmen auch Regie zu führen. Und hier beginnt das Unheil seinen Lauf zu nehmen: Selten langweilte ich mich im Haus am Gürtel bei einer klassischen Operette so sehr wie bei der Story rund um den wienerischen Leutnant Niki und der preussischen Prinzessin Helene aus dem Fürstentum Flausenthurn. Bei Christof Cremers Bühnenbild und Kostümen dominiert grün. „Eine schlechte Farbe für die Bühne,“ dozierte zeitgleich beim Schreiben dieser Zeilen der alte Theaterhase Robert Herzl in einer Radiosendung. Und als Intendant der Badener Sommerarena bewies Herzl erst unlängst mit einer fulminanten Gräfin Mariza in der Regie von Isabella Fritdum wie spritzige und unterhaltsame Operette heute aussehen kann. Dort hätte sich Robert Meyer auch viele Ideen und Überraschungen abschauen können, so verharrte er bei diesem Walzertraum aber in eingefahrenen Bahnen, Stehoperette ohne Tempo, die Pointen kamen mit dem Holzhammer oder waren gestrichen worden, die Akteure waren zur Outrage verhalten – so schleppte sich das Stück knappe 2 ½ Stunden dahin. Am Ende gab es Anstandsapplaus, es überkam mich fast Mitleid, denn wie verloren verbeugten sich die Sänger artig, wohl wissend, dass dieser Abend in die Hosen ging.

Auf der Bühne stand eine Mixtur aus der Erst- und Zweitbesetzung, aber richtig glücklich machte die Sängerschar auch nicht. Der gebürtige Pole Alexander Pinderak wirkte als Schwiegersohn des Fürsten Joachim an dessen Schloss – zwar wie im Buch vorgesehen – sehr verloren, das typische k.u.k.-österreichische Idiom traf er aber leider auch in der Umgebung seiner Landsleute im zweiten Akt nicht. Der sonst so verlässliche Tenor blieb blass und überzeugte auch sängerisch nicht wirklich. Besser schlug sich da Caroline Melzer als seine angetraute Prinzessin Helene. Anfangs mit etwas ungewohntem Timbre eher opernhaft ans Werk gehend, gelingt es ihr im Schlussbild durchaus zu berühren. Aber leider wird sie auch da von Regie und Kostüm in Stich gelassen, denn das neue Kleid, mit dem sie ihren Ehemann erotisch faszinieren soll, unterscheidet sich von ihrer vorherigen Garderobe nur wenig.

Für den intriganten Grafen Lothar, der selbst auf die Gunst von Helene hofft, holte Meyer Schauspieler und Namensvetter Markus Meyer vom Burgtheater. Als Karikatur eines Deutschen war er leider sehr zu Übertreibungen angehalten, in sängerischer Hinsicht hielt er mit den Profis erstaunlich gut mit. Der gebürtige Dresdner Andreas Daum hatte als sächselnder Fürst naturgemäß ein Heimspiel, als Oberkammerfrau Friederike war Regula Rosin resolut und erfreulich textdeutlich. Der bewährte Buffo Roman Martin zeigte als Leutnant Montschi ansatzweise wie man in Operetten gute Laune verbreiten kann, die Damenkapelle war regiemäßig zu klischeehaften jungen Mädels verdammt. Renée Schüttengruber folgte als Tschinellen-Fifi diesen Vorgaben leider, Martina Dorak gab hingegen der Kapellmeisterin Franzi Steingruber ihr ureigenstes wienerisches Profil, die beste Leistung des Abends! Licht (Gernot Kranner als Leiblakai Sigismund) und Schatten (Andreas Baumeister als Hausminister Wendolin) prägten auch die übrige Besetzung, der Volksopernchor durfte seine ganze Routine ausspielen, leider nicht mehr.

Dirigent Guido Mancusi konnte bei diesen Rahmenbedingungen auch mit dem Volksopernorchester keine Wunderdinge vollbringen und so plätscherte dieser Walzertraum trotz seines Melodienreichtums und der wunderbaren Orchestrierung träge dahin. Nach diesem Auftakt kann die Saison 2012/13 an der Volksoper eigentlich nur besser werden.

Ernst Kopica
Bilder-Copyright: Barbara Pálffy /Volksoper