Volksoper Wien, 7.9.2020
Mit über 400 Vorstellungen ist dieses Musical von Cole Porter nach dem Buch von Samuel und Bella Spewack eines der meistgespielten Stücke dieses Genres an der Wiener Volksoper. Die zu rezensierende Vorstellung war die 49. der aktuellen Inszenierung, die 2012 ihre Premiere feierte. Wie in diesem Haus üblich, wird nicht in der Originalsprache gesungen, sondern es wurde die Übersetzung von Günter Neumann aus den 1950er-Jahren herangezogen – allerdings in einer Neufassung von Peter Lund.
Cole Porter war nicht nur für die Musik, sondern auch für die Gesangstexte zuständig – und diese Text sind ein Kind der Entstehungszeit dieses Stückes, das in den späten 1940er-Jahren seine Premiere feierte. Ob in der heutigen Zeit, die von den Hohepriestern der Political Corectness geprägt ist, die eine oder andere Textzeile überhaupt noch möglich wäre – das wage ich fast zu bezweifeln – ein Beispiel des Originaltextes (in der Übersetzung noch einmal eindeutig zweideutiger..) aus „Where is the life that I lead? „
“And lovely Lisa, where are you, Lisa?
You gave a new meaning to the leaning tow’r of Pisa”
Überhaupt erscheint die Handlung in Zeiten wie diesen unglaublich sexistisch (und nichtsdestotrotz erfreue ich mich immer wieder an dem Zeffirelli-Film der Widerspenstigen Zähmung mit Liz Taylor und Richard Burton immer wieder auf’s Neue – Bad Me !!!)
Zum besseren Verständnis des Stückes hilft es, wenn „The Taming of the Shrew“ von Shakespeare geläufig ist (ansonsten wird es vielleicht schwer verständlich sein, wenn in der letzten Szene Katharina ihre Schwester insofern maßregelt, dass sie ihrem Gatten gefälligst untertänig zu dienen hat).
Immer wieder kommt in dieser Bearbeitung auch das „Wienerische“ nicht zu kurz, was beim Publikum sehr gut ankam. Durch Covid-19 wurden naturgemäß starke Sicherheitsvorkehrungen getroffen, die Besucher hielten sich vorbildlich daran. Es bleibt zu hoffen, dass man zumindest ab 2021 wieder in den Genuss eines vollen Hauses kommen kann.
Die Produktion ist schwungvoll, die Kostüme von Sue Blane sehr bunt, das Bühnenbild von Friedrich Eggert zeigt ein stilisiertes Padua und kostet die Möglichkeiten der Drehbühne voll aus, auch die Choreographie von Alonso Barros ist sehr gut gelungen. Bernd Mottl hat – im Gegensatz zur ziemlich misslungenen Vorgängerproduktion eine zeitgemäße Interpretation des Stückes geschaffen.
Ursula Pfitzner überzeugte einmal mehr als temperamentvolle Lilli Vanessi/Kate, bombensichere Höhen und sie hat auch die Technik für den Musicalgesang. Ihr Fred/Petruchio wurde von Andreas Lichtenberger dargestellt, der mit einem wohltimbrierten Bariton überzeugte und nur beim allerletzten, etwas hohen Ton bei „Wo ist der Mann, der einst ich war“ zu kämpfen hatte, diesen Kampf aber schlussendlich doch gewinnen konnte. Man glaubte diesem Fred auf jeden Fall, dass er auch anderen Frauen durchaus nicht abgeneigt ist.
Als Buffo-Paar erlebte man die in diesem Fach immer wieder erfolgreiche Juliette Khalil (Bianca/Lois Lane), die ihr Talent wieder zur Geltung brachte, und Peter Lesiak als Bill Calhoun/Lucentio . Wolfgang Gratschmaier war ein spielfreudiger Harry Trevor/Baptista und Thomas Sigwald ein überzeugender Harrison Howell.
Einer der vielen Evergreens von „Kiss Me Kate“ ist auf jeden Fall „Es ist viel zu heiß“ – ein Stück, das komplett außerhalb der Handlung stattfindet, aber ein toller Beginn nach der Pause ist. Martin Bermoser hatte hier seinen großen Moment, auch ansonsten spielte er den Garderobier Paul mit viel Einsatz und Humor. Elvira Soukop gab als Hattie ihr Rollendebüt.
Für viel Heiterkeit im Publikum (auch dank des wienerischen Zungenschlags) sorgten die beiden Ganoven Christian Graf und Jakob Semotan, die zusätzlich noch das Gustostückerl „Schlag nach bei Shakespeare“ performen konnten. Viel Applaus zum Schluss für beide Darsteller.
Oliver Liebl und Jeffrey Terganza waren als als die zwei Freier besetzt und Georg Wacks komplettierte die Besetzung als Inspizient. Orchester, Chor und Komparserie der Volksoper und das Wiener Staatsballett trugen ihren Teil zum großen Erfolg des Abends bei, ebenso Dirigent Guido Mancusi. Man ist schon gespannt auf weitere Musical-Abende im Haus!
Kurt Vlach, 8.9.2020
© Barbara Pálffy/Volksoper Wien